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Norbert Lins
CDU
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Frage von Rainer T. •

Frage an Norbert Lins von Rainer T. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Lins,

Was ist ihr Standpunkt zum Vorhaben der EU, Uploadfilter zu verwenden um Nutzergenerierte Inhalte im Internet zu filtern und gegebenenfalls zu zensieren?

Derzeit wird genau das debattiert und die Auswirkungen auf die Freiheit des Internets sind nicht absehbar.
Websitebetreiber sollen eine sogenannte Linksteuer zahlen. Sobald also ein Link auf einer Plattform zu einem urheberrechtlich geschützten Werk verweist wird eine Steuer fällig, welche der Websitebetreiber entrichten muss.

Haben Sie jemals Wikipida benutzt? Dort finden sie massenhaft Links zu wissenschaftlichen Ausarbeitungen, Studien und Umfragen sowie Bildungsmaterial und Büchern.

Wie soll eine so wichtige Website wie Wikipedia in Zukunft, Wissen für die Allgemeinheit kostenlos bereitstellen, wenn alleine die Entrichtung der Steuer für ein großes Loch im spendenfinanzierten Geldbeutel der Stiftung sorgt?

Ebenfalls getroffen werden politische Blogger, kritische Journalisten und freie Bürgerinnen und Bürger, welche sich im Internet frei und lebendig austauschen möchten.

Schreibt ein Journalist nun einen Artikel und zitiert einen anderen Journalisten oder lädt ein Bild dessen Artikels hoch, so wird der Uploadfilter anspringen und dieses Bild löschen.

Lädt ein freier Bürger ein interessantes Bild in einem Forum hoch um auf eine politische, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Tatsache aufmerksam zu machen - so springt wieder einmal der algorithmisch gesteuerte Uploadfilter an und löscht das Bild, da der Algorithmus ein urheberrechtlich geschütztes Bild darin erkennt.

Zurück zur Frage: Werden Sie für dieses Gesetz stimmen? Und wenn ja, warum sind Sie dafür?

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Teuter,

haben Sie vielen Dank für Ihre Anmerkungen bezüglich der geplanten Urheberrechtsrichtlinie. Ich möchte Sie zu Beginn darauf aufmerksam machen, dass ich kein Mitglied des Rechtsausschusses (JURI) im Europäischen Parlament bin, sondern dass mein CDU-Kollege Axel Voss dieses Dossiers federführend für meine Fraktion die Europäische Volkspartei also auch die deutsche CDU/CSU-Gruppe im JURI übernommen hat.

Die Novelle des Urheberrechts in der Europäischen Union verfolgt das Ziel, geltendes Recht an das veränderte Nutzungsverhalten der Bürger anzupassen und dabei die Interessen von Künstlern und Autoren, Produzenten, Verlegern, Rechteinhabern, Konsumenten und Internetnutzern fair auszugleichen.

Die EVP-Fraktion tritt in diesem Zusammenhang für einen ausgewogenen Ansatz ein. Wir sind der Überzeugung, dass die Interessen sowohl der Urheber als auch der Verbraucher nur geschützt werden können, wenn die Tragfähigkeit und die Vielfalt der europäischen Kreativ- und Kulturwirtschaft erhalten wird.

Am 20. Juni 2018 wurde über die Urheberrechtslinie im Rechtsausschuss des Europäischen Parlamentes abgestimmt, am 4. Juli wird im Plenum darüber entschieden. Es wurde ein Kompromiss gefunden, der dem Wohle aller beitragen soll. Ich möchte daher nochmals betonen, dass es dabei in keiner Weise um Zensur, einen Internetfilter oder eine Link-Steuer geht, wie das von manchen fälschlicher Weise in der Debatte behauptet wird. Es geht lediglich darum, dass urheberrechtlich geschützte Inhalte nicht illegal und ohne Genehmigung der Rechteinhaber genützt werden. Denn sonst machen Online-Plattformen das große Geschäft und die Urheber der Werke gehen leer aus. Daher geben wir den Online-Plattformen mehr Verantwortung dabei, zu erkennen, ob es sich bei bestimmten Inhalten um urheberrechtlich geschützte Werke handelt. Eine entsprechende Erkennungssoftware wird zum Beispiel von Youtube seit rund zehn Jahren auf freiwilliger Basis eingesetzt. Nun muss in Verhandlungen mit den nationalen Regierungen eine Einigung über den endgültigen Text der Richtlinie erreicht werden. Bei gutem Willen könnte das noch vor der Europawahl Ende Mai 2019 geschafft werden.

