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Nadja Hirsch
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Frage von Wolfgang A. •

Frage an Nadja Hirsch von Wolfgang A. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Hirsch,

Nach allem, was man der Presse entnehmen kann, scheinen unsere demokratischen Rechte wie Mitbestimmung und Transparenz aufs gröblichste missachtet zu werden (streng geheime Verhandlungen mit 93% Industrievertretern ohne Beteiligung von demokratisch gewählten EU-Abgeordneten und alles mit Maulkorb - im Angesicht von nicht kalkulierbaren schadensersatzklagen und nicht kennzeichnungspflichtigen Hormon- und genbehandelten Nahrungsmitteln USW.) möchte ich von ihnen, im Angesicht der nächsten Wahlen , gerne wissen, ob sie diesem Abkommen eher wohlwollend oder eher ablehnend gegenüber stehen.

Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang albrecht

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Albrecht,

zunächst danke ich Ihnen sehr für Ihre Anfrage. Ich bin froh, dass Sie gerade die Themen Transparenz und Mitbestimmung ansprechen, da diese ohne Zweifel von überragender Bedeutung für die Akzeptanz der Beschlüsse der Europäischen Union sind.

*Mitbestimmung & Transparenz *

Im Rahmen des Freihandelsabkommen zwischen der EU und der USA (TTIP), welches ein Handels- und Investitionsabkommen ist, werden diese Verhandlungen also von der Kommission unter der Leitung des EU-Handelskommissars Karel De Gucht geführt. Sie ist dazu von den Regierungen der EU-Mitgliedstaaten im Juni 2013 beauftragt worden. Entsprechend des AEUV richtet sich die Kommission dabei nach den Leitlinien, die im Rat, in dem die Regierungen aller Mitgliedstaaten vertreten sind, vereinbart werden. Die Abteilung Handel der Kommission nimmt eine führende Rolle ein und arbeitet eng mit anderen Abteilungen zusammen, insbesondere jenen, in deren Zuständigkeit die Themengebiete fallen, die im Mittelpunkt der Verhandlungen stehen (z.B. Maschinenbau, Chemie, Automobil...). Die Kommission ist allerdings verpflichtet, die Mitgliedstaaten im Rat und das Europäische Parlament über die Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten. Die Kommission ist bei dem Verfahren sichtlich um Transparenz bemüht, was auch die eigens dafür kreierte Webseite ( http://ec.europa.eu/trade/policy/in-focus/ttip/ ) zeigt, auf der beispielsweise eine Liste der Verhandlungsführer aufgeführt ist. Die Vereinigten Staaten werden durch den amerikanischen Handelsbeauftragten (USTR) als Hauptverhandlungsführer vertreten.

Trotzdem darf die EU nicht unbedacht an die Verhandlungen herangehen. Gerade weil wir als FDP das Transatlantische Freihandelsabkommen begrüßen, sehe ich den aktuellen Verlauf der Verhandlungen kritisch. Es gibt inzwischen unzählige Gerüchte über negative Konsequenzen, welche nicht entkräftet werden können, da niemand Zugang zu den Textentwürfen hat. Deshalb kritisiere ich diese Art der geheimen Verhandlungsführung hinter verschlossenen Türen scharf. Im Jahr 2014 ist eine solche Vorgehensweise weder zeitgemäß noch akzeptabel. Wir haben bereits bei ACTA erlebt, dass eine solche Geheimhaltung einem Abkommen den Todesstoß versetzen kann. Deshalb fordere ich die Zugänglichmachung der Texte. Es muss Druck auf Brüssel und Washington ausgeübt werden, die Verhandlungen offen und transparent zu führen.

*Veränderung von Standards *

Durch das Freihandelsabkommen werden EU-Rechtsvorschriften weder automatisch außer Kraft gesetzt noch aufgehoben oder geändert. Jede zur Liberalisierung des Handels an einer EU-Rechtsvorschrift vorgenommene Änderung muss im Rat von den Mitgliedstaaten sowie vom Europäischen Parlament gebilligt werden.

Zudem haben sich bereits mehrere europäische Regierungen geäußert, dass das in der EU bzw. in den Mitgliedstaaten erreichte Schutzniveau (z.B. in den Bereichen Investitionen, Sicherheit, Verbraucher- oder auch Umweltschutz) nicht zur Verhandlungssache wird.

Sowohl die EU als auch die USA streben ein hohes Maß an Schutz für die Bürger an, gehen dabei aber unterschiedlich vor. Dennoch sollen die jeweiligen Regelungen unterm Strich kompatibler werden. Dabei ist das Ziel nicht, den kleinsten gemeinsamen Nenner zu identifizieren. Vielmehr geht es darum, unnötige Unterschiede zu ermitteln und ggf. auszuräumen, indem koordinierter vorgegangen wird. Dabei behält sich jede Seite das Recht vor, Umwelt-, Sicherheits- und Gesundheitsangelegenheiten so zu regeln, wie sie es für angebracht hält.

*Zu meiner Position *

Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA birgt ohne Zweifel große Chancen mit enormen Vorteilen für die Allgemeinheit. Ein wichtiges Ziel der Verhandlungen ist es, eine Vielzahl an Barrieren abzubauen. Davon profitieren alle Handelspartner, denn geringere Zölle und weniger Bürokratie vermindern sowohl den Geld- als auch Zeitaufwand.

Dazu kommt, dass ein Freihandelsabkommen nicht nur amerikanischen Investoren erleichtern würde innerhalb der EU zu investieren, sondern eben auch andersherum. Beide Seiten könnten sich eines Investitionsschutzes sicher sein. Es gibt also gemeinsame Interessen am Gelingen dieses Freihandelsabkommens.

Wie die letzten Monate gezeigt haben, gibt es jedoch auch das Feld des Datenschutzes, welches in den Beziehungen mit den USA von großer Bedeutung geworden ist. Der Datenschutz ist seit jeher ein Kernanliegen der FDP, denn dieser berührt sowohl das Recht auf Privatsphäre für den einzelnen Bürger als auch das Recht von Unternehmen ihre Patente zu schützen und keiner Wirtschaftsspionage ausgesetzt zu sein. Ein transatlantisches Freihandelsabkommen ohne ein transatlantisches Datenschutzabkommen macht keinen Sinn.

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Ich hoffe, dass Ihnen meine Ausführungen weiterhelfen

und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Nadja Hirsch