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Philipp Magalski
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Frage von Sascha K. •

Frage an Philipp Magalski von Sascha K. bezüglich Verkehr

Hallo Herr Magalski!

Da Sie meine Fragen bisher nicht beantworten wollen, stelle ich Ihnen gleich noch ein paar Fragen.

Die piratenpartei strebt einen kostenlosen ÖPNV für Berlin an. Wenn ich es richtig verstehe, dann soll das für die BVG und die S-Bahn Berlin gelten.

Dazu meine Fragen:

1. Die BVG nimmt aktuell rund 662 Millionen durch den Verkauf von Tickets ein und erhält in etwa noch einmal die Hälfte dieser Summe vom Land Berlin. Ohne die S-Bahn Berlin wird schon rund 1 Milliarde € für ihr Vorhaben benötigt. Woher soll das Geld kommen?

2. Trifft es zu, daß durch den Wegfall der Kontrollen bei der BVG zwar rund 30 Millionen € Personalkosten eingespart werden könnten, aber das Personal nicht entlassen werden soll, sondern im Service weiter verwendet wird?

3. Ist es richtig, daß die piraten zur Finanzierung des ÖPNV an die Einführung einer tourismusfeindlichen Kurtaxe denken? Wer soll diese erheben und wie hoch soll diese Kurtaxe sein? Wieviel würde davon als Verwaltungskosten für die Einziehung anfallen?

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Antwort von
PIRATEN

Sehr geehrter Herr Klein,

ich danke ihnen für ihre weitere Anfrage.

1.
Zunächst geht es uns um die Grundposition eines gemeinschaftlich finanzierten ÖPNV.
Wir wollen die Finanzierung u.a. durch eine kommunale Abgabe erreichen, sind uns aber dessen bewusst, dass wir allein ein Konzept nicht erarbeiten können und haben daher in unserem Wahlprogramm dazu aufgerufen, dass alle Beteiligten gemeinsam an einem Konzept arbeiten.

Was nicht heißt, dass wir uns noch keine Gedanken über die Zahlen gemacht haben, aber gerade die fehlende Transparenz bei der S-Bahn Berlin GmbH hat dazu geführt, dass wir unsere Finanzierungsplanung nicht zum Bestandteil des Wahlprogrammes gemacht haben.

Gemäß ihrem Geschäftsbericht hat die BVG in 2010 diese Summe eingenommen, das bedeutet eine leichte Steigerung zu 2009, als die Einnahmen 662 Mio € betrugen. Der Landeszuschuss für die BVG betrug im Jahr 2009 249 Mio €. Da für 2010 seitens der S-Bahn, VBB und des Landes Berlin noch keine abschließenden Zahlen veröffentlich wurden, bezieht sich unserer Berechnung auf 2009.

In 2009 wurden im Land Berlin Einnahmen von 821 Mio € verzeichnet, so dass auf die S-Bahn in Berlin Einnahmen von 159 Mio € verbleiben. Der Landeszuschuss beträgt 284 Mio im Jahr 2009 für die S-Bahn seitens des Landes Berlin.
Wir wollen die Subventionen des Landes Berlin, somit 533 Mio zzgl. 98,75 Mio für Ausgleich, der bisher auf Mindereinnahmen durch Schüler, Auszubildenen- und Sozial- Tickets entfiel - somit 631,75 Mio beibehalten. Wir sehen den ÖPNV als Mittel der Daseinsfürsorge an und das Land Berlin in der Verantwortung Mobilität zu garantieren.
Somit verbleibt einerseits, die Einnahmenverluste von 821 Mio € lt. VBB 2009 abzudecken und andererseits, den zu erwartenden Mehraufwand an Personal und Fahrzeugen zu kompensieren, den ein gemeinschaftlich finanzierter ÖPNV auslösen kann. Unsere Grundpositionn ist, dass wir die Umsetzung des Rechts auf Mobililtät als Daseinsfürsorge als gesamtgesellschaftliche Aufgabe ansehen und ermöglichen wollen, dass jeder unabhängig von seinem Einkommen am ÖPNV teilnehmen kann.
Wir wollen den Großteil der Finanzierung über eine kommunale Abgabe regeln. Die Vorstellungen (noch nicht abgeschlossen) belaufen sich darauf, diese Abgabe von allen volljährigen Berlinern, die über Einkommen verfügen zu erheben, dabei wollen wir weiterhin wie beim jetzigen ÖPNV Härtefälle berücksichtigen und haben daher die 98,75 Mio € Ausgleichszahlungen als Bestandteil der Subventionen außen vor gelassen. Wir gehen von 2,8 Millionen Einwohnern aus, die herangezogen werden können (unabhängig vom Einkommen). Die Kompensierung der 832 Mill erfordert monatlich ein Aufkommen von ca. 69,3 Millionen Euro. Das ergäbe eine monatliche Belastung von rund 25,00 € für die von uns angesetzten 2,8 Millionen Berliner. Ungeachtet der Subventionen für Härtefälle gehen wir von 35,00 € / Monat aus, was Einnahmen von 1,176 Milliarden Euro ermöglicht.
Darüber hinaus sehen wir in der Nichtverfolgung der Schwarzfahrer und deren strafrechtliche Verfolgung weitere Einsparpotentiale, so wird heute für 480 deshalb Einsitzende 80,00 € pro Tag und Gefangenen ausgegeben. Die Einsparpotentiale durch die Verfahren selbst sind nicht berücksichtigt.
Der Vorschlag einen sogenannten Touristenzuschlag zu erheben, resultiert daraus, dass wir die heute erhältlichen Touristentickets trotz Vergünstigungen bei Eintritten für überteuert halten. Mit anderen Worten schon heute zahlt der Tourist für den ÖPNV, ohne dass ihm klar ist, welcher Betrag auf die Nutzung des ÖPNV entfällt. Der Vorschlag der Abgabe wurde bisher nicht ausgearbeitet, es sind verschiedene Modelle denkbar, die auch die Brieftasche des Touristen berücksichtigen, so einer gestaffelten Erhebung. Berlin verfügt über ein sehr gut verzweigtes Netz im ÖPNV - wenn mal alles fährt - wir halten diese Abgabe für überlegenswert.
Ungeklärt ist darüber hinaus, wie mit den Pendlern aus Brandenburg verfahren wird, ob diese weiterhin die im Land Brandenburg erhobenen Tarife bezahlen müssen oder sich dies zumindest reduzieren lässt. Hier sind Verhandlungen innerhalb des VBB erforderlich, schon um die Tarifeinheit, die Bestandteil des VBB ist, zu erörtern.
Unser Finanzkonzept dient nicht nur zur Erleichterung der Nutzung des ÖPNV. Wir möchten das Bewusstsein der Berliner wecken, auf den ÖPNV umzusteigen und den Individualverkehr zu begrenzen. Wir wollen dies nicht mit Verboten und Geboten regulieren, sondern setzen auf ein attraktives Angebot zu einem attraktiven Preis.

