Peter Eßer
DIE LINKE
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Frage von Werner L. •

Frage an Peter Eßer von Werner L. bezüglich Finanzen

Wollen Sie Einsparungen im Landeshaushalt vornehmen?
Oder sind Sie nur für Steuererhöhungen?
Sollen die Ausgaben erhöht werden?
Reichen die Einnahmen aus, wenn Sie die Reichensteuer einführen, die Erbschaftssteuer erhöhen, die Vermögenssteuer und Finanzsteuer und weitere Steuern einführen?
Was glauben Sie, welche Auswirkungen diese Steuererhöhungen haben werden?
Werden dadurch die Wirtschaft und damit die Arbeitsplätze gefährdet?
Wo ist bei Ihnen die Enkommensgrenze, die einen "Reichen" definieren?

Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Lemisz,

danke für Ihre Frage. Sicherlich muss durch die veröffentlichte Meinung der Eindruck entstehen, es gäbe im Land und in den Kommunen ein gravierendes Ausgabenproblem. Die Verschuldung des Landes (ca. 130 Mrd. Euro) und der Kommunen hat beängstigende Ausmaße angenommen. Nur noch acht der ca. 400 NRW-Kommunen haben einen ausgeglichenen Haushalt.

Auch meine Heimatgemeinde Alfter befindet sich im Nothaushalt. Dies liegt jedoch nicht an laxer Ausgabenpolitik, sondern an einer strukturellen Unterfinanzierung. Beispielsweise haben wir im Planungsausschuss festgestellt, dass ungefähr 40 Alfterer Straßen dringend repariert werden müssen. Wir haben dann beschließen müssen, dass wir genau EINE Straße pro Jahr renovieren können - mehr Geld ist nicht da. Eine Straße hält ungefähr 30 Jahre. Sie können leicht feststellen, dass dieser (erzwungene) Sparbeschluss das Problem nicht löst, sondern absehbar verschärft.

Dieses Beispiel macht deutlich, dass vielerorts die Grenze der Einsparmöglichkeiten erreicht oder sogar schon überschritten ist. Auch wenn es sicherlich hier und da im Landeshaushalt oder bei einigen Kommunen unverantwortliche Verschwendung gibt, die dringend abgeschafft werden müssen, ist die dadurch erzielbare Summe viel zu gering um die rasant steigende Verschuldung zu stoppen. Es müssen also dringend neue Einnahmen her.

Die von der LINKEN geforderte Millionärsteuer ist im Prinzip eine Wiedereinführung der 1997 abgeschafften Vermögenssteuer. Hiermit wird ausdrücklich nicht jedes und nicht das gesamte Vermögen besteuert, sondern ausdrücklich nur jeder Euro *über *eine Million Nettovermögen (also Vermögen abzüglich Schulden) soll mit 5 Cent belastet werden.

Davon zu unterscheiden ist die Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf Einkommen. Das Konzept der LINKEN sieht vor, Einkommen über 6.000 Euro im Monat stärker zu belasten und die Einkommen unter 6.000 Euro zu entlasten. Auch hier geht es wieder nicht um das gesamte Einkommen, sondern um genau den Betrag, der über dieser Grenze liegt. Jeder Euro über der Grenze wird höher besteuert, die Summe unterhalb der Grenze wir geringer besteuert. Jeder Steuerpflichtige wird (wie bereits jetzt!) also gleichzeitig mit unterschiedlichen Höhen (Grenzsteuersätzen) besteuert. Dadurch kommt es zu einer erhebliche Entlastung des Mittelstandes und der Mehrheit der Steuerzahler. Diese Umstrukturierung ist natürlich nur in einem Gesamtpaket zu finanzieren: Große Erbschaften (nicht das Familienhaus!) und Unternehmen müssen wieder angemessen besteuert werden. Der Verkauf von Unternehmensteilen ins Ausland darf nicht länger steuerfrei bleiben. Die Finanzfachkräfte der LINKEN rechnen mit einer Erhöhung der Staatseinnahmen (Bund, Länder und Gemeinden) von ca. 180 Mrd. Euro pro Jahr.

Damit wollen wir den Schuldenabbau finanzieren. Durch die größere Kaufkraft der Mehrheit der Bevölkerung steigt die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen. Denn diese Menschen geben das Geld auch wieder aus, statt es in internationale Finanz-Kasinos oder Steueroasen zu bringen. Dadurch werden neue Arbeitsplätze geschaffen und die Sozialsysteme erhalten verlässliche Einzahlungen. Natürlich steigt dadurch auch wiederum die Gesamtsumme der Steuereinnahmen!

