Portrait von Oliver Grundmann
Oliver Grundmann
CDU
100 %
17 / 17 Fragen beantwortet
Frage von Christian S. •

Frage an Oliver Grundmann von Christian S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Grundmann,

ich bin mehr oder weniger zufällig auf einen Bericht über die Verhandlungen zum "Agreement on Trade in Services" kurz TiSA gestoßen. Dabei handelt es sich offenbar um ein ähnlich weitreichendes Vertragswerk wie TTIP, nur dass es dabei statt um Waren um Dienstleistungen geht.

U.a. kann man nun nachlesen, dass gemäß der aktuellen Entwürfe u.a. folgendes gelten sollte: "Bereits privatisierte Unternehmen sollen zukünftig durch eine Sperrklausel, die “Ratchet Clause”, nicht mehr in die öffentliche Hand rücküberführt werden können, auch wenn die Privatisierung ein Fehlschlag war."

Ich habe zu diesem ganzen Komplex nun folgende Fragen:
1. Halten Sie es für eine gute Idee, bereits im Vorwege die Handlungsspielräume künftiger Generationen derart einzuschränken? Ob man Privatisierung für grundlegende Güter wie Wasser für eine gute Idee hält oder nicht, ist eine andere Frage, aber warum soll gleich diese Endgültigkeit festgelegt werden?
Wäre es nicht sinnvoll, wenn man im Zweifelsfall auch die Option hätte, in bestimmten Bereichen die Privatisierung zurückzunehmen, weil bspw. nicht der gewünschte Effekt eintritt (Beispiele hierfür gibt es genug siehe z.B. Strompreisentwicklung in Deutschland).

2. Wieso werden derart grundlegende Dinge wie TTIP und TiSA im Geheimen verhandelt? Auf diese Weise wird der Eindruck erweckt, die Politik habe etwas gegenüber der Bevölkerung zu verbergen und dieser Eindruck verstärkt sich natürlich, wenn man dann von Dingen wie der o.g. Ratchet-Klausel erfährt.
Meine zweite Frage lautet daher: heißen Sie Geheimverhandlungen für richtig und wo wäre für Sie die Grenze?

3. Da es sich bei dem zitierten Dokument nur um einen Verhandlungsstand handelt, mag sich die finale Fassung noch ändern. Würden Sie einer TiSA-Vereinbarung in der jetzt bekannt gewordenen Form zustimmen?

Vielen Dank und mit freundlichen Grüßen,
C. Schwanke

Portrait von Oliver Grundmann
Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Schwanke,

für Ihre Fragen zu TiSA (Trade in Service Agreement), einem Dienstleistungsabkommen zwischen 22 Mitgliedern der Welthandelsorganisation WTO – darunter der Europäischen Union –, danke ich Ihnen.

Das Dienstleistungsabkommen verfolgt das Ziel, den Marktzugang für grenzüberschreitende Dienstleistungen zu verbessern und gleichzeitig den stockenden Verhandlungen der Doha-Runde im Dienstleistungsbereich neue Impulse zu geben. Im Gegensatz zu manchen Befürchtungen ist es nicht Inhalt oder Ziel der TiSA-Verhandlungen, öffentliche Dienstleistungen in Deutschland zu privatisieren.

Da die Marktöffnung im Dienstleistungsbereich die Marktzugangschancen deutscher und europäischer Unternehmen in Drittstaaten vergrößert und für den Verbraucher zu günstigeren und besseren Dienstleistungen führen kann, ist TiSA aus meiner Sicht zu begrüßen.

Das TiSA-Abkommen befindet sich derzeit noch im Verhandlungsstadium. Daher gibt es auch noch keinen – mehr oder minder verbindlichen – Entwurf dazu. Die von Ihnen zitierte Aussage, von der ich annehme, dass diese einem Artikel von netzpolitik.org entnommen wurde, kann ich daher nicht beurteilen.
Zu Ihren Fragen:

1. Standstill-Klauseln und Ratchet-Klauseln sollen nach Auffassung der Bundesregierung im TiSA-Abkommen nicht aufgenommen werden, wenn dadurch künftige Rekommunalisierungen verhindert würden. Dies zeichnet sich auch nicht ab, da die Standstill- und Ratchet-Klauseln nur auf diskriminierende Regelungen angewandt werden, nicht aber auf die Regeln für den Marktzugang von ausländischen Dienstleistungsangeboten. Auch die Bundesregierung hält es nicht für eine gute Idee, bereits im Vorwege die Handlungsspielräume künftiger Generationen einzuschränken. Deshalb hat sie auch nicht die Absicht, die Regulierungshoheit für Dienstleistungen für bereits privatisierte Bereiche aufzugeben. Der Staat muss und wird sich seinen Gestaltungsspielraum erhalten. Das gilt auch für andere Bereiche. So ist zum Beispiel nicht ersichtlich – und wird von der Bundesregierung auch nicht angestrebt –, dass durch das TiSA-Abkommen Regulierungsmöglichkeiten des Staates eingeschränkt werden. Als Beispiele seien nur die Lizenzierung von Gesundheitseinrichtungen, Kraftwerken und Abfallentsorgungsanlagen sowie die Akkreditierung von Schulen und Universitäten genannt. Gleichzeitig werden wir auch nicht im Rahmen des TiSA-Abkommens Verpflichtungen eingehen, die Änderungen an innerstaatlichen Regulierungen erforderlich machen. Unsere Standards bleiben erhalten. Deshalb wird die Bundesregierung auch an ihrer Linie festhalten, keine Marktöffnung im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge vorzusehen.

2. Leider wird von bestimmten Kreisen der Eindruck erweckt, dass es sich bei den Verhandlungen rund um das TiSA-Abkommen um „Geheimverhandlungen“ unter Ausschluss der Öffentlichkeit handele. Dieser Vorwurf wird auch im Zusammenhang mit den Verhandlungen von TTIP und CETA erhoben. Er ist in allen Fällen ungerechtfertigt: Grundsätzlich ist es so, dass Verhandlungen – sei es zwischen Staaten, sei es zwischen privaten Vertragspartnern – nicht in aller Öffentlichkeit geführt werden können. Niemand käme auf die Idee, bei Verhandlungen um ein Hauskauf öffentlich seine Verhandlungsstrategie und seine preislichen Vorstellungen zu äußern. Ähnlich ist es auch hier. Wer seine eigenen Positionen durchsetzen will, muss Strategie und Rückfalllinien vertraulich behandeln. Andererseits ist klar, dass in einer demokratischen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts Politik nicht im Verborgenen gemacht werden kann. Viele Bürger wünschen genaue Informationen – und sollen sie auch bekommen! Die Verhandlungspartner müssen einen vernünftigen Kompromiss zwischen diesen nur schwer zu vereinbarenden Zielen finden.

Während in der Vergangenheit Handelsabkommen im Prinzip ohne öffentliches Interesse und ohne Information der Öffentlichkeit verhandelt wurden, hat sich die Sachlage seit CETA und TTIP geändert. Die EU-Kommission und die Bundesregierung haben viele Informationsveranstaltungen abgehalten, betroffene Kreise und Aktivisten in einem sehr großen Umfang konsultiert, viele Dokumente und Informationen ins Netz gestellt und auch sonst vielfältige Aufklärungsarbeit geleistet. Insofern sind wahrscheinlich gerade diese beiden Abkommen, die immer wieder dem Vorwurf der „Geheimverhandlungen“ ausgesetzt sind, diejenigen, die am öffentlichsten und transparentesten geführt worden sind.

Dies gilt auch für das TiSA-Abkommen: Die Europäische Kommission hat öffentliche Konsultationen auch zu TiSA eingeleitet, die Ergebnisse dazu veröffentlicht und außerdem Dokumente und Positionen öffentlich zugänglich gemacht. Siehe dazu unter anderem: http://trade.ec.europa.eu/civilsoc/meetdetails.cfm?meet=11425 , http://trade.ec.europa.eu/doclib/press/index.cfm?id=1133

Die Bundesregierung bemüht sich im Rahmen des Möglichen um eine zeitnahe und umfassende Information über das TiSA-Abkommen. So wird der Deutsche Bundestag laufend über alle wesentlichen Schritte und Dokumente informiert. Außerdem hat das für das TiSA-Abkommen zuständige Bundesministerium für Wirtschaft und Energie bereits zahlreiche Informationsveranstaltungen zu diesem Thema durchgeführt und dazu Vertreter von Gewerkschaften, Wirtschaftsverbänden und Zivilgesellschaft eingeladen. Dies wird auch weiterhin so sein. Ich denke, dass wir auch hier einen vernünftigen Kompromiss zwischen der erforderlichen Vertraulichkeit der Verhandlungen und dem berechtigten Interesse der Öffentlichkeit an Information gefunden haben.

3. Einem Vertrag kann man nur dann zustimmen, wenn er endgültig ausverhandelt ist. Die Ziele, die die Bundesregierung bei den Verhandlungen des TiSA-Abkommens verfolgt, habe ich Ihnen genannt.

Mit freundlichen Grüßen

Oliver Grundmann

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Oliver Grundmann
Oliver Grundmann
CDU