2.
Ja, daher haben wir diese Einsparungen wie auch die Einsparungen infolge nicht erforderlicher Investitionen für Fahrgeldautomaten, Fahrscheine, Wartung etc. nicht berücksichtigt. Diesen finanziellen Aufwand wollen wir in den Service stecken, der den ÖPNV noch attraktiver machen soll, Personalverstärkung auf Bahnsteigen, in den Zügen und Bussen. Fragen nach Verbindungen beantworten, kompetent zur Seite stehen, wenn durch kurzfristige Ausfälle andere Verbindungen gesucht werden müssen. Dies ist vor allem ein Service, der den Berlinern und Gästen zu Gute kommt, die sich bei der Vielzahl der Verbindungen nicht so gut auskennen. Darüber hinaus halten wir es für unzumutbar, dass Fahrgäste an Haltestellen und Bahnhöfen ohne Personal bei Ausfällen ohne Nachricht zur Weiterführung der Linien verbleiben, gerade in den Außenbezirken ist dies an der Tagesordnung.

3.
Wie bereits erwähnt, denken wir darüber nach, einerseits um den Mehraufwand aufgrund der Aufstockung des Fuhrparks von BVG und S-Bahn zu kompensieren und andererseits nach Abschluss dieser dringend erforderlichen Investitionen, um auch die Möglichkeit zu haben, die kommunale Abgabe zu senken. Da wir uns über das Modell noch nicht im Klaren sind, wie gesagt, der Anspruch, nicht die Finanzierung ist Bestandteil unseres Wahlprogramms, können wir dies noch nicht mit konkreten Zahlen unter Beweis stellen.
Keinesfalls werden wir eine Umlage erheben, die durch Verwaltungsaufwand wieder aufgehoben wird. Da die PIRATEN Berlin die konsequente Umsetzung von OpenGovernment in Politik und Verwaltung fordern, schätzen wir den Verwaltungsaufwand geringer ein, als er dies heute mit Formularen, Kontrolle, Nachkontrolle und Zusammenstellung wäre.

Infos:
http://www.stadtentwicklung.berlin.de/verkehr/politik_planung/zahlen_fakten/download/Mobilitaet_dt_Kap-2-4.pdf - für 2009 geringere Zahlungen wegen S-Bahn-Chaos gekürzt, ungekürzte Angaben verwendet http://www.stadtentwicklung.berlin.de/verkehr/politik_planung/oepnv/finanzierung/
VBB http://www.vbbonline.de/download/pdf/VBB_100_Kennzahlen_2010.pdf
BVG Geschäftsbericht 10 (am Ende pdf hochladen) http://www.bvg.de/index.php/de/3902/name/Geschaeftsbericht+.html
Schwarzfahrer: http://www.lawblog.de/index.php/archives/2011/06/07/berliner-richter-haben-schwarzfahrer-satt/ - http://www.tagesspiegel.de/berlin/landespolitik/richter-wollen-keine-anklagen-gegen-schwarzfahrer-mehr-/4258142.html