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Pascal Kober
FDP
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Frage von Ines E. •

Frage an Pascal Kober von Ines E. bezüglich Soziale Sicherung

http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/schwerbehinderte-verlierer-auf-dem-arbeitsmarkt-a-870630.html
Schwerbehinderte fühlen sich doppelt behindert: körperlich und sozial. Ich bin infolge einer Krebserkrankung als Journalistin/Kulturmanagerin selbst 80% schwer behindert und von Arbeitsweisen in Jobcentern (Verweigerung von Kündigungsschutz im Öffentlichen Beschäftigungssektor, Bedrohung mit dem Entzug des Existenzminimums) und Rentenversicherung (Verweigerung von Erwerbsunfähigkeitsrente) schwer traumatisiert.

Miltons Friedmanns These war: Freie Märkte befördern eine freiheitlich orientierte Gesellschaft. Milton Friedmann erhielt den Nobelpreis. Deutsche Politiker plapperten das nach. Im Modell Friedmann ist eine bedingungslose Grundsicherung als Verhandlungsbasis über Arbeitsinhalte und Arbeitsbedingungen integriert – als Voraussetzung für eine freiheitlich orientierte Gesellschaft. Politiker verschweigen das. Sie auch?

Politiker haben die Verantwortung für die Rahmenbedingungen, in denen Bürger leben und arbeiten können. Das Recht auf selbst bestimmte Arbeit in gemeinnützigen Vereinen für ein fair dotiertes bedingtes Bürgergeld wäre bereits eine Hilfe.
Aktion Mensch unterstützt die Idee.

Welche Problemlösungsangebote bieten Sie und Ihre Partei mir und anderen an?

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Antwort von
FDP

Sehr geehrte Frau Eck,

vielen Dank für Ihre Frage zu einem bedingten Grundeinkommen, die ich Ihnen gerne beantworten möchte. Bitte entschuldigen Sie, dass die Antwort so lange gedauert hat.

Milton Friedman, den Sie in Ihrer Frage anführen, hat sich vor allem für ein Modell der negativen Einkommenssteuer eingesetzt. Sie ist konzipiert als staatliche Transferleistung, die das Existenzminimum deckt. Wer mit seinem Einkommen unter dem Existenzminimum bleibt, bekommt vom Staat so viel Geld, dass er über dem Existenzminimum liegt. Wer darüber liegt, erhält nichts. Man muss zum Konzept von Milton Friedman ehrlicherweise sagen, dass die Höhe des Existenzminimums bei ihm in der Nähe des physischen Existenzminimums liegen sollte. Eine etwaige Armutslücke glaubte Friedman durch private Wohltätigkeit füllen zu können.

Die FDP vertritt mit dem liberalen Bürgergeld ein Modell der negativen Einkommenssteuer. Das liberale Bürgergeld orientiert sich nicht am physischen, sondern liegt über dem soziokulturellen Existenzminimum. Eine Orientierung am physischen Existenzminimum, wie von Milton Friedman vorgeschlagen, wäre in Deutschland mit der Verfassung nicht vereinbar.

Das liberale Bürgergeld ist jedoch in unseren Vorstellungen nicht bedingungslos zu gewähren. Wenn ich Sie richtig verstehe, möchten Sie dies auch nicht. Die FDP erachtet es für falsch, dass jeder unabhängig von seiner Bedürftigkeit Geld vom Staat erhält. Es ist aus meiner Sicht sehr schwer zu vermitteln, wieso ein Millionär das Grundeinkommen vom Staat erhalten sollte. Das entspricht nicht meinen Vorstellungen vom deutschen Sozialstaat, der zuerst für Bedürftige da sein soll und ihnen Solidarität entgegenbringt. Zudem muss der Solidarität der Gesellschaft auch ein Bemühen desjenigen gegenüberstehen, der auf die Solidarität angewiesen ist. Daher kann die Gesellschaft erwarten, dass der Bedürftige im Rahmen seiner Möglichkeit versucht, aus der Bedürftigkeit herauszukommen. Wenn dies nicht geschieht, muss ihm die Leistung auch vorübergehend gekürzt werden können.

Das liberale Bürgergeld fasst möglichst viele steuerfinanzierte Sozialleistungen in einem Universaltransfer zusammen. Dazu gehören das ALG II einschließlich der Leistungen für Wohnung und Heizung, das Sozialgeld, die Grundsicherung, die Sozialhilfe (ohne Sozialhilfe in besonderen Lebenslagen), der Kinderzuschlag und das Wohngeld. Diese Transferzahlungen werden mit der Einkommenssteuer zu einem Steuer-Transfersystem aus einem Guss verbunden. Damit würde der überwiegende Teil aller finanziellen Beziehungen zwischen Bürger und Staat sowie der soziale Ausgleich zwischen Leistungsstarken und Bedürftigen zukünftig nach einfachen, transparenten Regeln im Steuersystem stattfinden. Erwerbsfähige Alleinstehende ohne Kinder erhalten einen Bürgergeldanspruch in Höhe der heutigen durchschnittlichen Ausgaben für die Grundsicherung für Arbeitsuchende, Unterkunft und Heizung eines Arbeitslosengeld-II-Beziehers sowie der Krankenversicherung.

Mit verbesserten Zuverdienstregelungen für die Bezieher von Arbeitslosengeld soll deren Erwerbstätigkeit besser gewürdigt werden. Zudem werden dadurch die Anreize für die Arbeitsaufnahme gestärkt. Konkret schlägt die FDP vor, dass das Einkommen bis 200 Euro bis auf einen Grundfreibetrag von 40 Euro komplett verrechnet wird. Bis zu einem Einkommen von 400 Euro bleiben 40 Prozent anrechnungsfrei, bis zu einem Einkommen von 1000 Euro 50 Prozent. So würden von einem Einkommen von 1000 Euro brutto 420 Euro bleiben, während es derzeit nur 280 Euro sind.

Das Konzept eines bedingungslosen Grundeinkommens, das immer wieder von verschiedenen Seiten gefordert wird, ist nicht mehrheitsfähig. Auch bei den Grünen oder bei den Linken wird es nur von Einzelnen befürwortet. Seine Mehrkosten sind enorm und liegen geschätzt, je nach genauer Ausgestaltung, zwischen 180 und 350 Milliarden Euro pro Jahr. Nur zum Vergleich: Die gesamten Ausgaben des Bundeshaushalts 2013 sind mit 302 Milliarden Euro veranschlagt. Neben den oben erwähnten Gerechtigkeitsdefiziten des bedingungslosen Grundeinkommens sprechen daher auch gewaltige finanzielle Gründe dagegen.

Mit freundlichen Grüßen

Pascal Kober

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