Nadine Schön
Nadine Schön
CDU
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Frage von Klaus B. •

Frage an Nadine Schön von Klaus B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Schön,

Altersarmut, gescheiterte Riesterrente, Niedrigzinsen usw. sind z.Zt. im Fokus.
Dabei gibt es einen Skandal oder besser gesagt, politischen Betrug,
initiiert im Jahre 2004 (GMG) (BGBl. I S. 2190) und (BGBl. I S. 3445)
(Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung )
durch Ihre Kollegin Ulla Schmidt und dem Kollegen Horst Seehofer, der dafür sorgt, dass die politisch gewollte und umworbene private Altersvorsorge von ca. 8 Millionen Betroffene
nachträglich zu einem erbärmlichen Nullsummenspiel wird.
Pacta sunt servanda (Verträge sind einzuhalten) dürfte Ihnen als
Diplom--Juristin ein Begriff sein.
Das Gegenteil ist hier aber der Fall!
Vertrauensschutz?? Bestandsschutz?? Pustekuchen!!
Vertrauensbruch = Betrug, (Ungleichbehandlung gegenüber kapitalgedeckter
Lebensversicherung usw.)
Am 28.04.2016 beschäftigen sich an Ihrem Arbeitsplatz in Berlin die
Kolleginnen und Kollegen mit dieser groben Ungerechtigkeit.
Wie ist Ihre Sicht bez. dieser politischen "Abzocke"

Mit freundlichen Grüßen
Klaus Bergmann

Nadine Schön
Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Bergmann,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Ich kann Ihren Ärger hinsichtlich der gesetzlichen Regelungen zur Direktversicherung persönlich gut verstehen, da Sie, wie viele andere auch, die eine Direktversicherung abgeschlossen haben, zum damaligen Zeitpunkt zu Gunsten Ihrer Altersvorsorge bewusst auf Einkommen verzichtet haben. Den Menschen Planungssicherheit auch in Bezug auf ihre Altersvorsorge zu bieten, halte ich in der Tat für eine wichtige Aufgabe des Staates. Wenn der Gesetzgeber dennoch nachträglich Änderungen der Regulierung vornimmt, kann das zu Irritationen führen. In diesem Fall allerdings kommen verschiedene Gründe zusammen, die eine Änderung der Regeln zur Direktversicherung notwendig gemacht haben.

Grundsätzlich unterliegen die Versorgungsbezüge bereits seit 1983 der Beitragspflicht. Mit dem GKV-Modernisierungsgesetz wurde im Jahr 2003 die bestehende Ungleichbehandlung von freiwillig Versicherten und Pflichtversicherten beendet. Bis dahin wurde auf Betriebsrenten für pflichtversicherte Rentner nur ein halber Beitrag an die Krankenkassen abgeführt, während für Betriebsrenten bei freiwillig versicherten Rentnern der volle Beitrag gezahlt wurde. Seit dem 1. Januar 2004 wird einheitlich der volle Beitragssatz angewendet. Zudem wurde damals eine weitere Ungerechtigkeit beseitigt, indem auf eine einmalige Auszahlung einer Kapitalabfindung ebenso Beiträge zur Krankenversicherung erhoben werden.

Die Tatsache, dass seit 2004 auch die Renten aus Direktversicherungen beitragspflichtig sind, hängt u.a. mit der demographischen Entwicklung zusammen. Da die Menschen gerade wegen der guten Versorgung in unserem Gesundheitswesen immer älter werden, steigen auch die Kosten für die gesetzliche Krankenversicherung. Die Anwendung des vollen allgemeinen Beitragssatzes auf Betriebsrenten und Versorgungsbezüge sowohl für Pflichtversicherte als auch für freiwillig versicherte Rentner ist in den zurückliegenden Verhandlungen zum GKV-Modernisierungsgesetz im Jahr 2003 deshalb damit begründet worden, dass die eigenen Beitragszahlungen der Rentner heute nur noch gut 40 Prozent ihrer Leistungsausgaben in der Krankenversicherung abgedeckt haben. Im Jahr 1973 sind die Leistungsaufwendungen der Krankenkassen für Rentner in den alten Ländern dagegen noch zu rund 72 Prozent durch die für sie gezahlten Beiträge gedeckt worden. Um die Belastung der erwerbstätigen Beitragszahler nicht noch stärker ansteigen zu lassen und die Lohnnebenkosten zu senken, war es aus Sicht der damaligen Bundesregierung daher erforderlich, die Rentner wieder verstärkt an der Finanzierung ihrer Leistungsausgaben zu beteiligen.

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass die genannten Regelungen des § 229 SGB V nicht gegen Artikel 2 Abs. 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen. Somit können Kapitalleistungen aus betrieblichen Direktversicherungen Versorgungsbezügen nach § 229 SGB V gleichgestellt und damit der Beitragspflicht unterworfen werden. Diese Regelung sei mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar, weil der Gesetzgeber berechtigt sei, jüngere Krankenversicherte von der Finanzierung des höheren Aufwands für die Rentner zu entlasten und die Rentner entsprechend ihres Einkommens verstärkt zur Finanzierung heranzuziehen. Der Vertrauensschutz der betroffenen Versicherten würde dabei nicht unzumutbar beeinträchtigt.

Würde man die Rentner nicht stärker beteiligen, so müsste zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung ein noch höherer Solidarbeitrag von den heutigen jungen Beitragszahlern abverlangt werden. Mit Blick auf die Generationengerechtigkeit ist ein noch höherer Solidarbeitrag, wie er bei einer Abschaffung der Beitragspflicht auf Betriebsrenten und Versorgungsbezüge zwangsläufig notwendig wäre, nicht gerechtfertigt. Insbesondere nicht aufgrund der Tatsache, da die älteren Versicherten heute aufgrund des medizinischen Fortschritts eine spürbar bessere und qualifizierte Gesundheitsversorgung als vorangegangene Generationen erhalten.

So sehr ich - wie bereits eingangs erwähnt - Ihren Ärger über diese zusätzliche Belastung aus persönlicher Sicht auch verstehen kann, sehe ich bei meinen Kolleginnen und Kollegen, im Übrigen auch bei unserem Koalitionspartner, aufgrund der beschriebenen Argumente keine politische Mehrheit für eine Änderung der Regelungen zur Direktversicherung.

Mit freundlichen Grüßen

Nadine Schön MdB

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