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Ralph Brinkhaus
CDU
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Frage von Sophie S. •

Frage an Ralph Brinkhaus von Sophie S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Brinkhaus,

im letzen Jahr habe ich mir im TV oder zeitversetzt im Netz recht viele Bundestags-Debatten angesehen.

Und ich muss sagen, dass ich regelrecht entsetzt bin. Nein - ich bin empört.

Da werden wichtige Dinge vor halbleerem Haus besprochen, da sieht man Mandatsträger, die sich zu zweit oder zu dritt offenbar gut unterhalten, während ein anderer Abgeordneter spricht. Da sieht man Mandatsträger, die ohne Unterlass mit ihren Smartphones oder Tablets beschäftigt sind. Auf der Regierungsbank sieht es da nicht anders aus.

Das ist empörend.

Als Wähler erwarte ich, dass die vom Volk gewählten Abgeordneten genau das tun, wofür sie gewählt wurden:

Sie sollen im Bundestag (in der Regel) anwesend sein (sonst bräuchte man sie ja auch nicht zu wählen).
Sie sollen absolut aufmerksam jeder Debatte folgen, sie sollen dabei im Sinne der Bürger, die sie gewählt haben Pro oder Contra geben.

Wie bitte wollen Sie denn so z.B. potentiellen AfD-Wählern glaubhaft vermitteln, dass die anderen Parteien zu mehr in der Lage sind? Wie, wenn der Plenarsaal immer wieder nur dürftig gefüllt ist? Das, was der TV-Zuschauer sieht, ist pures Desinteresse der Abgeordneten.

Ach, und hören Sie doch bitte, bitte mit dem unsäglichen Theater um einen Bundestagsvizepräsident der AfD auf. Damit jagen Sie förmlich Unentschlossene zur AfD.

Jahrzehntelang war die CDU meine Partei. Ist sie noch heute. Aber auch ich verstehe einen fast leeren Bundestag nicht. Wieso sind die, die wir wählen, nicht anwesend? Wieso vertreten sie uns nicht? Wieso kämpfen sie nicht für ihre jeweilige Partei? Wieso scrollen sie auf ihrem Handy, anstatt den Rednern der anderen Parteien aufmerksam zuzuhören?

Übrigens fühlen sich heute viele Ostdeutsche wieder in die DDR zurückversetzt. Was Meinungsfreiheit und Sanktionen betrifft. Demokratische Werte gelten für ausnahmslos ALLE. Sonst wären sie nämlich keine.

Sein Sie herzlich gegrüßt.

S.S.

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau S.,

vielen Dank für Ihre Anfrage auf Abgeordnetenwatch vom 4. Juni 2019.

Ihre Kritik kann ich dem Grunde nach gut verstehen. Sowohl für die gemäßigte Smartphone-Nutzung als auch die fehlende Präsenz von Abgeordneten bei Plenardebatten gibt es aber Gründe, die ich Ihnen gerne erläutern möchte.

1. Zur Präsenz im Plenum:

In einer Sitzungswoche des Deutschen Bundestag finden jeweils mittwochs, donnerstags und freitags die Plenarsitzungen statt. Diese dauern nicht selten 12 bis 16 Stunden.

Diese zeitliche Dimension macht deutlich, dass eine möglichst vollzählige Präsenz der Abgeordneten während der Plenarsitzungen einer Blockade des Parlaments gleichkäme. Sie wissen wahrscheinlich, dass jede/r Abgeordnete/r Mitglied in mindestens einem Ausschuss ist. Aus diesem Grund nehmen die jeweiligen Ausschussmitglieder als „Fachleute“ und stellvertretend für die Kolleginnen und Kollegen an den themenspezifischen Diskussionen teil. Der Deutsche Bundestag ist ein arbeitsteiliges Parlament.

Das ist auch durchaus sinnvoll, da die Abgeordneten vielfältige Handlungsebenen in ihren Wahlkreisen und in Berlin haben, die von der Öffentlichkeit zum Teil gar nicht wahrgenommen werden. Wenn also ein Abgeordneter an einer bestimmten Plenarsitzung nicht teilnimmt, bedeutet das also nicht, dass er das Thema der Sitzung missachtet oder sich der politischen Verantwortung entziehen will.

2. Zur Smartphone-Nutzung im Plenum:

Ihre Kritik an der Smartphone-Nutzung im Plenarsaal kann ich gut nachvollziehen. Letztlich zeigt sich hieran gut, dass das Plenum ein Abbild unserer Gesellschaft ist.

Die neuen Medien stellen viele neue Anforderungen an die politische Kommunikation. Neben der Erwartung an Reaktionsschnelligkeit hat sich vor allem die Menge der zu bearbeitenden Vorgänge stark erhöht. Darüber hinaus geben Smartphone und Tablet den Abgeordneten neue Möglichkeiten – ich denke hier beispielsweise an Facebook oder Twitter -, die oft mit dem Anspruch und Wunsch einhergehen, mehr denn je aktuell zu sein.

Es ist für mich zentral, dass sich all diese unterschiedlichen Ansprüche die Waage halten. Auf die zunehmende Nutzung von Smartphones/Handys und anderen mobilen Endgeräten im Plenum des Deutschen Bundestages hat übrigens auch der Bundestagspräsident zu Beginn der Wahlperiode reagiert und die Abgeordneten an die Regeln zur Benutzung technischer Geräte im Plenarsaal erinnert. Das Problem ist also erkannt, und man ist auch hier um Lösungen bemüht.

Sehr geehrte Frau S., ich hoffe, es ist mir mit diesen Ausführungen gelungen, Ihren Eindruck von der Arbeitsweise der Abgeordneten etwas zurecht zu rücken. Zugleich möchte ich anregen, dass Sie sich bei Rückkehr nach Deutschland einfach einmal mit „Ihrem/Ihrer“ Abgeordneten treffen, um sich ein eigenes Bild zu machen und persönlich zu informieren.

Mit freundlichen Grüßen

Ralph Brinkhaus

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