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Norbert Brackmann
CDU
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Frage von Christine D. •

Frage an Norbert Brackmann von Christine D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Brackmann,

hat Deutschland seine Rechtsstaatlichkeit verloren?
Während der Griechenlandkrise und auch jetzt in der besonderen Situation mit mehr als einer Millionen Flüchtlingen im Land brachen und brechen die Regierung und auch der Bundestag die deutschen Gesetze und fegen geltende Verträge von Tisch.
Wenn aber die Rechtsstaatlichkeit fehlt oder nur noch nach Bedarf darauf zurückgegriffen wird, weil sie den "gewählten Herrschenden" kaum noch wichtig erscheint, welche Zukunft hat Deutschland als Gemeinwesen dann noch? Gesetze nur noch dann, wenn sie uns passen, Recht nur dann, wenn es gerade nützt?
In einer krisenreichen Situation, von der Finanz-, Staaatsschulden-, Russland- und Flüchtingskrise bis hin zur Terrorgefahr und dem Erstarken der extremen politischen Kräfte, wie sollen Deutschland oder Europa dann Bestand haben, wenn Recht und Rechtsstaatlichkeit beliebig geworden sind? Wie sehen Sie das als Jurist und Bundestagsabgeordneter, der mit seinen Voten dieser Beliebigkeit Vorschub geleistet hat?

Mit freundlichem Gruß
Christine Diegmann

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Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau Diegmann,

vielen Dank für Ihre Fragen zur Rechtsstaatlichkeit.

Einen Bruch deutscher Gesetze kann ich im Rahmen der Flüchtlingskrise nicht erkennen. Deutschland hat im Sommer 2015 in erheblichem Umfang das Selbsteintrittsrecht zur Prüfung von Asylanträgen wahrgenommen, anstatt die Prüfung des zuständigen Mitgliedsstaates vorzunehmen. Das Selbsteintrittsrecht ist in der Dublin-III-Verordnung vorgesehen und somit geltendes europäisches Recht.

Grundsätzlich müssten nach der Dublin-Verordnung die europäischen Staaten, in denen der Flüchtling seinen Asylantrag stellt, prüfen, ob er selbst bzw. ein anderer Staat für die Asylprüfung zuständig ist. Falls keine deutsche Zuständigkeit besteht, würde das Asylverfahren an den jeweils zuständigen Staat abgegeben.

Die rechtlichen Voraussetzungen sind bei der derzeitigen humanitären Notlage der Flüchtlinge nicht ohne weiteres einzuhalten. Die meisten Menschen fliehen über Griechenland. Dort bestehen zum einen schon seit Jahren Aufnahmemängel, die eine menschenrechtliche Behandlung nicht immer gewährleisten. Und zum anderen wäre Griechenland mit einer derart hohen Zahl von Flüchtlingen heillos überfordert.

Es liegt im politischen Gestaltungsspielraum, zunächst die Priorität auf eine europäische Lösung zu setzen. Die Sicherung der Außengrenzen – insbesondere die Unterstützung Griechenlands – das Verteilen der Lasten innerhalb der europäischen Union sowie das Leisten von Hilfe für die Menschen vor Ort sind sinnvollere Maßnahmen, als der Ruf nach Abschottung an den europäischen Binnengrenzen.

Eine Verpflichtung des Bundes zur Aufnahme wirksamer Kontrollen der Bundesgrenzen aus verfassungsrechtlichen Gründen, wenn das gemeinsame europäische Grenzsicherungs- und Einwanderungssystem vorübergehend oder dauerhaft gestört ist, besteht meines Erachtens nicht. Denn aus meiner Sicht ist die „Staatlichkeit“ durch den Flüchtlingszustrom nicht gefährdet. Die Registrierung der Flüchtlinge funktioniert mittlerweile. Und auch die Sicherheit und Ordnung ist durch den Flüchtlingszustrom nicht in Gefahr.

Das deutsche Recht und vor allem das deutsche Grundgesetz ist ein hohes Gut, dass es zu achten und zu wahren gilt. Wesentlicher Teil ist der Grundsatz der Gewaltenteilung. Sofern die Gesetzgebung der Bundesregierung den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügt, besteht die Möglichkeit der Klage vor dem Bundesverfassungsgericht.

Dies gilt auch für die finanzielle Hilfe für Griechenland. Im Jahr 2011 hat das Bundesverfassungsgericht die Griechenlandhilfe als rechtmäßig erachtet. Es wurden Voraussetzungen für derartige Maßnahmen definiert. Hierzu gehören zum Beispiel die Beteiligung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages und die Möglichkeit zur Kontrolle und zum Ausstieg aus den Hilfspaketen. Diese Voraussetzungen wurden bei den Verhandlungen zum Griechenlandpaket im vergangenen Jahr eingehalten. Demnach lag auch hier kein Rechtsbruch vor.

Selbstverständlich müssen die Flüchtlingsströme in Zukunft in geordneten Bahnen verlaufen und die Zahl der Flüchtlinge wesentlich begrenzt werden. Ich denke jedoch, dass der europäische Ansatz richtig ist. Nationale Lösungen würden zu wesentlich höheren volkswirtschaftlichen Schäden führen, als die Verteilung der Last auf alle Schultern.

Mit freundlichen Grüßen

Norbert Brackmann