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Ralph Lenkert
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Frage von Markus M. •

Frage an Ralph Lenkert von Markus M. bezüglich Umwelt

Sehr geehrter Herr Lenkert,

Der international angestrebte für das Klima "noch verträgliche" Kohlenstoffdioxid-Ausstoß ist 2,5 Tonnen CO₂-eq pro Kopf und Jahr. Der durchschnittliche Fußabdruck eines Deutschen inklusive der Treibhausgase liegt bei etwa 11 Tonnen CO₂-eq und damit einiges über dem weltweiten Durchschnitt von 6,8 Tonnen CO₂-eq.
(aus https://de.wikipedia.org/wiki/CO2-Bilanz )

Selbstverständlich kommt es zu gewissen Abweichungen dieser Werte, abhängig von der Statistik, der man folgt. Unbestritten ist jedoch, dass wir in Deutschland ökologisch weit über unseren Verhältnissen leben. Dies ist schon seit Jahrzehnten bekannt und es hat sich herausgestellt, dass das bloße Wissen darum uns nicht davon abgehalten hat, die Umwelt und Menschen an anderen Orten dieser Welt noch maßloser auszubeuten.

Was schlägt also Ihre Partei vor, wie man den durchschnittlichen Fußabdruck der Deutschen auf unter 2,5 Tonnen CO2-eq (oder überhaupt unter den weltweiten Durchschnitt von 6,8 Tonnen CO2-eq) bringen kann?

Angesichts der Tatsache, dass allein ein Flug von Frankfurt nach New York und zurück schon das "Jahres-CO2-Budget" eines Erdbewohners sprengt, würde mich insbesondere interessieren, wie Ihrer Meinung nach von politischer Seite im Bezug auf den Zusammenhang von Flugreisen und ökologischer und sozialer Verantwortung vorgegangen werden sollte.

Mit freundlichem Grüßen und vielen Dank für eine Antwort
Markus Meyer

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Sehr geehrter Herr Meyer,

vielen Dank für Ihre Frage. Deutschland erzeugt zu viel CO2, das ist unbestritten. Dabei fehlt auch noch ein substanzieller Anteil, denn es werden nur die Immissionen berücksichtigt, welche direkt in Deutschland anfallen. Da Deutschland viele Produkte mit CO2-intensiver Herstellung importiert, müsste dieser Anteil mit eingerechnet werden, abzüglich der CO2-Anteile des Exportes. Außerdem wird zu viel pauschalisiert. Beispiel Treibstoffe aus Erdöl: In die Bewertung fließen die CO2 Äquivalenten für den Transport innerhalb Deutschlands, die Verarbeitung (Raffinerien) und dann die Verbrennung der Treibstoffe ein. "Vergessen" – also nicht berücksichtigt – werden die CO2-Immissionen bei der Förderung und Lieferung nach Deutschland. Für die Öko-Bilanz in Deutschland ist es also egal, ob das Öl aus dem Nahen Osten, Norwegen oder Kanadischen Ölsanden stammt. Die Gesamtbilanz Deutschlands sieht deshalb noch schlechter aus. Wir, also die Menschen der Bundesrepublik, verbrauchen weit mehr Umwelt, als unser ökologischer Anteil beträgt. Langfristig muss für uns die Gesellschaft ökologisch und sozial umgestaltet werden, ewiges, materielles Wachstum (derzeitige Marktwirtschaft) führt zur globalen Umweltkatastrophe. Ein "New Green Deal" kann die Katastrophe dauerhaft nicht verhindern, er verschafft aber Zeit. Die Linksfraktion im Bundestag sieht die Notwendigkeit, die Idee einer sozialen, ökologischen und gerechten Gesellschaft sowie den Weg dorthin zu entwickeln, als ihre Aufgabe an. Deshalb arbeiten wir, zusammen mit allen Interessierten an unserem "Plan-B" ( https://www.plan-b-mitmachen.de/ ). Darin enthalten sind umfassende Analysen des Heute, Visionen für 2050 und erste Schritte, wie man sich auf den Weg machen kann. Plan B lebt, wird weiterentwickelt und wir würden uns freuen, wenn etwa Sie und Andere sich noch mit einbringen.