Nun zu den Details der Position des JURI-Ausschusses:

Der Schutz der Rechte an geistigem Eigentum und die Förderung eines breiteren Zugangs zu Werken sind die Säulen der wirtschaftlichen Nutzung des Internets und Grundlagen der digitalen Wirtschaft der EU. Doch gerade dort sind immer mehr urheberrechtlich geschützte Werke illegal und ohne Genehmigung der Rechteinhaber erhältlich. Das ist ein Problem. Wenn mit der Schaffung von Werken keine Einnahmen mehr erzielt werden, ist die Schaffung neuer Werke nicht mehr zu finanzieren. Deshalb müssen die berechtigten Interessen der Rechteinhaber geschützt werden.
Außerdem kann die kulturelle Vielfalt in Europa nur erhalten werden, wenn für ein hohes Maß an urheberrechtlichem Schutz gesorgt wird, indem Autoren und andere Inhaber von Urheberrechten angemessen vergütet und Investitionen in die Kreativ- und Kulturwirtschaft gefördert werden.
Die EVP setzt sich deshalb dafür ein, den Zugang zu Diensten und Inhalten zu fördern. Gleichzeitig sollen aber auch genügend Einnahmen für Kulturschaffende und Kreative erzielt werden, damit die kulturelle Vielfalt und das kulturelle Erbe Europas gefördert werden können.
Das heißt natürlich nicht, dass nun alles, was Sie ins Internet stellen, gefiltert oder gesperrt wird. Doch muss die Verantwortung der Online-Plattformen neu definiert werden. Online-Plattform-Dienstleister, die es Benutzern ermöglichen urheberrechtlich geschützte Inhalte hochzuladen, müssen auch ihre Verantwortung für den Schutz der Autorenrechte tragen.

Diese Anbieter erzielen also hohe Gewinne durch die Vermarktung von Inhalten, deren Rechte sie nicht besitzen. Gerade sie sollen nun ihr Maß an Sorgfaltspflichten über die hochgeladenen Werke klar erfüllen. Hier muss es zu einem fairen Ausgleich zwischen den Interessen der Rechteinhaber und denen, die wirtschaftlichen Gewinn aus urheberrechtlich geschützten Inhalten generieren, kommen. Dies geschieht zum Beispiel, indem Plattformen Lizenzvereinbarungen mit den Urhebern oder Rechteinhabern treffen.

Das Problem in der Wertschöpfungskette zwischen Online-Plattformen als Verbreiter und Urhebern und Künstlern als Schöpfer der Inhalte lässt sich gut anhand des Beispiels des Musikmarkts erläutern:

Heutzutage wird mehr Musik gehört als jemals zuvor. Allerdings bieten einige Internet-Provider Musik zum Abruf an, ohne Lizenzen für die Musiknutzung zu zahlen. Obwohl die Online-Plattformen eine aktive Rolle bei der Verbreitung und Verwertung von urheberrechtlich geschützten Inhalten wie zum Beispiel Musikstücken spielen, berufen sich die Plattformbetreiber darauf, selbst keine urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung vorzunehmen bzw. unter das Haftungsprivileg für Host-Provider zu fallen. So wird eine Lizenzierung der Inhalte entweder gänzlich verweigert oder die Plattformbetreiber bezahlen lediglich Vergütungen „auf freiwilliger Basis“.

Aufgrund dessen kommt es zum sogenannten „Value Gap”, d.h. trotz steigender Nutzungszahlen kommt dieser Erfolg nicht bei denjenigen an, die die Musik komponieren, die Texte schreiben oder als Label die Künstler bei der Herstellung und Vermarktung unterstützen. So wird das mithilfe der Musik erwirtschaftete Geld nicht entlang der Wertschöpfungskette mit allen Beteiligten fair geteilt. Gleichzeitig herrschen keine gleichen Wettbewerbsbedingungen. So konkurrieren Streamingdienste wie Spotify und Deezer, die Musik voll lizenzieren, mit Diensten wie YouTube, dem inzwischen größten Musikdienst der Welt, die nicht oder nur in geringem Maße lizensieren.

