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Oliver Krischer
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Frage von Birgit S. •

Frage an Oliver Krischer von Birgit S. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Krischer,

seit April 2003 betreibe ich ein kleines Dienstleistungsunternehmen.

Von Anfang an war es schwierig Mitarbeiter zu finden , was u.a. daran liegt, daß wir fast das ganze Jahr im Freien / körperlich arbeiten.
Jetzt ist es wirklich, wirklich schlimm.
Wir suchen seit Gründonnerstag 2 Helfer im Gartenbau. Anforderungsprofil; man muß den Wunsch haben zu arbeiten und in Ludwigshafen mobil sein ( auch gerne mit Bus / Bahn / Rad ).
Von der ARGE bekam ich in fast 3 Monaten etwa 15 Vermittlunsvorschläge. beworben hat sich genau 1 Herr, der sofort klar stellte; er bewirbt sich , weil das Amt ihn zwingt – arbeiten wird er nicht.
Gleiche Erfahrungen machen alle Arbeitgeber, die ich kenne – gleich ob Personalchef im Großbetrieb oder Inhaberin einer kleinen Reinigungsfirma.
( Diese Frau schließt ihre Unternehmung, weil sie den Kunden nicht mehr seriös bedienen kann. )

Meine Erfahrung ich; wenn ein Bewerber tatsächlich die Arbeit auf nimmt bricht er sich zwischen 4.25 Arbeitsstunden und fünf Wochen ab. Diese Menschen brauchen zu kündigen oder Kündigungsfristen ein zu halten.
Man verschwindet einfach, ist auch telefonisch oder an der Haustür nicht erreichbar.
Klar sollen in unserem Sozialstaat alle Menschen menschenwürdig leben können. Da beinhaltet; Wohnung, Tapeten; Farben, alle Möbel, Lebensunterhalt, Kleidung, Zahnersatz, Massagen, Teilhabe an Kino, Theater, Sport. u.v.m.
Warum muß das ohne jede Gegenleistung geboten werden ?
Wie stellen Sie sich zu der These:
daß der nicht arbeitende Teil der Bevölkerung Rechte und Ansprüche hat, die der arbeitende Teil mittels Pflichten und ( im Fall von Arbeitgebern ) Auflagen bedient werden muß ?

Mit freundlichen Grüßen

Birgit S.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau S.,

vielen Dank für Ihre Nachricht und dass Sie sich mit Ihrem Anliegen an mich gewendet haben.

Tatsächlich gibt es einige Branchen, die derzeit Probleme mit der Nachbesetzung von Stellen haben. Nun weiß ich nicht, wie Sie die zu besetzenden Stellen ausgestaltet haben. Sie suchen scheinbar schon lange, allerdings erfolglos. Viele Branchen besetzen vorrangig Leute im Niedriglohnbereich. Wenn sich mit einem geringen Lohn auch noch körperlich harte Arbeit und ggf. fehlender Sozialversicherungsschutz koppelt, ist das für Arbeitssuchende oft nicht besonders attraktiv.

Dass Sie den Eindruck haben, dass Arbeitgeber nur Pflichten und Auflagen bedienen müssen, aber Arbeitslose nur Rechte und Ansprüche, kann ich aus Ihrer Sicht sehr gut nachvollziehen. Tatsächlich ist die Sachlage aber eine andere.

Bei beiden Seiten – Arbeitgeber und Arbeitnehmer – wiegen die Pflichten, aber auch die Rechte gleich auf. Es ist sogar im Gegenteil so, dass Arbeitslose sich sehr viel bewerben müssen und auch unserer Sicht eine Erleichterung für beide Seiten, wenn Arbeitslose sich nur auf Stellen bewerben, die zu ihnen passen und für die sie motiviert sind. Ich höre immer wieder von Unternehmern, die darüber berichten, dass sich eine Vielzahl von Menschen bewirbt, die überhaupt nicht passen und sich nur bewerben, weil die Bundesagentur oder die Jobcenter sie dazu auffordern.

Arbeitgebern muss weiterhin angekündigt werden, wenn der Arbeitnehmer nicht mehr arbeiten will. Je nach Art des Arbeitsverhältnisses gibt es einzuhaltende Kündigungsfristen, die Sie rechtlich geltend machen können. Insofern haben Sie durchaus Recht, dass es nicht in Ordnung ist, wenn Leute einfach nicht mehr zur Arbeit erscheinen ohne Ihnen (rechtzeitig) Bescheid zu geben. Kündigungsfristen ergeben sich aus dem Gesetz (§ 622 BGB), Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag und gelten für beide Seiten. Der Arbeitnehmer, der vorzeitig „abspringt“, wird also vertragsbrüchig.

In der Praxis muss der Arbeitgeber in solchen Fällen entstandene Schäden jedoch im Streitfall vor dem Arbeitsgericht darlegen und nachweisen. Das gestaltet sich fast immer sehr schwierig bis unmöglich. Es kann im Einzelfall gelingen, wenn z. B. gerade durch den plötzlichen Abgang eines Mitarbeiters Ware verdorben oder Gewinn entgangen ist. Im Regelfall springen jedoch andere Mitarbeiter ein, um den Schaden im Unternehmensinteresse zu vermeiden bzw. zu reduzieren. Deren Vergütung kann nur dann als Schaden geltend gemacht werden, wenn sie höher liegt als die des abgesprungenen Mitarbeiters, da dessen Vergütung ja wegfällt. Der mit der Situation verbundene Ärger und Aufwand ist zudem vor Gericht nicht konkret wirtschaftlich zu beziffern.

Ganz grundsätzlich hat jeder Mensch in diesem Land Rechte und Pflichten. Dazu gehört auch das im Grundgesetz verbriefte Recht auf eine Sicherung des Existenzminimums. Unser Ziel ist daher eine sanktionsfreie, menschenwürdige Garantiesicherung für alle Bürgerinnen und Bürger. Statt Sanktionen setzen wir auf positive Erwerbsanreize und Motivation durch passgenaue Hilfen und garantierte Angebote zur Qualifizierung und Weiterbildung, die individuell auf Erwerbslose zugeschnitten sind.

Seien wir ehrlich: Der zunehmende Mangel an Arbeitskräften in einigen Branchen wird sich nicht dadurch lösen lassen, indem bedürftige Menschen mittels Sanktionsandrohungen in Jobs gezwungen werden, die sie aus welchen Gründen auch immer nicht annehmen können oder wollen. Das würde auch Ihnen als Arbeitgeber wahrscheinlich nicht wirklich nachhaltig helfen. Stattdessen halten wir es für wirksamer, die Erwerbstätigkeit insbesondere von Frauen weiter zu erhöhen, Arbeitslose besser zu beraten und zu vermitteln, auf gute Arbeitsbedingungen, z.B. bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf hinzuwirken, die Aus- und Weiterbildung zu stärken und die Einwanderung von Fachkräften endlich gesetzlich zu regeln. Mehr Informationen zu unseren Forderungen und Vorschlägen finden Sie hier: https://www.gruene-bundestag.de/arbeit.html.

Mit freundlichen Grüßen
Oliver Krischer