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Renate Künast
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Alexander S. •

Frage an Renate Künast von Alexander S. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Künast,

das Thema Nichtraucherschutz wurde seinerzeit mit dem Hinweis auf die Föderalismusreform an die Länder abgeschoben; der Bund sei hier nicht zuständig.

Das ist falsch.

Mit der Streichung der Ausnahme für Gastronomie im bundesweit geregelten Arbeitnehmerschutz könnten Sie den Nichtraucherschutz auch deutschlandweit regeln, die willkürlichen Ausnahmen wären vom Tisch, es würde zudem Chancengleichheit für alle Wirte herrschen und das Kneipensterben wäre beendet. So hat es im Ausland schließlich auch funktioniert, das sagen seriöse Studien.

Erst ist die freiwillige Regelung (DEHOGA-Selbstverpflichtung) gescheitert, nun auch die Bundesländer mit ihren Gesetzen – die schützen vielleicht die Raucher, nicht die Nichtraucher (nur ein paar Beispiele dafür: Raucherclubs schießen wie Pilze aus dem Boden, Raucherräume ohne räumliche Abtrennung werden geduldet, in der Kneipe darf nicht geraucht werden, aber im Büro und sogar im Ärztehaus, macht das Sinn?). Selbst die BVG-Ausnahme, dass in kleinen Kneipen wieder überall geraucht werden darf, führt zu weiten Wettbewerbsverzerrungen: Warum wird eine Kneipe mit 70 qm anders behandelt als eine mit 80 qm? Warum darf eine gastronomische Einrichtung mit Raucherraum Speisen anbieten, eine kleine aber nicht, zumindest wenn die Gäste rauchen dürfen? Und kaum reist man über die Grenze eines Bundeslandes, gelten andere Regelungen.

Der Nichtraucherschutz scheint auf der Strecke zu bleiben und viele Wirte werden im Moment benachteiligt, weil nicht jeder einen Raucherraum einrichten bzw. das Rauchen in seiner Gastronomie erlauben darf. Rund drei Viertel der Bürger – IHRER BÜRGER! – wollen laut repräsentativen Umfragen ein komplettes Rauchverbot. Selbst die meisten Raucher haben sich mittlerweile daran gewöhnt die Gastronomie für eine Zigarettenlänge zu verlassen. Aber die Gesetze lassen weiterhin nach Gutdünken Ausnahmen zu.

Meine Frage daher:

Was werden Sie konkret für den Nichtraucherschutz tun?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Stein,

vielen Dank für ihre Frage zum Nichtraucherschutz.

Der Schutz von Nichtrauchern liegt auch uns sehr am Herzen, daher haben wir in den letzten vier Jahren zahlreiche Initiativen zum Schutz von Nichtrauchern, insbesondere in Gaststätten eingebracht. Um mit gutem Beispiel voranzugehen, haben wir auch das Rauchverbot in den Räumen des Deutschen Bundestags durchgesetzt. Nach der Wahl werden wir uns wieder engagiert für einen Schutz von Nichtrauchern einsetzen. Wir verfolgen dabei den gleichen Ansatz den Sie vorgeschlagen haben mit einer Änderung des Arbeitsschutzgesetzes.  

Es gab in dieser Wahlperiode eine Vielzahl von Vorstößen der Grünen, die den Schutz vor Passivrauchen in den Mittelpunkt stellten. Drei unserer Initiativen befassten sich damit, den Bundestag rauchfrei zu bekommen. Die Regelungen für öffentliche Gebäude werden jetzt auch im Parlament angewendet. Um Rauchverbote im Arbeitsschutz zu verankern, starteten wir vier parlamentarische Initiativen, die jedoch gescheitert sind - die letzte erst im März 2009.

