Nicole Gohlke
Nicole Gohlke
DIE LINKE
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Frage von Alexander S. •

Frage an Nicole Gohlke von Alexander S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Gohlke,

wie Ihnen bekannt sein müsste, hat das Bundesverfassungsgericht das bestehende Wahlrecht
für verfassungswidrig erklärt und die Politik bis zum 1. Juli 2011 aufgefordert, das Wahlrecht in einem verfassungskonformen Zustand zu ändern. Die Politik ist bis dem nicht nachgekommen, was beschämend ist. Gibt es im Bundestag im Moment Initiativen, hier etwas zu bewegen? Falls nein, bitte ich Sie, dieses Thema unbedingt aufzugreifen. Was wäre eigentlich, wenn es bis zur nächsten Bundestagswahl kein verfassungskonformes Wahlrecht gäbe? Meiner Ansicht besteht dann die Gefahr, dass gegen das Wahlergebnis geklagt werden kann und die Wahl für schlichtweg ungültig erklärt wird. Wo kommen wir dann hin? Das Ende der Demokratie?

Ein weiteres Anliegen:

Art 146 GG:

"Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist."

Wann wird es dem deutschen Volk eigentlich gestattet, über die Verfassung in einer freien Abstimmung zu entscheiden? Dieser Schritt ist seit nun mehr 21 Jahren überfällig.
Ich bitte Sie, diese Thematik im Bundestag zur Sprache bringen.
Die meisten Bürger wünschen sich eine Verfassung, die eindeutig die Bürgerrechte stärkt und
die über jegliche vermeintliche Terrorgefahren erhaben sind.

Zur Eurorettung:

Ich weise Sie darauf hin, dass die Maßnahmen, die zur Eurorettung schlichtweg rechtswidrig sind.
Es ist nicht mehr hinnehmbar, dass Banken auf Kosten des Steuerzahlers gerettet werden.
Der Beitrag der Banken ist nicht ausreichend. Ich bitte außerdem, langfristige Lösungen zur Finanzkrise zu erarbeiten. Die Frage stellt sich, wann Griechenland oder andere Länder die nächsten Gelder brauchen. Diese Durchwurschtel-Pragmatismus muss ein Ende gesetzt werden.

Mit freundlichen Grüßen

Alexander Schönl

Nicole Gohlke
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Schönl,

vielen Dank für Ihre Fragen vom 24. Juli zur Bankenrettung, zu Bürgerrechten und Volksabstimmungen und zum Wahlrecht.

Ich stimme Ihnen zu, dass die Rettung der Banken auf Kosten der Allgemeinheit nicht hinnehmbar ist. Ich teile ausdrücklich Ihre Einschätzung, dass die Maßnahmen zur Euro-Rettung genau darauf hinauslaufen. Gleichzeitig werden sie als Machtmittel benutzt, um in den betroffenen Ländern eine brutale Politik der Lohndrückerei, des Sozialabbaus und der Privatisierung öffentlichen Eigentums durchzusetzen. Damit wird eine neue Runde des Sozialdumpings eingeleitet, die mittelfristig auch die Sozialleistungen und Löhne in Deutschland bedroht.

Sie drängen in Ihrer Frage zu Recht auf eine langfristige Lösung der Finanzkrise. Meine Fraktion fordert in diesem Zusammenhang eine Finanzierung der Staaten ohne teuren Umweg über Privatbanken und Finanzinvestoren. Es ist nicht rational, dass die Zentralbank Privatbanken Kredit zu einem Zinssatz von 1,5 Prozent gewährt, der dann von diesen zu Wucherzinsen an die Staaten weitergereicht wird. Damit ist jedoch nur eine kurzfristige Lösung beschrieben. Sehr zügig müssen die öffentlichen Defizite beseitigt werden, indem endlich wieder Unternehmensgewinne, große Einkommen und Vermögen angemessen besteuert werden.

Den Forderungskatalog der LINKSFRAKTION zur Krisenbewältigung finden Sie hier: http://www.linksfraktion.de/positionspapiere/wege-krise-forderungskatalog/ , ein ausführliches Positionspapier dazu finden Sie hier: http://dokumente.linksfraktion.de/download/20110610-pos-wege-aus-der-krise.pdf .

In Ihrer zweiten Frage machen Sie auf Artikel 146 Grundgesetz aufmerksam, der die Möglichkeit vorsieht, dass das Volk in freier Entscheidung eine Verfassung beschließt. Man könnte meinen, dies sei das Selbstverständlichste der Welt. Dennoch haben sich 1990 die Regierungen Kohl und de Maizière darüber hinweggesetzt, unter anderem um zu verhindern, dass die konkrete Möglichkeit von Volksabstimmungen in die Verfassung aufgenommen wird. Im Jahr 2005 setzte sich die Regierung Schröder-Fischer im Zusammenhang mit dem Europäischen Verfassungsentwurf ebenfalls über diese Selbstverständlichkeit hinweg. Die Quellparteien der LINKEN, WASG und PDS, forderten schon damals eine Volksabstimmung über die Europäische Verfassung, zumal der Entwurf aus vielen Gründen abzulehnen war. Er schrieb beispielsweise freie Märkte, Aufrüstung und die koordinierte Abwehr von Flüchtlingen fest. Inzwischen haben die europäischen Regierungen sich über die Ablehnung des EU-Verfassungsentwurfes in Frankreich und den Niederlanden hinweggesetzt und die geplanten Regelungen im wesentlichen in Form des Lissaboner Vertrages beschlossen. Die Institutionen der EU führen vielfach dazu, wichtige Fragen der demokratischen Entscheidungsfindung zu entziehen. Wichtige Sozialstandards werden den Freiheiten des Kapitals ausdrücklich untergeordnet. DIE LINKE fordert deshalb einen Neustart der Europäischen Union. Sie will die Ausarbeitung einer neuen europäischen Verfassung unter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger der Mitgliedstaaten mit anschließender Volksabstimmung.

Schließlich machen Sie zu Recht darauf aufmerksam, dass es derzeit kein verfassungskonformes Wahlrecht gibt. Die Initiative der LINKSFRAKTION zu diesem Thema finden sie hier: http://dokumente.linksfraktion.de/drucksachen/22323_1705896.pdf . Mir ist in diesem Zusammenhang besonders wichtig, dass alle Menschen, die dauerhaft in Deutschland leben, das Stimmrecht erhalten. Schließlich sind sie von den Entscheidungen gleichermaßen betroffen und sind als gleichberechtigte Mitglieder unseres Gemeinwesens zu verstehen.

Mit freundlichen Grüßen

Nicole Gohlke

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