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Niels Annen
SPD
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Frage von Karsten B. •

Frage an Niels Annen von Karsten B. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Annen,

weshalb besteht eigentlich so ein krasses Missverhältniss zwischen Renten und Beamtenpensionen? Während ein Beamter ca. 71% seines letzten Nettogehaltes als Rente bekommt erhält ein Rentner nur ca. 43% seines durchschnittlichen Nettogehaltes. Weiterhin erhält ein Beamter bereits nach 5 Jahren die Mindestpension in Höhe von ca. € 1575,--. Die Durchschnittsrente nach 45 Berufsjahren erreicht diese Höhe aber nicht.

Meine Quellen sind Zeit Online und die Sendung Plus Minus in der ARD aus der vergangenen Woche.

Ist dieses Missverhältnis überhaupt Verfassungskonform? Es widerspricht jedenfalls dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes.

Ich erbitte Ihre Stellungnahme.

Mit freundlichen Grüßen

Karsten Burmester

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Burmester,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Das Grundsatzprogramm der SPD fordert, die gesetzliche Rentenversicherung langfristig auf alle Erwerbstätigen auszudehnen, also auch Beamte einzubeziehen. Kurzfristig kann dieses Ziel jedoch nicht verwirklicht werden, weil wesentliche Elemente der Beamtenversorgung durch Artikel 33 des Grundgesetzes geschützt sind. Außerdem kann der Bund seit der sog. Föderalismusreform 2006 nur noch die Versorgung der Bundesbeamten (und Berufssoldaten) regeln. Für die weitaus größere Zahl der Landesbeamten sind die jeweiligen Länder zuständig. Die zunächst erforderlichen Änderungen des Grundgesetzes bedürfen einer Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat, die auf absehbare Zeit nicht zu erwarten ist.

Das Grundsatzprogramm der SPD geht außerdem davon aus, dass die gesetzliche Renten-versicherung durch Betriebsrenten und öffentlich geförderte private Vorsorge ergänzt wird. In der Privatwirtschaft verfügen bereits 84 Prozent der Arbeitnehmer in Betrieben mit mehr als 1.000 Beschäftigten über eine zusätzliche Betriebsversorgung.

Auch die Beamtenversorgung kann nicht allein durch die Rentenversicherung ersetzt werden. Vielmehr muss die Beamtenschaft dann, wie jetzt schon die Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes, ergänzend bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder versichert werden. Da die Beamtenversorgung beitragsfrei ist, muss bei ihrer Ablösung durch Renten-versicherung und Betriebsversorgung damit gerechnet werden, dass die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes eine Erhöhung der Bruttobezüge fordern, um die Beitragsbelastung auszugleichen. Außerdem werden bestehende Beamtenverhältnisse bzw. erworbene Versorgungsanwartschaften weitgehend unberührt bleiben müssen.

Da die Betriebsrenten sehr unterschiedlich bemessen werden, erhalten Arbeitnehmer Altersbezüge zwangsläufig nicht nach gleichen Maßstäben. Daran wird sich auch nichts ändern, wenn die Beamtenschaft in die Rentenversicherung einbezogen wird. Zudem unterscheiden sich in der Deutschen Rentenversicherung selbst Beitragssätze und -bemessungsgrenzen zwischen der allgemeinen und der knappschaftlichen Rentenversicherung.

Auch wenn ein grundlegender Wechsel im System der Beamtenversorgung einstweilen nicht stattfinden kann, können Änderungen des Rentenrechts trotzdem wirkungsgleich auf die Beamtenversorgung übertragen werden, wie es schon in der Vergangenheit geschah.

Die Regelaltersgrenze steigt seit 2012 auch für Bundesbeamte von 65 auf 67 Jahre gleitend an. Ebenso wurde die weitgehend eingeschränkte Berücksichtigung von Ausbildungszeiten durch einen entsprechenden Abzug wirkungsgleich auf die Bundesbeamtenversorgung über-tragen.

Mit dem Versorgungsänderungsgesetz 2001 wurde der sog. Riester-Faktor, der die Renten-steigerungen vorübergehend verminderte, in die damals noch bundeseinheitliche Beamten-versorgung übernommen. Damit sank das Niveau der Bundesbeamtenversorgung bis Anfang 2011 um insgesamt 4,33 Prozent. Seitdem werden die Tarifabschlüsse für den Bund (Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst - TVöD), wie schon von 1999 bis 2002, wieder jeweils um 0,2 Prozent gekürzt auf die Bundesbeamtenbesoldung und damit automatisch auf die -versorgung übertragen. Dadurch ist bis Ende 2016 die Bemessungsgrundlage der Versorgung um 2,0 Prozent weniger gestiegen als die Tarifgehälter des Bundes. Die Kürzungen werden nunmehr im zweijährigen Turnus bis 2024 fortgesetzt, womit diese Maßnahme eine weitere Versorgungskürzung von insgesamt 2,8 Prozent ergibt.

