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Niclas Herbst
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Frage von Peter T. •

Frage an Niclas Herbst von Peter T. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Thema Sanktionen:
In den letzten Monaten wird viel von diversen Sanktionen berichtet.
Die "Beschlagnahme" der Grace 1 in Gibraltar (inzwischen aufgehoben) wegen des angeblichen Verstoßes gegen EU-Sanktionen. Was sind das für Sanktionen und inwiefern können solche Sanktionen auf ein unter panamesischer Flagge vom Iran nach Syrien fahrendes Schiff angewendet werden? Welche Grundlage haben diese Sanktionen im Völkerrecht? Ist das nicht Piraterie? Verstößt das nicht gegen Völkerrecht und die Regeln der freien Schifffahrt?
Mit freundlichen Grüßen
P. T.

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Thompsen,

hiermit danke ich Ihnen für Ihre Anfrage vom 19.08.2019.

Um es kurz zu machen: Der Grund der Beschlagnahmung der Grace 1 war nicht die iranische Herkunft des Schiffes, sondern weil der Verdacht bestand, dass der Tanker Öl nach Syrien zu liefern beabsichtigte. Grundlage waren also die EU-Sanktionen gegen Syrien. Es nicht wirklich auschlaggebend, ob das Schiff in Panama oder bei einer anderen Gerichtsbarkeit registriert war.

Im Einzelnen:

Das Seerecht enthält das Prinzip der "Freiheit der Meere", nach dem es Schiffen erlaubt ist, sich frei auf den Meeren zu bewegen, solange sie internationales Recht einhalten. Die Idee einer Freiheit der Meere entstand bereits Ende des 16. Jahrhunderts in Holland, hauptsächlich durch Werke des niederländischen Philosophen und Juristen Hugo Grotius. Diese Seefahrtsfreiheit ( außerhalb der Hoheitsgewässer eines souveränen Landes) wird auch im Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (UNCLOS) von 1982 betont. Das Vereinigte Königreich hat das UNCLOS ratifiziert, der Iran hat es unterzeichnet, aber nicht ratifiziert. Gibraltar ist ein britisches Überseegebiet, daher gilt dort auch das UNCLOS. Gemäß UNCLOS Teil 3 Artikel 38 gilt das Recht auf ungehinderte Durchreise für Meerengen wie Gibraltar oder Hormus. Das Anhalten, um Vorräte anzunehmen, hätte das Recht des Schiffes auf Durchfahrt eigentlich nicht beeinflussen dürfen. Der Vorfall vom 4. Juli 2019, bei dem der iranische Tanker Grace 1 von den britischen Royal Marines gestoppt und während der Überquerung der Hoheitsgewässer der Straße von Gibraltar beschlagnahmt wurde, hatte seine Grundlage jedoch in den internationalen Sanktionen gegen das Assad-Regime in Syrien. Die Grundlage für die Beschlagnahme des iranischen Tankers war der Verdacht, dass er Rohöl zu einer sanktionierten Raffinerie in Syrien befördern wollte. Die Behörden von Gibraltar äußerten sich wie folgt: "Die Grace 1 wurde letzte Woche in Gibraltar festgenommen als sie britische Territorialgewässer befuhr (...) nachdem sie zuvor die internationalen Gewässer der Straße von Gibraltar verlassen hatte, um Proviant und Ersatzteile zu beschaffen. Die Beschlagnahmung des Schiffes bezieht sich auf den mutmaßlichen Bestimmungsort der Ladung, die Banyas-Raffinerie in Syrien, die einem Unternehmen gehört, der Banyas Oil Refinery Company. Dieses Unternehmen ist Gegenstand von Sanktionen der Europäischen Union gemäß der EU-Verordnung 36/2012. Diese Verordnung ist unmittelbar anwendbar in Gibraltar.“ Weiter erklärte die Regierung von Gibraltar, dass sie die Beschlagnahmung des Tankers verlängern würde, nachdem sie vom Obersten Gerichtshof des britischen Hoheitsgebiets eine entsprechende Anweisung erhalten hatte: „Der Oberste Gerichtshof hat einen Befehl erlassen unter der Annahme, dass die Inhaftierung der Grace 1 erforderlich ist, um die EU-Verordnung 36/2012 über Sanktionen gegen Syrien einzuhalten."

Die EU-Verordnung 36/2012 über Sanktionen gegen Syrien verbietet die Ausfuhr von Ausrüstung und Technologie, aber auch "Erdöl und Erdölprodukte", im Hinblick auf die "fortgesetzte brutale Unterdrückung und Verletzung der Menschenrechte durch die syrische Regierung". Die Anwendung der Sanktionen wird von den EU-Mitgliedstaaten durchgeführt (in diesem speziellen Fall vom Vereinigten Königreich, da Gibraltar ein britisches Überseegebiet ist).

Die Frage, ob der Tanker unter panamaischer Gerichtsbarkeit registriert wurde, ist nicht klar und in diesem Fall nicht so wichtig. Während mehrere „Online-Shipping-Tracker“ behaupten, dass das Schiff unter der Flagge Panamas fährt, erklärte die Panama Maritime Authority (PMA), dass der Eintrag der Grace 1 am 29. Mai gelöscht wurde. "Die PMA ... wurde über die internationale Ausschreibung für das Schiff Grace 1 informiert, dass dieses Schiff möglicherweise an der Finanzierung des Terrorismus teilnimmt oder daran beteiligt ist oder die destabilisierenden Aktivitäten bestimmter Regionen unterstützt, die von terroristischen Gruppen angeführt werden." In Bezug auf den Besitz dieses Tankers berichtete Lloyd's List, dass Grace 1 „eine komplexe Besitzkette“ habe und möglicherweise von der russischen Titan Shipping, einer Tochtergesellschaft der in Dubai ansässigen Reederei TNC Gulf, kontrolliert werde. Mit beiden Unternehmen verbundene Führungskräfte verfügen über iranische Hochschul- und Fachabschlüsse oder führen ihre Namen in Farsi auf.

Mit freundlichen Grüßen
Niclas Herbst, MdEP

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