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Niema Movassat
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Frage von Alexander G. •

Frage an Niema Movassat von Alexander G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Movassat,

Zu Beginn möchte ich Ihnen meine Hochachtung und Lob aussprechen, insbesondere für ihr klar positioniertes und argumentiertes Nein zum Patriot-Einsatz in der Türkei.

Inwieweit können sie als Abgeordneter im Bundestag die zahlenmäßigen Verhältnisse zwischen gewählten Volksvertretern und den Lobbyisten unter den Fraktionen einschätzen und denken sie nicht, dass Lobbyismus in Volksvertretungen zu einer Aushebelung des demokratischen Grundprinzips einer Vertretung der breiten Gesellschaft darstellt und somit in keinem Falle im Sinne des Grundgesetzes sei?

Denn, wenn Demokratie doch das Prinzip der gewählten Volksvertreter, die im Sinne und zum Wohl der breiten Gesellschaft handeln sollen, beinhaltet, ist dies doch nicht vereinbar mit der Aufgabe eines Lobbyisten Wirtschafts-/Unternehmensinteressen in Parlamenten bzw. Politik durchzusetzen und jeglichen möglichen Schaden für sein zu vertretenden Unternehmen zu verhindern; auch auf Kosten der Bevölkerung.

Wie stehen sie dazu und was würden sie vorschlagen um solche Vorgänge in Zukunft eventuell unterbinden zu können?

Mit freundlichen Grüßen

Alexander Gutmann

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Antwort von
DIE LINKE

Lieber Herr Gutmann,

zuerst einmal: Danke für die freundlichen Worte zu meiner Positionierung bzgl. des Patriot Einsatzes in der Türkei.

Nun zu ihren Fragen:
Die genaue Anzahl der rund um den Bundestag tätigen Lobbyisten kann ich Ihnen nicht nennen - Schätzungen sprechen von etwa 5000. Dies ist das erste Problem in diesem Bereich: Dass es keine klar erfassbaren Zahlen gibt, dass es an Transparenz mangelt.

Es gibt viele verschiedene Facetten des Lobbyismus. Lobbygruppen geht es um Interessenvertretung. Und das wiederrum ist - der reinen Theorie nach - in einer Demokratie nicht zu beanstanden, sondern legitim. Auch Nichtregierungsorganisationen wie etwa lobbycontrol ( http://www.lobbycontrol.de ), die sich sehr kritisch (und gut, wie ich finde) mit dem Thema auseinandersetzen, bezeichnen sich selbst als Lobbygruppe.

Der Begriff „Lobbyist“ ist auch für mich mittlerweile vor allem negativ besetzt. Es sind ja nicht die kleinen Lobbygruppen, die Einfluss haben, sondern die großen: Die Rüstungslobby, die Pharmalobby, die Großunternehmerlobby, die Bankenlobby usw. Diese haben die Geld- und Druckmittel gegenüber der Politik, um ihre Ziele durchzusetzen. Es zählen dann eben nicht gute Argumente, sondern wer welcher Partei wie viel spendet, wer welchem Politiker einen lukrativen Job anbietet, wer die Möglichkeit hat, mit Geld eine öffentliche Kampagne zu organisieren usw.
Das Problem ist zudem, dass die Verbindungen zwischen der herrschenden Politik und der Wirtschaft in Deutschland viel zu eng sind. Viele PolitikerInnen der anderen Parteien haben sich schon so weit vom „einfachen Bürger“ entfernt, dass die schicke Welt der Vorstandsetagen Ihnen einfach näher ist, als die Alltagsrealität und die Interessen der „gewöhnlichen“ Bevölkerung in Deutschland. Nur so kann ich mir erklären, dass PolitikerInnen, die zum Wohle aller Menschen handeln sollen, so unbeirrt den gesamtgesellschaftlichen Reichtum immer weiter von unten nach oben umverteilen.

Ich finde, es sagt viel über die Grünen, die FDP, SPD und die Union aus, dass ihr ehemaliges Spitzenpersonal so völlig schamlos direkt nach ihren politischen Mandaten in lukrative Spitzenjobs in der Wirtschaft wechselt: Schröder zu Gazprom, Fischer zu BMW und anderen, Steinbrück zu Thyssen-Krupp...und wieder zurück! Die Liste ließe sich sehr viel weiter führen. Ich bin für eine strikte Trennung von politischen Ämtern und Tätigkeiten in der Wirtschaft. Es darf noch nicht einmal der Eindruck entstehen, dass politische Entscheidungen durch die Perspektive auf Spitzenjobs nach dem Mandat käuflich sind. Bei den genannten Fällen habe ich aber leider genau diesen Eindruck - und viele Menschen in Deutschland eben auch. Das diskreditiert die Politik insgesamt.

Die Fraktion DIE LINKE fordert schon seit langem klare Richtlinien für Lobbyisten:

• Lobbyregister beim Deutschen Bundestag und den Ministerien, um Transparenz zu schaffen
• Karenzzeiten für ausscheidende PolitikerInnen
• Verbot von so genannten „Leihbeamten“ in Ministerien
• Umfassende Offenlegung der Nebentätigkeiten von Abgeordneten
• Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung an internationales Niveau angleichen
• Verbot von Unternehmensspenden an Parteien
• Verbot des Sponsoring von Veranstaltungen von Parteien und Ministerien.

Weitere Details zum Thema finden Sie auch unter: http://linksfraktion.de/themen/lobbyismus/

Mit freundlichen Grüßen
Niema Movassat