Geplant war auch eine zusätzliche Kürzung der Beamtenversorgung wegen des in der Rentenversicherung ab 2005 eingeführten Nachhaltigkeitsfaktors. Der Entwurf des von uns ein-gebrachten Versorgungsnachhaltigkeitsgesetzes ist jedoch durch das vorzeitige Ende der Wahlperiode im Sommer 2005 gescheitert. Danach stellte sich heraus, dass der Nachhaltigkeitsfaktor in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht die zunächst erwartete niveausenkende Wirkung hatte. Wir hatten deshalb 2009 mit dem Dienstrechtsneuordnungsgesetz fest-gelegt, dass die Bundesregierung zum Stichtag 31. Dezember 2011 unter Berücksichtigung der allgemeinen Entwicklung der Versorgungssysteme prüft, ob die bisherigen und künftigen Einschnitte in der Beamtenversorgung des Bundes ausreichen. Das war nach dem Prüfbericht der Bundesregierung vom 19. Juli 2012 der Fall. Zwar hat der Nachhaltigkeitsfaktor auch in der Folgezeit unterschiedlich gewirkt, jedoch ist dadurch das Rentenniveau bis einschließlich 2016 in der Summe nicht gesunken.

Über längere Zeiträume haben sich Rente und Beamtenversorgung bisher durchaus ähnlich entwickelt. Die jährlichen Veränderungen weichen aber wegen der Besonderheiten der unter-schiedlichen Versorgungssysteme immer wieder voneinander ab. So stieg die Rente 2007, 2009, 2011 und 2016 stärker als die Bundesbeamtenversorgung. 2008, 2010, 2012 und 2014 verhielt es sich umgekehrt. In 2013 und 2015 erhöhte sich die Bundesbeamtenversorgung in den alten Ländern stärker und in den neuen Ländern schwächer als die Rente. Bei der Rentenerhöhung 2014 wirkten sich in den alten Ländern letztmalig früher unterbliebene Kürzungen aus. Sonst errechnet sich die Rentenerhöhung allein aus der Veränderung der Bruttolöhne, des Beitragssatzes und des sog. Nachhaltigkeitsfaktors. Von der Beamtenversorgung des Bundes zu unterscheiden ist noch die zahlenmäßig bedeutendere der einzelnen Ländern. Deren Besoldungs- und Versorgungserhöhungen orientieren sich zwar überwiegend am Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L), fallen aber aktuell unterschiedlich aus.

Im Übrigen hat der Bund zum 1. Januar 2007 einen Versorgungsfonds errichtet, mit dem die Versorgungslasten für neu eingestellte Beamte gedeckt werden. Damit wird der Haushalt der Bundesbehörden nicht erst in der Zukunft, sondern zeitnah mit den Versorgungskosten belastet, womit der bisherige Anreiz entfällt, wegen des scheinbaren Kostenvorteils eher Beamte als Tarifbeschäftigte einzustellen.

Der in diesem Zusammenhang bisweilen vorgenommene Vergleich der durchschnittlichen Höhe von Renten und Pensionen geht aus mehreren Gründen methodisch fehl:

• Bei der Beamtenversorgung handelt es sich um eine sog. Vollversorgung, die nicht nur die gesetzliche Rente, sondern auch die Betriebsrente ersetzt.

• Die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung bewirkt, dass dar-über liegende Einkommensanteile bei der gesetzlichen Rente unberücksichtigt bleiben. Gleichwohl werden sie in der Regel versorgungswirksam. Gerade bei denjenigen Ange-stellten in der Privatwirtschaft, deren Gehälter die Beitragsbemessungsgrenze überschrei-ten, sind Pensionszusagen der Arbeitgeber üblich. Oder die Gehälter werden so bemessen, dass die Angestellten selbst eine zusätzliche Altersversorgung sicherstellen können.

• Es gibt in der heutigen Rentnergeneration zahlreiche Klein- und Kleinstrenten bei Personen, die nur kurzzeitig (versicherungspflichtig) gearbeitet haben und danach beispielsweise Hausfrau wurden oder als Selbstständige nicht mehr der Versicherungspflicht unterlagen. Beamte schieden in derartigen Fällen aus dem Beamtenverhältnis aus und wurden in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert, weshalb es Klein- und Kleinstpensionen zwangsläufig nicht gibt, sondern diese auch noch in Form von Renten anfallen. Gleiches gilt für Zeitsoldaten, die stets in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert wer-den.

• Mehr als drei Viertel der Gruppe der Beamten und Berufssoldaten gehören zu den Besoldungsgruppen des gehobenen und höheren Dienstes, nur knapp ein Viertel gehört zu denen des einfachen und mittleren Dienstes (Stand 2014). Auch dadurch erhöht sich zwangsläufig die durchschnittliche Höhe der Beamtenversorgung.

Mit freundlichen Grüßen

Niels Annen

Anmerkung der Redaktion

Aufgrund technischer Probleme konnten auf abgeordnetenwatch.de zwischen dem 13.07.2017 - 19.07.2017 leider keine Antworten eingestellt werden. Wir möchten Sie bitten, die Umstände zu entschuldigen

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