Und darüber hinaus können auch dringend erforderliche Mehrausgaben finanziert werden. Nicht nur der eklatante Mangel an U3-Betreuungsplätzen (hier liegt NRW bundesweit ganz hinten!), Lehrermangel, fehlende Gelder für Uni-Ausbildung, -Ausstattung und Forschung, erfordern dringend Investitionen. Auch unsere Umwelt- und Energiepolitik erfordert eine klare Umstrukturierung, die auch mit Kosten verbunden ist. So muss beispielsweise dringend für Stromleitungen das eingeführt werden, was für alle öffentlichen Netze (z.B. Straßen und Autobahnen) gilt: sie dürfen nicht länger privater Kontrolle unterliegen. Sie gehören in die öffentliche Hand.

Ein kostenloser Bus- und Bahn-Verkehr (zum Übergang zunächst ein echtes Sozialticket für maximal 15 Euro) entlastet die Umwelt enorm und garantiert die Teilhabe an der immer wichtiger werdenden Mobilität für alle Teile der Bevölkerung. Dass das machbar ist, zeigt gerade die estnische Hauptstadt Tallin. Dort wird der kostenlose ÖPNV gerade eingeführt. Das ist "Freie Fahrt für frei Bürger" wie wir sie verstehen!

Weil Sie nach den Auswirkungen der Steuererhöhungen fragen, will ich nicht nur auf die oben genannten positiven Folgen eingehen, sondern auch auf die befürchteten negativen: Die häufigste Sorge ist die Kapitalflucht. Man glaubt, dass Menschen mit hohem Einkommen das Land verlassen oder zumindest ihr Vermögen hinaus schaffen würden. Diese Befürchtung erweist sich in weiten Teilen als unbegründet, wie man beispielsweise an skandinavischen Ländern wie Schweden sehen kann. Auch in NRW haben schon einige berühmte Millionäre (z.B. Marius Müller Westernhagen) eine höhere Besteuerung von Millionären gefordert. Nicht jeder ist ausschließlich gierig und will auch die Gelder noch raffen, die er nicht gar mehr ausgeben kann...

Für den uneinsichtigen, asozialen Rest gilt das, was auch jetzt schon gilt: Für diese kriminellen Subjekte kann keine Steuer niedrig genug sein. Diese Leute lehnen den Staat insgesamt und grundsätzlich ab, weil sie glauben, durch ihr Geld auf ihn verzichten zu können. Schon im vergangenen Landtag hat sich DIE LINKE deshalb erfolgreich für zusätzliche Steuerfahnder eingesetzt.

Daher lehnen wir auch das geplante Steuerabkommen mit der Schweiz ab, weil es schwere Kriminalität legalisiert, Stiftungen und Kapitalgesellschaften überhaupt nicht berücksichtigt und jede Überprüfbarkeit komplett verhindert. Wir wollen nicht auf Banken vertrauen, die in der Vergangenheit bereits gezeigt haben, dass sie bereit sind, Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu leisten. Außerdem sind die von der CDU immer wieder genannten 2 Mrd. Euro, die angeblich auf NRW entfallen würden, vollkommen aus der Luft gegriffen. Es gibt keinen einzigen Beleg dafür, das diese Summe tatsächlich bei uns ankommen würde.

Zuletzt will ich noch beantworten, was für DIE LINKE ein "Reicher" ist. Bezüglich des Vermögens habe ich oben bereits auf die Millionengrenze verwiesen. Beim Einkommen sieht das Konzept der LINKEN vor, ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 65.000 Euro (also nach Abzug aller steuerrelevanten Kosten), jeden weiteren Euro mit 53 Prozent zu besteuern. Sollte jemand sogar mehr als eine Million pro Jahr verdienen, soll jeder weitere Euro darüber mit 75 Prozent beteuert werden.

Damit in NRW zukünftig nicht nur gekürzt und gestrichen wird und die vollmundigen Versprechungen von SPD und GRÜNEN auch umgesetzt werden, dafür hat die Linksfraktion bislang gesorgt und dafür wird sie auch weiterhin eintreten. Sinnvolle Investitionen in die Zukunft unseres Landes und ein sozial-ökologischen Umbau sind nicht ohne ein gerechtes Steuersystem zu erreichen.

Mit freundliche Grüßen
Peter Eßer