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Frage von Wilfried M. •

Frage an Oliver Jörg von Wilfried M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Abgeordneter,

vor dem Hintergrund der bekannten - z.B. am 13.12.2011 von der ARD- Sendung "Report Mainz" berichteten (vgl. Video unter Link 1) - Leidensgeschichte um Herrn Mollath aus Franken möchte ich von Ihnen in Erfahrung bringen, ob Sie sich eine umfassendere Untersuchung der Sinnhaftigkeit zwangsweiser Behandlung angeblich psychisch kranker Rechtsbrecher vorstellen können.

Stimmt es denn, daß der Maßregelvollzug überhaupt erstmals in Deutschland und unmittelbar nach der Machtergreifung Hitlers eingeführt wurde?

Ist es mit der Freiheit der Arztwahl vereinbar, wenn Patienten im Maßregelvollzug einer - allein aufgrund regionaler Zuständigkeit bestimmten - Klinik mit je ganz konkretem (womöglich wechselndem) Personal zugewiesen werden?

Kann eine solche Zuordnung (ohne Wahlmöglichkeit) Ihrer Überzeugung nach ohne Auswirkung auf den Behandlungserfolg bleiben?

Meinen Sie, daß jeder Psychiater und/ oder jeder Psychotherapeut in solch einer Klinik für jeden infrage kommenden Untergebrachten optimale Behandlungsergebnisse erreichen kann?

Gibt es für Maßregelvollzugsuntergebrachte im BKH Lohr Möglichkeiten, sich von einem Arzt ihres Vertrauens (z.B. aus einem anderen Bundesland) untersuchen und ggf. Entlassungs- oder auch alternative Behandlungsvorschläge machen zu lassen?

Falls es diese Möglichkeiten nicht gibt: Wäre es nicht an der Zeit, in Ihrer CSU bzw. in der Regierungskoalition nach Möglichkeiten zu suchen, Gesetzesvorhaben solchen Inhalts auf den Weg zu bringen?

Könnten Sie sich zum Beispiel vorstellen, daß der stationäre Maßregelvollzug künftig abgeschafft und stattdessen jedem Rechtsbrecher eine freiwillige seelenheilkundliche Behandlung in der Justizvollzugsanstalt bzw. von dort aus ermöglicht wird unter Einräumung von echten Wahlmöglichkeiten?

Mit freundlichen Grüßen
Dipl. Med. Wilfried Meißner
Facharzt
Deutsches Institut für Totalitarismusabwehr

1) http://www.youtube.com/watch?v=XmbNjLF7Jzw

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Meißner,

für Ihre Fragen zum Maßregelvollzug danke ich Ihnen. Der Bayerische Landtag hat sich am 15. Dezember 2011 mit den Fragestellungen im Zusammenhang mit Herrn Mollath befasst und einstimmig einen Dringlichkeitsantrag verabschiedet, in welchem die Staatsregierung aufgefordert wird zu berichten, ob es Hinweise auf Versäumnisse hinsichtlich der von Herrn Mollath gestellten Strafanzeige wegen Steuerhinterziehung gibt. Damit nimmt das Parlament seine Kontrollaufgabe wahr.

Ihre Frage bezieht sich jedoch offenbar mehr auf die allgemeine Ausgestaltung des Maßregelvollzugs in Bayern. Sie schlagen vor, den Maßregelvollzug abzuschaffen. Das kann ich nicht befürworten. Erlauben Sie mir, in meiner Argumentation auf Ausführungen des erst vor einigen Monaten ausgeschiedenen Bundesverfassungsrichters Rudolf Mellinghoff Bezug zu nehmen. Freiheitsstrafe (Strafvollzug) und freiheitsentziehende Maßregel verfolgen im wesentlichen unterschiedliche Ziele. Strafe ist eine Reaktion auf schuldhaftes Verhalten, die dem Schuldausgleich dient. Dabei richtet sich die Strafmaß nach der Schwere der Schuld. Der Maßregelvollzug für nicht oder nur eingeschränkt schuldfähige, beispielsweise psychisch kranke Personen, dient vor allem der Verhinderung zukünftiger Straftaten durch Einwirken auf den Täter.

Der Maßregelvollzug ist organisatorisch-institutionell als auch räumlich vom Strafvollzug zu trennen. Die Strukturierung und Durchführung des Maßregelvollzugs übernehmen die sieben Bezirke in Bayern im Auftrag des bayerischen Sozialministeriums. In den Kliniken für forensische Psychiatrie arbeitet in der Regel ein multiprofessionelles Behandlungsteam aus Ärzten, psychologisch-therapeutisch ausgebildeten Mitarbeitern, einem sozialpädagogischen Dienst, einem ergotherapeutischen Dienst und einem Pflegedienst.
Ein Anspruch auf freie Arztwahl besteht im Maßregelvollzug nicht. Für medizinisch erforderliche und nicht aufschiebbare Behandlungsmaßnahmen gibt es in der Regel eine Duldungspflicht, da durch die Behandlung die Gefährlichkeit, also die Ursache für die Unterbringung des Patienten im Maßregelvollzug, gemindert wird.

Mit freundlichen Grüßen

Oliver Jörg, MdL