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Ralph Lenkert
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Frage von Gerhard R. •

Frage an Ralph Lenkert von Gerhard R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Lenkert,

zu Lübecker Nachrichten vom 18.11.14, Seite 1:
"Netzausbau: Billiger Strom nur im Süden"

Daraus: Kunden im Norden sind die Verlierer der Preisrunde. Der Grund sind vor allem die im Norden steigenden Netzentgelte, weil hier besonders stark in den Ausbau der Netze investiert wurde. Die Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein fordert, dass die Netzentgelte bundesweit einheitlich sind:
"Denn hier im Norden bauen wir die Stromnetze ja vor allem deshalb aus,
um die Energie in den Süden transportieren zu können. Bei Telefonleitungen werden schließlich auch keine unterschiedlichen Entgelte verlangt. Wir sehen dringenden Handlungsbedarf. Auch die Verbraucher im Norden müssen von den sinkenden Strompreisen profitieren".

Trifft es zu, dass dieses Problem durch ein Bundesgesetz verursacht wird?

Falls ja:

Wird Die Linke im Bundestag dafür sorgen, daß der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages die Verfassungsmäßigkeit( Gleichheitssatz des Artikels 3 des Grundgesetzes) der jetzigen Regelung überprüft?

Stimmen wir darin überein, dass allein ein Antrag im Bundestag auf bundesweite Vereinheitlichung der Netzentgelte keine Erfolgschance hat?

Bitte ermöglichen Sie eine kurzfristige Antwort.

Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Reth

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Reth,

die Energiewende ist eine Herausforderung und deshalb danke ich Ihnen für Ihre Fragen.
Ja, es trifft zu dass diese Preisunterschiede durch Gesetze und die sogenannte Liberalisierung des Strommarktes möglich wurden. Leider haben die Bundesländer, in denen heute und zukünftig die höheren Netzentgelte anfallen, bei den Änderungen / der Verabschiedung im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) und Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) geschlafen. So entstand die irre Situation, dass in den Regionen, die über genügend Strom verfügen (Nord- und Ostdeutschland) die Strompreise höher sind als in den Regionen (Süddeutschland), die über "Strommangel" klagen. Die Hauptursache der Preisunterschiede liegt in den Netzentgelten.

Grundsätzlich: Die überdurchschnittlichen Netzentgelte in vielen Regionen sind zu einem kleinen Teil auf den Ausbau und den Netzanschluss der erneuerbaren Energien zurückzuführen. Der Hauptgrund des Unterschiedes bei Netzentgelten ist jedoch die Bevölkerungsdichte. In dünn besiedelten Regionen müssen weniger Menschen für die Kosten der Infrastruktur aufkommen als in Ballungsgebieten. Verschärfend wirkt der demografische Wandel und die Tatsache, dass Windkraft eben nur außerhalb von Ortschaften, meistens in dünn besiedelten Regionen, installiert wird.

Ihre Forderung zu einheitlichen Netzentgelten teilt DIE LINKE und hat deshalb einen Antrag zu bundeseinheitlichen Netzentgelten in den Bundestag eingebracht (BT Drs.18/3050). In meiner Rede (http://www.ralph-lenkert.de/nc/aktuell/detail/zurueck/aktuell-44/artikel/kostenschere-schliessen-bundeseinheitliche-netzentgelte-fuer-strom/) zur Einbringung des Antrages stellte ich die Gründe für den Antrag dar. Leider hat DIE LINKE nur sehr wenig Redezeit und deshalb war es notwendig, einige der Scheinargumente der Regierungskoalition in einer Kurzintervention zu widerlegen. (http://www.ralph-lenkert.de/nc/aktuell/detail/zurueck/aktuell-44/artikel/kurzintervention-zur-rede-von-thomas-bareiss-beim-top-bundeseinheitliche-netzentgelte/)

Ich versichere Ihnen, dass DIE LINKE weiter für gerechte Energiepreise kämpfen wird, auch wenn unser Antrag keine direkte Chance zur Umsetzung hat, so stößt er zumindest einen überfälligen Diskussionsprozess an.

Ihre Frage zur Bewertung des Grundgesetzes über den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages (WD) beantworte ich wie folgt:
Der wissenschaftliche Dienst hat eine hervorragende Expertise bei nicht juristischen Fragen. Sie kennen den Spruch: "Fünf Juristen haben zehn verschiedene Meinungen"? Juristen, auch die des WD, äußern sich selten eindeutig. Daher sind bei juristischen Fragen die Antworten im besten Fall ein Hinweis, ob etwas juristisch völlig falsch ist oder nicht. Spätestens seit den Debatten um die Laufzeitverlängerung der deutschen Atomkraftwerke ist bekannt, dass auch die Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes in keiner Verbindlichkeit gegenüber einer gerichtlichen Rechtsauslegung stehen müssen. So kamen seinerzeit zu der Frage ob die Laufzeitverlängerung durch den Bundesrat gebilligt werden müsse, zeitgleich zwei sich widersprechende juristische Einschätzung des WD in Umlauf. Ein weiteres Problem ist, dass die Ausarbeitungen des WD von den Abgeordneten grundsätzlich vertraulich zu behandeln sind. Ausarbeitungen dürfen nur nach Rücksprache veröffentlicht werden. Vor der Genehmigung zum Veröffentlichen wird der Inhalt des Gutachtens meistens noch verallgemeinert - leider. Eine juristische Einschätzung des wissenschaftlichen Dienstes wäre zudem unverbindlich. Der WD kommuniziert das auch regelmäßig so.

Nach meiner Ansicht ist die Ankündigung der verfassungsrechtlichen Prüfung durch den WD nicht zur Öffentlichkeitsarbeit geeignet. In solchen Situationen ist hilfreicher, wenn sich etablierte Umwelt-, Verbraucher-, oder Verfassungsjuristen öffentlich zu Wort melden. Im Übrigen gibt es keine Gewähr dafür, dass der wissenschaftliche Dienst zu dem gleichen Ergebnis in seiner Rechtsauslegung kommt, wie Sie oder ich. Trotzdem werde ich Ihre Frage an den WD stellen, man weiß ja nie.

Mein Büro wird sich auch gern direkt mit Ihnen zu Energie- und Rechtsfragen austauschen. Ziel sollte es sein, eine sozial gerechte, ökologische und ökonomische Energiewende zu vollbringen.

Mit freundlichen Grüßen

Ralph Lenkert

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