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Oswin Veith
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Frage von Dr. med. Jürgen H. •

Frage an Oswin Veith von Dr. med. Jürgen H. bezüglich Gesundheit

Lieber Herr Veith,
offen gesagt, verstehe ich Ihr Abstimmungsverhalten beim Thema Sterbehilfe nicht, da ich als Arzt schon einige wirklich verzweifelte Fälle von todkranken Patienten, z.T. mit entstellenden, übelriechenden Tumoren kennengelernt hatte, die sich vor sich selbst ekelten und für mich verständlich - aus dem Leben scheiden wollten. Wer hätte Sie - oder irgendjemand anderes - im Falle einer Freigabe der Tätigkeit nicht gewinnorientierter Sterbehilfevereine - gezwungen, diese in Anspruch zu nehmen? Niemand! Dass Sie mit den meisten Abgeordneten entgegen dem Mehrheitswillen der Bevölkerung anderen die Möglichkeit genommen haben, für sich persönlich eine andere Entscheidung zu treffen, enttäuscht mich sehr. Ich habe vor 25 Jahren in einem verzweifelten Fall einmal Sterbehilfe geleistet und stand ein weiteres mal kurz davor (der Pat. ist vorher an seinem Tumor infolge Gefäßarrosion verblutet). Aufgrund der unsicheren Rechtslage würde ich es jetzt natürlich nicht mehr tun, wenn diese Situation auf mich zukäme. Wollen Sie, dass die Betroffenen sich demnächst mit dilettantischen Methoden selbst versuchen, sich das Leben zu nehmen und dadurch unnötige Qualen erleiden oder sich gar vor den Zug werfen?

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Dr. Horn,

vielen Dank für Ihre Meinung in Bezug auf die Entscheidung des Deutschen Bundestages zur Frage der Sterbehilfe. Dass Sie mein Abstimmungsverhalten nicht nachvollziehen können, bedauere ich sehr, kann dies aber verstehen. Dennoch möchte ich versuchen Ihnen meine Entscheidung zu begründen.
Wie viele meiner Kollegen, habe auch ich mich mit dieser Entscheidung sehr schwer getan. Als Katholik ist Sterbehilfe für mich aus religiösen Gründen keine Alternative. Aber auch mir sind Fälle von Schwerstkranken bekannt, denen eine erlaubte Sterbehilfe einen Ausweg aus ihrer Situation gegeben hätte. Dennoch halte ich es nicht für richtig, Sterbehilfe als Option in der Gesellschaft zu etablieren. Die Gefahr, dass insbesondere ältere Menschen sich gezwungen sehen Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen, weil sie ihren Angehörigen oder den Krankenkassen nicht zur Last fallen wollen, schätze ich als sehr groß ein. Zudem existieren belastbare Untersuchungen, die belegen, dass in jenen Ländern in denen kommerzielle Sterbehilfe zugelassen wurde, dort die Zahl der Selbsttötungen in Altersheimen erheblich gestiegen ist. Das halte ich für eine humane Gesellschaft nicht für wünschenswert.

Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages haben sich mehrheitlich für das Verbot der organisierten, geschäftsmäßigen Sterbehilfe entschieden. Insbesondere aus den oben erwähnten Gründen, habe auch ich für diesen Antrag votiert. Die Ängste der Ärzteschaft, dass ein solches Verbot auch ihre Arbeit erschwert, habe ich in meine Überlegungen mit einbezogen. Ich weiß aber auch, dass das Berufsrecht der Ärzte bereits jetzt in vielen Fällen verbietet, Sterbenden beizustehen. In der Zeit der Entscheidungsfindung und auch während einer Podiumsdiskussion in Friedberg zu diesem Thema, schilderten mir Ärzte sehr ähnliche Fälle, wie Sie es getan haben. Es waren sehr viele Ärzte darunter, die in den schlimmsten Fällen Sterbehilfe geleistet haben. Dabei sei aber auch gesagt, dass dies nie aus finanziellen Gründen geschehen ist, sondern aufgrund des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient und obwohl das Berufsrecht dies verbietet. Um mögliche Rechtsunsicherheiten für die Ärzteschaft aufgrund dieser Entscheidung für ein Verbot der geschäftsmäßig, organisierte Sterbehilfe zu schaffen, sehe ich auch die Ärztekammern in der Verantwortung hier klare Vorgaben zu machen.
Auch wenn die Strafvorschrift zum Verbot der organisierten, geschäftsmäßigen Sterbehilfe noch erarbeitet wird, kann ich jetzt schon sagen, dass die Beihilfe zum Suizid auch weiterhin straffrei bleiben wird.

Ich halte eine Strafvorschrift, die die geschäftsmäßig, organisierte Sterbehilfe verbietet für den richtigen Weg, aber mir ist auch bewusst, dass wir Schwerstkranken und Sterbenden eine Alternative bieten müssen. Zu einer humanen Gesellschaft gehört auch das Sterben in Würde. Daher haben wir fast zeitgleich zur Entscheidung über das Verbot der Sterbehilfe ein Gesetz zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland verabschiedet. Dieses Gesetz soll vor allem die finanzielle Ausstattung der ambulanten und stationären Hospize und die Sicherung der Qualität stärken. Aus meiner Sicht ist der Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung ein sehr guter Weg, den ich auch unterstütze.

Ich hoffe sehr, dass ich Ihnen meine Beweggründe für meine Entscheidung näher bringen und Verständnis wecken konnte.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Oswin Veith