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Petra Köpping
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Frage von Matthias M. •

Frage an Petra Köpping von Matthias M. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Köpping,

Sie sind stellv. Vorsitzende des Innenausschusses und haben federführend die Novelle zum Kommunalwahlgesetz mit beraten und verabschiedet!

Meine Fragen:
1. Wann und wo wurde dieses Gesetz der sächsischen Bevölkerung vorgestellt und diskutiert?
2. Sind Ihnen die Beschwerden und Hindernisse von OBM Bewerbern, innerhalb der Leipziger OBM Wahl bekannt?
3. Wie positionieren Sie sich zu der Wahlanfechtung von Frau Tust und den weiteren Leipzigern? http://www.leipzig-fernsehen.de/Aktuell/Leipzig/Artikel/1287232/Kippt-Innenminister-Ulbig-die-OBM-Wahl
Gesprochen wird von 7 Anfechtungen, was ich jedoch nicht nachweisen kann. Genaueres ist Ihnen sicher als Landtagsabgeordneter bekannt.

Ich würde mich freuen, wenn Sie sich zu diesem Leipziger Problem öffentlich äußern.

Mit freundlichen Grüßen
Matthias Malok

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Malok,

gerne beantworte ich Ihre Anfragen.

Die kürzlich erfolgte Novellierung des Kommunalwahlgesetzes beruhte auf einem Gesetzentwurf der von CDU und FDP geführten sächsischen Staatsregierung. Diese hat den Gesetzentwurf "Gesetz zur Änderung kommunalwahlrechtlicher Vorschriften im Freistaat Sachsen "am 22. Juni 2012 in den Sächsischen Landtag eingebracht. Ob die sächsische Staatsregierung den betreffenden Gesetzentwurf der sächsischen Bevölkerung vorgestellt und ihn mit dieser diskutiert hat, bevor sie ihn in den Landtag eingebracht hat, ist mir nicht bekannt. Hierzu müssten Sie die Staatsregierung oder zumindest Abgeordnete der regierungstragenden Personen als Urheber der Gesetzesinitiative befragen. Ich kann Ihnen nur hinsichtlich des Verfahrens nach Einbringung in den Landtag Auskunft geben. Hierbei möchte ich nicht nur spezifisch auf das von Ihnen angesprochene Gesetz eingehen, sondern auch auf die generellen Informationsangebote hinsichtlich solcher Gesetzesvorhaben.

Im Rahmen der Befassung des Sächsischen Landtags mit dem Gesetz hat der Innenausschuss am 17. Januar 2013 eine öffentliche Expertenanhörung zu dem Gesetzentwurf durchgeführt, an der interessierte Bürgerinnen und Bürger als Zuhörer teilnehmen konnten, um sich aus erster Hand über die von den Experten und Praktikern gesehenen Vor- und Nachteile des Gesetzentwurfs zu informieren. Da von allen öffentlichen Anhörungen ein Wortprotokoll erstellt und in die digitale Parlamentsdokumentation zusammen mit dem Gesetzentwurf eingestellt wird, können Bürger und Bürgerinnen sich auch ohne persönliche Teilnahme über alle bei der Anhörung angesprochenen Aspekte informieren. Auch die Wortbeiträge der einzelnen Abgeordneten innerhalb der Anhörung sind dort nachlesbar.

Bei diesen Anhörungen sind regelmäßig auch Vertreter von Medien und Presse anwesend. Deren verfassungsrechtlich garantierte Aufgabe ist es, die Bürgerinnen und Bürger durch ihre Berichterstattung über Zielrichtung, Inhalt und etwaige Kritikpunkte politischer Vorhaben zu informieren. In welchem konkreten Umfang diese Berichterstattung jeweils erfolgt, liegt vollständig im Ermessen der Pressevertreter und Redaktionen. Generell spielen Medien und Presse eine große Rolle dabei, wie die Öffentlichkeit über geplante Gesetzesvorhaben informiert wird. Denn Sie werden mir sicherlich Recht geben, dass der normale Bürger selten aktiv die Pressemitteilungen seitens der Staatsregierung, der politischen Parteien oder Landtagsfraktionen oder einzelner Abgeordneter abonniert hat, sondern deren Mitteilungen regelmäßig über Dritte zur Kenntnis nimmt, beispielsweise über Zeitungs- oder Fernsehberichte oder Facebook.

Zusätzlich informiert der Sächsische Landtag auf seiner Homepage fortlaufend über die Tagesordnungen der einzelnen Ausschüsse und des Plenums sowie über die im Plenum gefassten Beschlüsse. Damit wird erreicht, dass sich jeder interessierte Bürger mit Internetzugang unbürokratisch darüber informieren kann, welche politischen Sachverhalte und Gesetzentwürfe derzeit von den gewählten Abgeordneten diskutiert bzw. beschlossen werden. Daneben führen Abgeordnete und Fraktionen zusätzlich zu ihrer Pressearbeit öffentliche Informations- und Diskussionsveranstaltungen zu einzelnen von ihnen wichtig erachteten Themen durch, um die Bürgerinnen und Bürger in politische Entscheidungsprozesse einzubinden.

