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Olav Gutting
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Frage von Renate A. •

Frage an Olav Gutting von Renate A. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Gutting,

ich wende mich heute an Sie zum Thema Impfzwang, weil ich mich frage, wo das noch hinführt mit der Entmündigung der Menschen in diesem Land.

Die gesamte politische und mediale Diskussion beruhte von Anfang an in wesentlichen Teilen auf Falschbehauptungen über vermeintlich ansteigende Masernzahlen in Deutschland, behauptete sinkende Durchimpfungsraten und angeblich steigende Impfmüdigkeit - keine dieser unendlich oft wiederholten Behauptungen stimmt, was wir unter impf-info.de/faktencheck-masern mit den offiziellen Zahlen der offiziellen deutschen Gesundheitsbehörden Punkt für Punkt nachweisen.

sämtliche wirklichen Fachleute zum Thema Impfen (sei es beim Robert Koch Institut der Bundesregierung, seien es die Vorsitzenden der STIKO oder sonstige professionell mit dem Thema Impfen Befasste) waren von Anfang an zumindest sehr skeptisch bis klar ablehnend diesen Plänen zu Einführung einer Impfpflicht in Deutschland gegenüber und empfehlen gänzlich andere Maßnahmen, die (ohnehin hohen) Impfquoten in Deutschland zu steigern. Die politischen Entscheider haben sich von Beginn der Diskussion an konsequent über deren Einwände hinweg gesetzt.

Wie stehen Sie, Herr Gutting zum Impfzwang für Masern ?

Setzen Sie sich ein für ein eigenverantwortliche Selbstbestimmung der Bürger?

Danke für Ihre Antwort.

R. A.

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Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau A.,

mit Dank bestätige ich den Eingang Ihrer Mailzuschrift vom 19. vorigen Monats, in der Sie den geplanten Gesetzentwurf des Bundesgesundheitsministers zum Thema „Impfzwang“ kritisieren. Was das Vorgehen der Bundesregierung mit „Entmündigung“ zu tun haben soll, erschließt sich mir in diesem Fall, wo es speziell um einen rundum wirksamen Gesundheitsschutz geht, nicht.

Vorab möchte ich betonen, dass ich bewusst darauf verzichte, das gesamte Thema von A bis Z zu beleuchten. Das hat nicht zuletzt auch damit zu tun, dass ich nicht vom Fach bin und daher als Finanzpolitiker, der nun einmal nicht an den Beratungen und Diskussionen im federführenden Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages teilnehmen kann, darauf angewiesen bin, dass mir Fraktionskollegen, die im zugehörigen Fachausschuss vertreten sind, sachkundige Beratung zuteilwerden lassen.

Lassen Sie mich zum Thema einige, mir wesentlich scheinende Anmerkungen machen:

Zunächst stellt sich die Frage, warum überhaupt gegen Masern impfen?

Masern gehören zu den ansteckendsten Viruserkrankungen überhaupt und werden durch Tröpfcheninfektion (Niesen, Sprechen) übertragen. Für Masern-, Mumps-, Röteln- sowie Varizelleninfektionen und deren Komplikationen steht keine spezifische Therapie zur Verfügung, d.h. der Prävention durch Schutzimpfung kommt von daher eine überragende Bedeutung zu.
Außerdem kommt es auf die Stärkung der „Herdenimmunität“ an: besonders vor dem Hintergrund, des Schutzes von Menschen, die aus verschiedenen (medizinischen) Gründen nicht selbst aktiv geimpft werden können: Neugeborene bis 9 Monate, ältere (multimorbide) Menschen, chronisch Erkrankte, Schwangere. Wie das Robert Koch-Institut geschätzt hat, können insgesamt ca. zwei Prozent der Bevölkerung (d. h. ca. 1,7 Millionen Menschen) nicht selbst gegen Masern geimpft werden und sind auf hohe Impfquoten in ihrer Umgebung angewiesen.

Die Masernvirusinfektion verursacht eine vorübergehende Immunschwäche von mindestens 6 Wochen Dauer. Als Konsequenz kann vorübergehend eine erhöhte Empfänglichkeit für bakterielle Superinfektionen bestehen. Es können nach Ansicht von namhaften medizinischen Experten weitere gefährliche Komplikationen im Zusammenhang mit der Erkrankung an Masern auftreten. So erleiden etwa 10 von 10.000 an Masern erkrankte Personen eine Gehirnentzündung. Von diesen zehn Erkrankten sterben ein bis zwei. Bei etwa zwei bis drei Betroffenen bleiben schwere Folgeschäden wie eine geistige Behinderung und Lähmungen zurück.

