Portrait von Monika Pieper
Monika Pieper
PIRATEN
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Monika Pieper zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Jim B. •

Frage an Monika Pieper von Jim B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Pieper

wie stehen Sie und die Piratenpartei zum Linkisextremismus?
Warum gibt es keine "Runden Tische gegen Linksextremismus"?

Wie kommt es das ihre Partei so viele "linke" Positionen vertritt? Ihre Partei fordert "Mehr Europa", aber das tun SPD/CDU/FDP/Grüne/Linke auch; macht das die Piratenpartei nicht überflüssig? Immerhin haben wir schon 5 Parteien im Bundestag und in jedem Landtag die sich für "Mehr Europa" einsetzen, da brauchen wir Bürger doch nicht noch eine sechste, oder? Ein Bundes- oder Landtag in dem alle Parteien sich für dasselbe einsetzen und jede Euro- und EU-Kritische Stimme unterdrückt wird; ist das noch demokratisch? Die JF berichtete heute folgendes: "Der Parteitag beschloß am 11. Mai in Neumarkt einen Unvereinbarkeitsbeschluß mit der Alternative für Deutschland (AfD)." Warum? Was ist so falsch an den Positionen der AfD? Und: Wollte die Piratenpartei nicht "Basisdemokratisch" mit allen anderen Parteien zusammenarbeiten? Ist es nicht berechtigt von der AfD sich für Deutschland einzusetzen? Das sollte doch der Sinn und Zweck von Politikern sein; das Wohl der Menschen, oder irre ich mich? Also: Was sagen Sie dazu?

Portrait von Monika Pieper
Antwort von
PIRATEN

Hallo Herr Becker,

vielen dank für Ihre Fragen, die ich hiermit gerne beantworte. Zunächst möchte ich dazu sagen, dass ich mich den Ausführungen meines Parteikollegen Martin Delius aus Berlin umfänglich anschließe. Hier noch einige ergänzende Überlegungen zum Thema Europa:

Ihre Feststellung ist richtig, dass wir PIRATEN neben SPD/CDU/FDP/GRÜNE/LINKE einen grundsätzlich pro-europäischen Kurs vertreten. Wir PIRATEN sind der Ansicht, dass die Zukunft Europas nicht an den Interessen der einzelnen Mitgliedsstaaten, sondern an den gemeinsamen Interessen aller in der EU lebenden Menschen ausgerichtet werden soll. Wir sehen die heutige EU demnach als supranationales „Projekt“ der Mitgliedsstaaten, welches oftmals nur die Summe der Einzelinteressen der Mitgliedsstaaten darstellt, und nicht dem Gemeinwohl aller Menschen in Europa (nicht nur EU-Bürgern!) dient. Für uns fehlt es der EU neben echter demokratischer Legitimation und Mitbestimmungsmöglichkeiten der hier lebenden Menschen an einer sozialen Komponente, welche die primär auf dem Wettbewerb (der Sozialsysteme, der Steuersysteme, etc.) aufbauende wirtschaftliche Integration erweitert und teilweise ersetzen muss. Im Gegensatz zu anderen Parteien in Deutschland fordern wir eine Abkehr vom Status Quo der forcierten wirtschaftlichen Integration.

Obwohl wir einen Fortbestand der Gemeinschaftswährung Euro ausdrücklich befürworten, sind wir im Gegensatz zu den meisten zurzeit im Bundestag vertretenen Parteien der Ansicht, dass das politische Projekt Euro als „Motor“ der weiteren europäischen Integration gescheitert ist - und von vornhinein scheitern musste. Soll heißen, dass die politisch (gegen jede ökonomische Vernunft) erzwungene und fehlerhafte Einführung des Euro niemals ihre erhoffte „integrative“ Wirkung erfüllen konnte. Für uns kann es keine erzwungene politische Integration über einen rein wirtschaftlichen Mechanismus geben.

Doch als Konsequenz aus der Fehlentwicklung um den Euro sehen wir in der Wiedereinführung nationaler Währungen keine Lösung, da sie neben den unkalkulierbaren ökonomischen Folgen (massive Auf- bzw. Abwertung der nationalen Währungen) einen unumkehrbaren Rückschritt im europäischen Einigungsprozess darstellt. Denn obwohl der Euro aus unserer Sicht als Integrationsmotor gescheitert ist, so würde die Aufspaltung der Eurozone den letzten Rest an echten „europäischen Solidaritätsbemühungen“ vollkommen untergraben. Die als populistisch zu bewertende Forderung der AfD, die südlichen Euro-Länder aus der Gemeinschaftswährung zu zwingen, würde das Nord-Süd-Gefälle in der EU zementieren - und eine Spaltung in eine „Zweiklassen-EU“ bewirken! Das ist nicht unsere Vorstellung eines solidarischen, gemeinsamen Europas. Vielmehr fordern wir die Einberufung eines verfassungsgebenden Konvents, damit die Menschen in Europa selbst entscheiden können, welche Form der politischen Struktur sie der EU geben wollen.

Ein weiterer großer Unterschied zu den etablierten Parteien ist unsere Ablehnung des ESM bzw. die Finanzierung über die EZB zum Zwecke der Krisenbewältigung. Wir fordern zur Lösung der Schuldenkrise u.a. die Durchführung von frühzeitiger einmaliger Schuldenschnitte (mit Kleinanlegerschutz). Die jetzige Rettungspolitik der schwarz-gelben Bundesregierung finanziert im Kern nur die in Schieflage geratenen Banken und erlegt den Bevölkerungen in den Südstaaten unzumutbaren Spardiktate sowie Lohn-, Renten- und Sozialkürzungen auf. Das führt ersichtlich ebenfalls zur wirtschaftlichen und sozialen Spaltung Europas.

Der von Ihnen angesprochene „Unvereinbarkeitsbeschluß“ mit der AfD beruht im Wesentlichen auf der vollkommen unterschiedlichen Bewertung der Schuldenkrise und ihrer Bewältigung sowie der Zukunft der EU im Allgemeinen. Die rein national orientierte und lehrbuch-artige Argumentation der AfD ist für uns als Partei und internationale politische Bewegung nicht akzeptabel. Die von der AfD geforderte umfangreiche Rückverlagerung europäischer Gesetzgebungskompetenzen an die Nationalstaaten stellt für uns PIRATEN einen Rückschritt in die Kleinstaaterei dar, die den seit Jahrzehnten beschrittenen Weg der europäischen Einigung unwiderruflich verlassen würde. Darüber hinaus stellt die von der AfD geforderte (noch) stärkere Wettbewerb-Fokussierung innerhalb der EU aus unserer Sicht eben eines der Grundprobleme der heutigen EU dar, da diese nicht nur zu einem „race-to-the-bottom“ in Sachen Sozialstandards führt, sondern zudem Ausdruck jener neo-liberal gefärbten Wirtschaftspolitik ist, welche die Finanz- und Bankenkrise (und somit letztendlich auch die Eurokrise) mitverursacht hat!

Mir ist es wichtig zu betonen, dass eine grundsätzlich pro-europäische Einstellung nicht bedeutet, keinen mitunter gravierenden Veränderungsbedarf bei der heutigen EU zu sehen. Für uns PIRATEN kann es nicht um ein einfaches Mehr oder Weniger an Europa gehen, sondern um ein „besseres“ Europa für die Menschen!"
Somit nehmen wir auch in der Europapolitik oftmals grundverschiedene Positionen im Vergleich zu den etablierten Parteien ein - ohne dabei populistisch das gesamte Europäische Projekt in Frage zu stellen!

Herzliche Grüße
Monika Pieper