Erreicht wurde in dieser Legislaturperiode, dass öffentlichen Gebäude und Verkehrsmittel ebenso wie der Bundestag größtenteils rauchfrei sind. Für Raucherräume sind jedoch keinerlei Vorkehrungen wie Be- und Entlüftung oder leichter Unterdruck vorgeschrieben, um die Umgebung vor dem Qualm zu schützen. Für uns ist das ein Skandal. Hier hat die Bundesregierung versagt und das Parlament ist in der neuen Legislaturperiode gefragt, wenn keine vernünftige Verordnung erlassen wird.

Negativer sieht die Bilanz bei den Gaststätten aus. Der von uns Grünen vorhergesagte Flickenteppich mit unterschiedlichsten Regelungen in den Bundesländern ist leider Realität geworden und wird sich im Laufe dieses Jahres vermutlich noch verschärfen. Wir erleben gerade einen massiven Rollback: CDU/CSU und FDP waren die absoluten Bremser in diesen Debatten und verkauften den konsequenten Schutz vorm Passivrauchen als Freiheit. Dass diese Freiheit auch der Gesundheit der anderen schadet, blieb außen vor. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts sind Rauchverbote aber in Gaststätten ohne Ausnahme möglich! Mit dem derzeitigen Regelungsgewirr wird jedoch der Widerstand der Bürgerinnen und Bürger erst provoziert, auf den sich andere dann berufen.

In unserem Ende März 2009 im Bundestag abschließend beratenen Antrag forderten wir die Bundesregierung auf, für möglichst klare und einheitliche Regelungen bei den Ländern zu werben. Wir appellierten an die Bundesländer, mutig zu sein und umfassende Rauchverbote in der Gastronomie zu erlassen. Doch noch nicht einmal dafür wollten und konnten sich FDP, CDU/CSU und SPD durchringen.

Das Arbeitsrecht ist nach unserer Überzeugung der richtige Hebel für bundesweite Regelungen. Das Arbeitsschutzgesetz fällt unstrittig in die Kompetenz des Bundes und sollte jetzt geändert werden. Hierdurch wird auch nicht ins Gaststättenrecht eingegriffen, da die Länder ihre Regelungen vielfach nicht im Gaststättenrecht verankert haben, sondern eigene Nichtrauchergesetze für den Gesundheitsschutz erlassen wurden. Dort finden sich auch Hinweise auf den Vorrang des Arbeitsschutzgesetzes vor den Landesgesetzen. Laut gesetzlicher Definition nimmt eine Arbeitsstätte Bezug auf das Betriebsgelände. Somit fallen Wohnungen (und damit die Privatsphäre) nicht unter unsere vorgeschlagenen Regelungen.

Über einen Teilaspekt hätte man bei einer ernsthaften inhaltlichen Diskussion unseres Vorschlages tatsächlich reden müssen: die Geltung in Alten- und Pflegeheimen. Aber das an die Wand gemalte Problem ist auch hier nicht so groß wie behauptet. Verschiedene Bundesländer haben bereits Rauchverbote für Alten- und Pflegeheime beschlossen und Ausnahmen nur sehr eingeschränkt erlaubt. In Baden-Württemberg ist eine Ausnahme vom Rauchverbot nur dann möglich, wenn in den Räumen ausschließlich Raucherinnen oder Raucher wohnen und alle ihr Einverständnis erteilt haben.
 
Doch eine solch differenzierte Diskussion war von FDP und Union nicht gewollt und die SPD in der Koalitionsdisziplin gefangen. Daher haben diese Fraktionen auch den grünen Gesetzentwurf abgelehnt, der ein Rauchverbot an allen Arbeitsplätzen mit der Möglichkeit von Raucherräumen vorsieht.

Wir Grünen werden uns auch in der kommenden Legislaturperiode weiter für den Schutz vor den Gefahren des Passivrauchs stark machen. Weitere Details finden Sie im „Entwurf eines Gesetzes zur Verankerung eines umfassenden Schutzes vor Passivrauch im Arbeitsschutzgesetz“ (Drucksache 16/10337) sowie in unserem Antrag „Bundesweit einheitlichen Schutz vor Passivrauchen in Gaststätten verankern“ (Drucksache 16/10338).

Mit freundlichen Grüßen

Renate Künast

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