Ich will es bei dieser Aufzählung (Quelle Bundesregierung!) belassen, anderenfalls müsste man an dieser Stelle ein Fachseminar zu diesem Thema eröffnen. Aus den Zuschriften, die mich zu dieser Thematik erreichen, weiß ich, dass es eine nicht unerhebliche Zahl von Menschen gibt, die wie Sie den geplanten Impfzwang kritisieren. Ein dabei häufig vorgebrachter Einwand lautet: Eine Impflicht stelle einen massiven Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit dar, beschneide das Recht auf Selbstbestimmung und verstoße auch noch gegen weitere Grundrechtsgarantien.

Dazu erklärt das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 14. Juli 1959, Rn. 18, juris): durch den mit einer Impfpflicht einhergehenden Eingriff in das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 GG) wird der Wesensgehalt des Grundrechts nicht angetastet, da die Zielsetzung eines solchen Eingriffes gerade die Erhaltung der Unversehrtheit ist.

Lassen Sie mich noch einige wenige, mir in diesem Zusammenhang aber wichtig erscheinende Fakten in knapper Form erwähnen:

Insgesamt versterben in Industrieländern etwa 1 bis 3 Personen/1 000 Maserninfektionen an den Masern. Die Anzahl der übermittelten Masernfälle stagniert auf einem Niveau, das deutlich über den Eliminationszielen der WHO (< 1 Fall pro 1 Mio. Einwohner) liegt. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes gab es in Deutschland 2016 zwei erfasste Masern-Todesfälle, und 2015 drei. Hinzu kommen einige Todesfälle durch eine Spätfolge, die Masern-Gehirnentzündung SSPE.

Trotz wiederholter Informationskampagnen und einer zum Teil hohen medialen Aufmerksamkeit, insbesondere zu Zeiten von Ausbrüchen, konnten die Impfquoten bisher nicht weiter verbessert, die Eltern also scheinbar nicht von der Notwendigkeit der zweiten Impfung überzeugt werden. Kleine Kinder werden zu spät geimpft.

Die für die Masernelimination angestrebte Impfquote von mindestens 95 Prozent für die zweite Impfung wurde nur in zwei Bundesländern erreicht.

Impfquoten Erwachsene (Zeitraum 2008–2011): 79,8% (18-bis 29-Jährige) bzw. 46,7% (30- bis 39-Jährige) haben mindestens eine Impfstoffdosis erhalten.

Umfragen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) haben gezeigt, dass die Gründe für die Nichtimpfung weniger in einer grundsätzlich impfkritischen Haltung zu suchen sind.

Einen 100%igen Schutz vor einer Infektion kann keine Impfung gewährleisten: die Schutzwirkung nach einer einmaligen MMR-Impfung liegt bei 94-95%; die Impfeffektivität der zweimaligen Masernimpfung zur Verhinderung einer Masernerkrankung erreicht bis zu 99%.

Nach geltendem Arzneimittelrecht erhält ein Impfstoff nur dann eine Zulassung, wenn nachgewiesen ist, dass er auch wirksam und verträglich ist.

Ein häufig zu vernehmender Einwand: bessere Kindesentwicklung ohne Impfung. Bisher konnten wissenschaftliche Studien nicht belegen, dass sich nicht geimpfte Kinder geistig oder körperlich besser entwickeln als geimpfte.

Im Übrigen: es steht außer Frage, dass Kinder in der Regel durch Infektionen in ihrer Entwicklung zurückgeworfen werden und gesundheitliche Komplikationen bis hin zu Todesfällen die Folge sein können. Genau diese lassen sich mit der Hilfe von Impfungen vermeiden. Oftmals ist auch der kritische Hinweis zu hören: Impfungen würden Allergien fördern: Sicher ist: Es gibt heutzutage mehr Impfungen – und mehr Allergien. Ob das eine jedoch mit dem anderen zusammenhängt, ist nicht belegt. Gegen eine solche Verbindung sprechen viele andere Studien.

Es ließen sich noch eine ganze Reihe weiterer Fakten aufzählen, die für die Einführung eines Impfzwangs sprechen.

Nochmals: Fest steht: Impfungen gehören zu den wirksamsten präventiven Maßnahmen, die in der Medizin zur Verfügung stehen. Gleichzeitig schützt die Impfung nicht nur die geimpften Personen selbst, sondern insbesondere indirekt auch die Menschen, die sich nicht selbst impfen lassen können, so z. B. Säuglinge bis zum 6. Lebensmonat oder anderweitig erkrankte Menschen.

Bei Masern beispielsweise, über die wir hier sprechen, bedeutet eine niedrige Impfquote ein hohes Gesundheitsrisiko. Masern sind eine schwerwiegende Erkrankung - deswegen halte ich es für richtig, dass wir nun einen Schritt weitergehen und derzeit prüfen, wie wir für Kinder eine Impfpflicht gegen Masern einführen können.

Mit freundlichen Grüßen
Olav Gutting

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