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Pascal Kober
FDP
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Frage von Hans H. •

Frage an Pascal Kober von Hans H. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Kober,

Die Formulierung des Begriffs Organspendegesetz im Zusammenhang mit Widerpruchlösung ist meines Erachtens irreführend und benennt nicht den Kern der Ermächtigung. Es geht nicht um eine Spende (freiwillige, wohltätige Zuwendung unter Lebenden), sondern um eine Verpflichtung und nicht um ein Organ wie z.B. die Leber, sondern - nach den mir vorliegenden Informationen - um den ganzen Körper mit all seinen Gewebebestandteilen wie z.B. Knochenmehl.

Für Bürgerinnen und Bürger klar nachvollziehbar und verständlich wäre eine kurze und prägnante Formulierung wie: "Rechtliche Grundlage für das - auch vollständige - Zerlegen eines lebenden Körpers von Patientinnen und Patienten inklusive Portionierung in Einzelteile zum Zwecke der Verteilung an andere Patientinnen und Patienten, soweit kein Widerspruch den Explantationsärzten bekannt ist oder gefunden werden kann oder Angehörige ihre Zustimmung hierzu erteilen."

Meine Fragen:
Werden Sie diese begriffliche Aufklärung, zusammen mit Bildern und Beschreibungen der sogenannten Explantation, in den Medien (Funk, Fernsehen, Print,..) vornehmen?
Werden Sie nachgelagert an diese Aufklärungskampagne in Ihrer Funktion als Mitglied des Gesundheitsausschusses, eine breite gesellschaftliche Diskussion zu dieser Aufklärung umfassend initiieren und persönlich in Ihrem Wahlkreis moderieren und begleiten?

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Handel,

vielen Dank für Ihr Schreiben zum Thema Organtransplantationen auf AbgeordnetenWatch.
  
Aus meiner Sicht sollte die Entscheidung, ob man seine Organe spenden möchte, in der freien Entscheidung eines jeden einzelnen Menschen verbleiben. Es soll weiterhin eine Spende sein und niemals eine Verpflichtung, wie Sie richtig schreiben.

Schweigen einfach als Zustimmung zu werten, widerspricht dem deutschen Rechtsverständnis. Der lateinische Rechtsgrundsatz „qui tacet consentire videtur, ubi loqui debuit atque potuit“ – „wer schweigt wird als zustimmend gesehen, wo er hat sprechen sollen und können“ gilt explizit in unserem Rechtssystem nicht. Die Befürworter einer Widerspruchslösung müssen erklären, warum ausgerechnet bei dieser schwierigen moralischen und ethischen Grundsatzfrage ein anderes Rechtsverständnis gelten sollte.
  
Die Spende eines Organs ist ein Akt der Menschenliebe und Ausdruck zwischenmenschlicher Solidarität. Sie ermöglicht vielen Menschen mit einem versagenden Organ das Überleben. Die Frage, ob man seine Organe nach dem Tod spenden möchte oder nicht, oder ob man die Entscheidung nicht treffen kann oder will und deshalb unbeantwortet lassen möchte, sollte aber jedem Menschen zu jeder Zeit offenstehen. Die Liebe zum Nächsten darf nicht erzwungen werden, die Gewissensfreiheit darf in dieser sehr persönlichen Entscheidung nicht bedrängt werden. Der Körper eines Menschen gehört nicht dem Staat und fällt nicht an diesen zurück, wenn ein Mensch stirbt, so dass der Staat frei über ihn verfügen darf.
 
Hinzu kommt, dass es keinerlei Evidenz dafür gibt, dass mit einem Wechsel von der Zustimmungs- zur Widerspruchslösung die Zahl der Organspender steigt. Ein so tiefgreifender Einschnitt in die Freiheit des Einzelnen, ohne jede positive Sinnhaftigkeit ist aus meiner Sicht nicht zu rechtfertigen.
   
Sehr geehrter Herr Handel, gerne möchte ich Sie darauf hinweisen, dass derzeit kein Gesetzentwurf vorliegt, der eine Widerspruchslösung vorsieht. Was vorliegt, ist ein Gesetzentwurf, der die Organisation in Krankenhäusern im Bereich der Transplantationen verbessern soll. In einer Orientierungsdebatte im Deutschen Bundestag am 28.11.2018 (dipbt.bundestag.de/doc/btp/19/19067.pdf) hat sich über die Parteigrenzen hinweg keine Mehrheit für die Einführung der Widerspruchslösung abgezeichnet.

Ich möchte explizit auch dem Vorschlag einer verpflichtenden Entscheidungslösung widersprechen (nach diesem Vorschlag soll es nicht nur die Option ja oder nein, sondern gewissermaßen "Enthaltung" geben), denn es gibt Menschen, die wollen gar keine Erklärung abgeben, sich diesen Fragen nicht stellen und niemandem gegenüber Rechenschaft darüber ablegen, wie sie in dieser Frage denken oder entscheiden wollen. Aus meiner Sicht darf der Staat den Menschen nicht unter einen solchen Legitimationsdruck setzen.

Die Freien Demokraten werden einer Einschränkung der Entscheidungsfreiheit in jedem Falle widersprechen und freuen uns, wenn wir Ihnen in dieser Frage eine politische Heimat geben können.

Mit freundlichen Grüßen
 
Pascal Kober, MdB

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