Damit die richtigen Maßnahmen für das Klima und nicht nur für die deutsche Klimabilanz zur CO2-Minderung getroffen werden, ist es wichtig, den kompletten CO2-Fußabdruck zu bewerten, damit die richtigen und effizientesten Schritte gegen den Klimawandel umgesetzt werden. Das ist ein Schritt. Gestatten Sie mir eine Aufzählung der Forderungen, manchmal mit Bemerkungen. Die meisten, notwendigen Schritte sind bekannt und DIE LINKE unterstützt diese.
1. Förderung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) - zur Anreizsetzung den PKW stehen zu lassen.
2. E-Mobilität im ÖPNV und Transportwesen - Elektrifizierung der Bahnstrecken, mehr Straßenbahnen und elektrische Busse wären sinnvoll. Bei E-PKW bin ich skeptisch, weil die häufig ein zusätzliches Fahrzeug in den Familien sind und außerdem damit der Individualverkehr scheinbar ökologisch wird.
3. Abschaffung der Benachteiligung der Schiene gegenüber Straßen- und Luftverkehr - Fahrgastrechte ausdehnen auf Fernbusse und Luftverkehr, Kerosinbesteuerung einführen, EEG-Umlage für Bahnstrom streichen.
4. Ausbau Photovoltaik und Windkraft zusammen mit Batteriespeichern so dezentral wie möglich und zentral wie nötig - damit weniger Bedarf an konventionellen Kraftwerken bei Dunkelflaute besteht und der Netzausbau minimal bleiben kann.
5. Kopplung von Stromnetz mit Wärmenetzen (Fernwärme und Wärmespeichern) - damit Stromerzeugungsspitzen von Wind und Sonne gespeichert statt verschenkt werden.
6. ein Kohleausstiegsgesetz bis 2040 - bis dahin Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen für die Kumpel und Kraftwerker, Schaffung von ausreichender Regelenergie außerhalb von konventionellen Kraftwerken, sonst müssen diese weiterlaufen für die Stabilität des Stromsystems.
7. Energetisches Sanierungsprogramm für Gebäude - aber nicht nur "unendliches Dämmen", sondern als Gesamtkonzept von CO2 für Bau/ Sanierung, Nutzung und Entsorgung der Gebäude. In Übereinstimmung mit dem Nutzungsverhalten der Menschen ohne Zwang zur Veränderung (z.B. zu stets geschlossenen Fenstern).
8. Festlegung von längeren Mindestnutzungszeiten (Garantie) für alle Produkte - damit Ressourceneinsparung für entfallene Geräte/Produktgenerationen
9. Kreislaufwirtschaft stärken - durch Pfandsystem das Erfassen der Altprodukte verbessern, für eine einfachere Wiederverwendung und besseres Recycling.
10. Strafsteuern für besonders umweltschädliche Produkte einführen 11. Forschung für Energiespeicherung, Thermovoltaik (Strom aus Wärme) und Energieeffizienz verstärken.

Es gibt sicher noch vieles mehr. Die alles entscheidende Frage ist jedoch "Ob und Wie gelingt es, die die Ausweitung der materiellen Bedürfnisse zu überwinden?". Als Beispiel nenne ich PKW - deren Anzahl ist ein Problem, aber hinzukommt, dass Fahrzeuge größer und schwerer werden, ausgelöst durch das von Werbung und Zeitgeist geweckte Gefühl "Ein Geländewagen – in Mitteleuropa zu 90% Prozent überflüssig – ist Freiheit, Unabhängigkeit und Statussymbol". Diese Ressourcenverbräuche hält unser Planet nur begrenzt durch. Das muss überwunden werden, ohne die Mehrheit der Menschen einzuschränken – und das ist Plan B für DIE LINKE.

Mit freundlichen Grüßen

Ralph Lenkert

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