Wenn ein Bürger auf Grundlage dieser zur Verfügung stehenden Informationsangebote nunmehr feststellt, dass er Nachfragen, Anregungen oder Bedenken zu einem Gesetzentwurf hat, kann er Kontakt mit einem Abgeordneten seiner Wahl aufnehmen und ihn bitten, die vorgetragenen Aspekte in das parlamentarische Verfahren einzubringen. Dies entspricht auch dem Grundsatz der repräsentativen Demokratie, für welche sich unsere Verfassung entschieden hat und die von den Instrumenten der Volksgesetzgebung flankiert wird. Die Kontaktaufnahme kann auf vielfältigem Wege geschehen, sei es in Form eines Briefes, eines persönlichen Gesprächstermins oder im Rahmen der Teilnahme an den oben beschriebenen Veranstaltungen.

Ich spreche sicher nicht nur für mich, wenn ich sage, dass mir als vom Volk gewählte Abgeordnete eben diese Nachfragen, Anregungen oder Bedenken seitens der Bürgerinnen und Bürger sehr wichtig sind. Ohne derartigen Kontakt und Meinungsaustausch ist es zwingenderweise schwierig bis unmöglich, Akzeptanz in der Bevölkerung für politische Entscheidungen zu erreichen oder schlechte Gesetze zu verhindern.

Bezüglich der Verabschiedung des von Ihnen angesprochenen Kommunalwahlgesetzes wurde die Bevölkerung zumindest in der vorweg beschriebenen Weise informiert. Erwähnen möchte ich hierbei, dass es sich um ein Gesetzesvorhaben der Staatsregierung handelte, welches letztendlich mit den Stimmen von CDU und FDP beschlossen wurde. Inwiefern CDU und FDP als Urheber dieses Gesetzes die Bevölkerung in ihren Entscheidungsprozess miteinbezogen haben, kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich und meine Fraktion der SPD haben dem Gesetzentwurf nicht zugestimmt, da er diverse bestehende Probleme im Kommunalwahlrecht nicht behebt und in der Expertenanhörung vorgetragene Verbesserungsvorschläge nicht aufgreift, beispielsweise die Verhinderung von Scheinkandidaturen und die Möglichkeit der Straßensammlung von Unterstützungsunterschriften. Unsere Bedenken haben wir auch in der abschließenden 2. Lesung im Plenum des Sächsischen Landtags dargelegt.

Die von Ihnen angesprochenen Beschwerden und Hindernisse für Bewerber bei der Leipziger OBM-Wahl sind mir vorrangig durch die hierzu erfolgte mediale Berichterstattung bekannt, ebenso wie die Wahlanfechtung durch Frau Tust. Es ist die gesetzliche Aufgabe der Rechtsaufsichtsbehörde, zu prüfen, ob wesentliche Vorschriften über die Wahlvorbereitung, die Wahlhandlung oder über die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses unbeachtet geblieben sind oder Bewerber oder Dritte bei der Wahl eine gegen ein Gesetz verstoßende Wahlbeeinflussung begangen haben. Die Abgeordneten des Sächsischen Landtags sind gemäß Artikel 39 Absatz 2 der Sächsischen Verfassung auch für die Überwachung der Exekutive als vollziehende Gewalt zuständig.

Falls Sie insofern Anhaltspunkte dafür haben sollten, dass die zuständige Rechtsaufsichtsbehörde ihrer Aufgabe der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Wahl nicht vollumfänglich nachkommen sollte, können Sie mir diese Bedenken gerne in einem persönlichen Gespräch mitteilen. Für die Vereinbarung eines Termins steht Ihnen mein Bürgerbüro jederzeit gerne zur Verfügung. Gerne können wir in diesem Rahmen auch darüber sprechen, wie nach Ihrer Ansicht das bestehende Kommunalwahlgesetz geändert werden müsste, um die von Ihnen gesehenen Probleme zu verhindern.

Die von Frau Tust in ihrer Anfechtung dargestellten Probleme dahingehend, wie Menschen mit Behinderung derzeit die Teilnahme an Wahlen ermöglicht wird und welchen praktischen Schwierigkeiten sie sich hierbei ausgesetzt sehen, kann ich gut nachvollziehen. Zwar hat die Bundesrepublik Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention bereits am 26. März 2009 ratifiziert. Damit wurden deren Inhalte und insbesondere das Recht auf Teilhabe auch in Deutschland geltendes Recht. Die konkrete Umsetzung in den Ländern hinkt dem jedoch hinterher, auch und gerade im Freistaat Sachsen. So ist Sachsen eines von wenigen Bundesländern, welches noch keine Maßnahmen- und Aktionspläne für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention auf Landesebene aufgestellt hat. Inhalt eines derartigen Aktionsplans muss es auch sein, die Teilhabe von Menschen mit Behinderung an gesetzlichen Wahlen zu gewährleisten, damit diese ihr verfassungsrechtlich garantiertes Wahlrecht auch tatsächlich ausüben können.

Petra Köpping