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Reinhard Bütikofer
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Rainer G. •

Frage an Reinhard Bütikofer von Rainer G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Bütikofer,

ich schätze die Grünen und speziell auch Ihre Arbeit sehr.
Bezüglich der neuen EU-Kommission bin ich doch inzwischen besorgt. Natürlich habe ich die leider politisch (statt parlamentarisch) vorgenommenen Entscheidungen zur Bildung der Kommission (Präsidenten/ Vize + Kommissare) verfolgt. Heute wird nun das EU-Parlament hierüber abstimmen.
Vorgestern (25.11.19) nun erschien hierzu im Berliner Tagesspiegel ein ausführlicher Artikel von ihrem Kollegen Martin Sonneborn (Warum ich die EU-Kommission ablehne). Auch wenn Sie den Verfasser möglicherweise nicht schätzen, so begründet er doch seine Position verständlich und auch rational.
Ich hätte von Ihnen gerne gewußt, ob seine Aussagen korrekt oder nicht (bzw. wo evtl.) sind und außerdem wie Sie abstimmen bzw. abgestimmt (und warum) haben.

Mit freundlichen Grüßen
R. G.

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Groth,

vielen Dank für Ihre Zuschrift.

Bis auf zwei britische Grüne haben sich bei der Abstimmung über die Europäische Kommission alle Grünen Mitglieder meiner Fraktion, darunter auch ich, enthalten. Während wir einerseits konstruktiv mit der neuen Kommission zusammenarbeiten möchten und es gute Kommissar*innen gibt, haben wir andererseits große Sorge, vor allem angesichts der Kommissar*innen aus Ungarn, Frankreich und Kroatien.

Herr Sonneborn geht in seinem Artikel konkret auf acht Kommissionskandidat*innen ein:

Wie er selbst darlegt, wurden der ungarische Kandidat László Trócsányi und die rumänische Kandidatin Rovana Plumb vom Europäischen Parlament abgelehnt. Der Rechtsausschuss hatte sie wegen Interessenkonflikten disqualifiziert, d. h. sie wurden richtigerweise erst gar nicht in den entsprechenden Ausschüssen angehört. Auch die französische Kandidatin Sylvie Goulard wurde zurecht vom Europäischen Parlament abgelehnt.

Es bleiben somit fünf Kommissionskandidat*innen, die Herr Sonneborn kritisiert, welche tatsächlich gewählt wurden, wobei wir Grüne übrigens auch den jetzt gewählten Kommissar aus Ungarn, Olivér Várhelyi, aufgrund seiner Nähe zu Victor Orbán mehr als kritisch sehen. Es ist nicht vertretbar, dass jemand, der jahrelang die rechte Hand von Herrn Orbán war, jetzt als Kommissar für Erweiterungspolitik dafür die Verantwortung übernehmen soll, dass Rechtsstaatlichkeit durchgesetzt wird.

Herr Sonneborn bemängelt die Kompetenz der Bulgarin Marija Gabriel im Bereich Digitales und des Polen Janusz Wojciechowski bezüglich der Landwirtschaft. In der neuen Kommission wird erstere allerdings das Ressort Jugend und Innovation leiten. Herr Wojciechowski wird tatsächlich für die Landwirtschaft zuständig sein. Nach wiederholter Anhörung haben meine Kolleg*innen im EU-Agrarausschuss für ihn gestimmt. Er hat bei seiner zweiten Anhörung deutlich mehr geliefert.

Einig sind wir uns mit Herrn Sonneborn im Hinblick darauf, dass Dubravka Šuica (Kroatien) und Thierry Breton (Frankreich) keine geeigneten Kommissar*innen sind. Meine Kolleg*innen, die unsere Fraktion im Ausschuss für konstitutionelle Fragen vertreten, haben Frau Šuica nach der Anhörung kein positives Votum gegeben. Gründe hierfür waren u. a. ihr früheres Abstimmungsverhaltens bei Grundsatzabstimmungen über die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter sowie über Rechtsstaatlichkeit und Transparenz. Des Weiteren sollte Herr Breton als bisheriger Chef einer der größten Digitalfirmen Europas definitiv nicht für den EU-Digitalmarkt zuständig sein. Der Interessenkonflikt hierbei ist evident.

Josep Borrell (Spanien) halten wir bei aller Kritik für qualifiziert. Wir haben ihn durchaus kritisch befragt und akzeptable Antworten erhalten.

Es gibt auch weitere Kommissar*innen, bei denen meine Fraktion und ich überzeugt sind, dass sie gute Arbeit machen werden, z. B. Margrethe Vestager (Dänemark), Frans Timmermans (Niederlande) und Virginijus Sinkevičius (Litauen). Wäre dies nicht der Fall, hätten wir uns bei der Abstimmung nicht enthalten, sondern die Kommission abgelehnt. In meinem Videobericht aus Straßburg, den Plenarnotizen, gehe ich darauf ebenfalls ein: https://www.reinhardbuetikofer.eu/2019/11/28/wahl-der-neuen-kommission-buetis-plenarnotizen-november-2019/ .

Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort weitergeholfen zu haben.

Mit freundlichen Grüßen
Reinhard Bütikofer

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