Artikel 13 der Urheberrechtsreform in Verbindung mit Erwägungsgrund 38 adressiert diesen „Value Gap“. In den Verhandlungen unterstützt die EVP-Fraktion diesen Artikel, um so faire Wettbewerbsbedingungen und Transparenz auch online wiederherzustellen, sodass auch kleinere und mittlere Musikunternehmen und Künstler von den erwirtschafteten Umsätzen profitieren und angemessen daran beteiligt werden.
In diesem Zusammenhang wird auch eine Verpflichtung der Anbieter zur Entwicklung sogenannter „Upload-Filter“ diskutiert. Der Kommission zur Folge soll so den Rechteinhabern eine größere Kontrolle über die Verbreitung und Vermarktung ihrer Inhalte verschafft werden. Aus ihrer Folgenabschätzung geht hervor, dass dadurch eben nicht marktführende Internetfirmen bevorteilt werden, wie Sie sich sorgen. Stattdessen stehen die Kunst- und Kulturschaffenden bzw. Vertriebsfirmen als Rechtsinhaber im Vordergrund.

„Die bevorzugte Option im Bereich Lizensierung von Videoabrufrechten würde dazu beitragen, vertragliche Hindernisse zu beseitigen und damit die Verfügbarkeit europäischer audiovisueller Werke auf Plattformen für Videoabruf zu stärken.“

Einige Bürger sorgen sich um die Folgen für europäische KMUs. Das ist verständlich, scheint aber aufgrund der Folgenabschätzung der Kommission unbegründet. Ob das Europäische Parlament das Modell des Filters präferiert, ist zur Zeit noch fraglich. Hier ist etwa noch unklar, wie eine technische Umsetzung aussehen könnte.

Doch es gibt auch andere Möglichkeiten, den Schutz des Urheberrechts zu stärken. Firmen wie Google und Facebook etwa arbeiten mit Tools, in denen Künstler und Autoren der Veröffentlichung ihrer Werke zustimmen können. Dafür erhalten sie dann eine entsprechende Vergütung. Sie sehen also, es werden verschiedene Optionen diskutiert.

Seien Sie versichert, dass niemand eine Zensur oder die Einschränkung der Nachrichtenverbreitung im Internet befürwortet. Das betrifft natürlich auch Presseerzeugnisse. Für die Nutzung dieser urheberrechtlich relevanten Inhalte sollte eine Lizenz erworben werden, um den Qualitätsjournalismus in Europa zu erhalten.

Derzeit greifen digitale Plattformen wie Google und Facebook die Werbung der Verlage ab, wenn sie deren Artikel auf ihre Seiten heben. Bis zu 80 Prozent der durch die Verlage generierten Werbung nehmen sie einfach mit. Das führt zu einer wirtschaftlichen Schieflage. Die Verlage büßen stetig Umsätze ein. Dies ist ein Hauptgrund für das derzeitige Zeitungssterben, bei dem viel an Meinungs- und Deutungsvielfalt verloren geht.
Mit der Urheberrechtsrichtlinie soll in keinem Fall die Möglichkeit beschränkt werden, sich über verschiedene Nachrichtenquellen zu informieren - es bedeutet nur, dass Online-Plattformen für die Nutzung von Presseerzeugnissen eine Lizenzgebühr bezahlen sollten, wie auch sie als Zeitungsleser am Kiosk für ihr Presseerzeugnis, in dem Fall ihre Zeitung, bezahlen. Auf diese Weise soll die Nachrichtenverbreitung und der Qualitätsjournalismus gestärkt werden. Denn: eine vielfältige Presselandschaft stellt ein hohes gesellschaftliches Gut dar.

Wir als EVP-Fraktion versuchen, die Interessen sowohl der Urheber als auch der Verbraucher zu schützen, in dem die Tragfähigkeit und die Vielfalt der europäischen Kreativ- und Kulturwirtschaft erhalten werden.

Mehr Informationen der EVP-Fraktion zu diesem Thema finden Sie unter den folgenden Links:

• Grundsatzlinie Urheberrecht EVP-Fraktion:
http://www.eppgroup.eu/de/news/Copyright-Directive:-EPP-Group-general-line

• Positionspapier Urheberrecht EVP-Fraktion:
http://www.eppgroup.eu/system/files_force/publications/2015/12/EPPCEP.pdf

• CDU/CSU-Stellungnahme Sabine Verheyen MdEP und Axel Voss MdEP:
http://www.cducsu.eu/stellungnahme-der-evp-fraktion-zum-urheberrecht-faire-verguetung-fuer-kreativitaet/

• Zusammenfassung der Folgenabschätzung zur Modernisierung des EU-Urheberrechts von der EU-Kommission:
http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52016SC0302&from=EN

• Pressemitteilung der EVP-Fraktion vom 20.06.2018:
http://www.eppgroup.eu/de/press-release/We-endorse-copyright-reform-that-protects-press-freedom

Mit freundlichen Grüßen,

Norbert Lins

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