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Olav Gutting
CDU
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Frage von Markus K. •

Frage an Olav Gutting von Markus K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Tag Herr Gutting

Warum ist die CDU gegen Volksentscheide?

Das Argument, die Bürger könnten schwerwiegende Fehlentscheide treffen ist zwar richtig, zieht aber nicht wirklich, denn keinesfalls treffen Regierung stets kluge Entscheidungen und Beschlüsse. Beispiele sind das kommende Desaster der Krankenkassenfinanzierung über den Gesundheitsfond trotz Warnungen von Experten: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,653784,00.html#ref=nldt Oder die Staatverschuldung. Die Entscheidung Konrad Adenauers bei der Rentenformel, wider Expertenrat, die Bevölkerungsentwicklung nicht zu berücksichtigen ("es gäbe immer genug Kinder"). Die ausbleibende Steuerrechtsvereinfachung, trotz Jahrzehnte langer Versprechen. "Atomendlager Asse sei sicher"...

Insgesamt scheint mir in der Bevölkerung der Eindruck weit verbreitet, dass sie alle 4 Jahre zwar eine Partei wählen darf, aber insgesamt Politik hauptsächlich für Lobbyisten gemacht wird und das Volk die Rechnungen bezahlen darf, von kleinen Wahlgeschenken abgesehen. Beispiel die Gesetzesvorlage zum Verbot der Weitergabe von Adressen ohne ausdrückliche Genehmigung der Adressinhaber im Jahre 2009. Dafür gab es laut einer ZDF Sendung eine Mehrheit im Bundestag zugunsten der Bürger, welche durch massive Lobbyarbeit wesentlich entschärft wurde. Lobbyvertreter sitzen, wie vor Monaten bekannt wurde, sogar in den Ministerien und sind bei der Entwicklung von Gesetzestexten beteiligt. Herr Müller (SPD), war RWE Manager, dann Wirtschaftsminister, per Ministerentscheid setzte er eine Regelung gegen die Entscheidung des Kartellamtes zugunsten der RWE durch und wurde danach wieder RWE Manager.

Die oft beklagte Politikverdossenheit der Bürger rührt sicher auch daher, dass man als Wähler kaum auf die Politik Einfluss nehmen kann.

Volksentscheide wären ein demokratisches Mittel zugunsten der Bürger. Beispielsweise Atomkraft, Mindestlohn "Ja" oder "Nein" und das Thema wäre erledigt. Das wäre Demokratie.

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Kuhn,

besten Dank für Ihre Anfrage vom 11. dieses Monats, die Sie über das Portal „Abgeordnetenwatch“ an mich gerichtet haben.

Das Für und Wider zur Einführung von plebiszitären Entscheidungen auf Bundesebene wird mehr oder weniger intensiv seit den Anfängen der Bundesrepublik Deutschland diskutiert. Die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes haben an Hand der in der Weimarer Republik gemachten Erfahrungen bewusst auf die Einführung plebiszitärer Elemente verzichtet. Diese wurden und werden nach wie vor als mitursächlich für das Erstarken der extremistischen Parteien in der Weimarer Zeit und den späteren Weg hin zur Diktatur angesehen.

Mein Vertrauen in plebiszitäre Entscheidungen auf allen Verwaltungsebenen unserer Republik ist, da mache ich keinen Hehl draus, begrenzt. Keine Frage, Verfahren direkter demokratischer Bürgerbeteiligung auf überschaubarer kommunaler und regionaler Ebene halte ich für ein nützliches Instrument, das sich auch schon seit langem bewährt hat. Viele Verwaltungsentscheidungen sind auf diesen Ebenen durch entsprechend engagierte Bürgerinitiativen dem Willen der betroffenen Bürger folgend beeinflusst worden.

Anders stellt sich meines Erachtens die Sache auf Bundesebene dar:

Erstens kann man komplizierte politische Sachverhalte nicht zur Volksabstimmung freigeben, ohne Gefahr zu laufen, dass Sachverhalte simplifiziert und unter bloßer Schwarzweiß-Malerei manipulativ verändert werden. Auch die Möglichkeit, Kompromisse zu schließen, wird durch plebiszitäre Entscheidungen mehr oder weniger verbaut.

Zweitens kommt es zu einer Art permanentem Wahlkampf. Es ist nicht auszuschließen, dass emotionalisierte Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen Interessengruppen entfacht werden, an deren Spitze demagogisch und polemisch geschulte Wortführer stehen, die mit rhetorischer Gewandtheit Leute für ihre Sache einzuspannen versuchen.

Drittens: Ebenso ist nicht auszuschließen, dass die Entscheidung über bundespolitische Fragen nicht nur nach sachlichen Gesichtspunkten erfolgt, sondern auch in eine Materialschlacht ausartet, bei der derjenige über die besten Karten verfügt, der das meiste Geld in die Auseinandersetzung zu investieren in der Lage ist (Anzeigen, Werbemittel, etc.). Nicht die Bürgerinnen und Bürger hätten dann das Sagen, sondern kampagnenfähige Verbände und Medien. Eine Abkehr von der parlamentarisch-repräsentativen Demokratie auf Bundesebene würde zudem dem Populismus Tür und Tor öffnen.

Eine weitere Frage tut sich auf: soll man alle gesellschaftlich relevanten Fragen zur Disposition durch entsprechende Volksabstimmungen stellen? Man denke nur an solch umstrittene Themen wie die Einführung des Euro, die Entscheidung über das Abtreibungsrecht oder den Umgang mit der Gentechnik. Wie will man vor dem Hintergrund einer drohenden Volksabstimmung bei solch problematischen Entscheidungen eine rationale Auseinandersetzung führen und gewährleisten?

Ein Letztes: Ich will zum einen keinen Dauerwahlkampf und zum anderen nicht von Boulevard-Medien regiert werden, die - was ja ganz und gar nicht auszuschließen ist - sich an die Spitze der Bewegung setzen.

In der Hoffnung, Ihnen mit diesen Auskünften ein wenig dienlich gewesen zu sein, verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen

Olav Gutting, MdB

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