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Frage von Alexander G. •

Frage an Miriam Gruß von Alexander G. bezüglich Recht

Sehr geehrte Frau Gruß,

mit großem Entsetzen habe ich eine Pressemitteilung der Gewerkschaft der Polizei (GdP) aus München vom 07.08.2012 zur Kenntnis genommen, in dem die Polizeigewerkschaft vom bayr. Innenminister Hermann eine "Beweislastumkehr" zu Gunsten der Polizei in Fällen von Gewalt gegen Polizisten fordert. Ein Übergriff dieser, in meinen Augen absurden Forderung auf den Bundesinnenminister ist zu erwarten.

Eine solche Beweislastumkehr hätte zur Folge, dass künftig Tatverdächtigen einer Gewalthandlung gegen die Polizei nicht mehr Seitens der Justiz die Schuld nachgewiesen werden müsste, sondern der Beschuldigte vielmehr seine eigene Unschuld beweisen muss.

Aus meiner praktischen Erfahrung als Jurist (und vieler meiner Kollegen) kann ich jedoch feststellen, dass (vor allem in Bayern) de facto sowieso schon starke Tendenzen einer Beweislastumkehr feststellbar sind. Hat ein Beschuldigter keine Zeugen für seine Behauptungen, was der Regelfall ist, schenkt das Gericht in den allermeisten Fällen den beteiligten Polizeibeamten Glauben. Eine Beweislastumkehr hätte meiner Ansicht nach dramatische Auswirkungen auf die rechtsstaatlichen Maßstäbe solcher Prozesse. Dies zumal, skandalöser Weise, in den polizeilichen Statistiken über Gewalt gegen Polizeibeamte Beleidigungen (z.b. der Gebrauch von Schimpfwörtern) als Gewalt gewertet werden. Über 40% der statistisch erfassten Fälle von Gewalt gegen Polizisten umfassen ausschließlich Beleidigungen. Dies ist umso irreführender, da nach rechtlichen Maßstäben Beleidigungen keine Gewalt im juristischen Sinne darstellen. Ist bei klassischen Gewaltdelikten wie z.B. Körperverletzungen eine objektive Beweisführung teilweise noch möglich, so ist die Exkulpation eines Beschuldigten hinsichtlich einer Beleidigung nahezu unmöglich.

Mich würde ihre Position bzw. die Position der FDP in dieser Frage interessieren

Mit freundlichen Grüßen
Alexander Gruber

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Gruber,

vielen Dank für Ihre Nachricht, zu der ich Ihnen gerne unsere Position darstellen werde.

Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP wurde ein besserer Schutz von Polizisten und anderen Amtsträgern vereinbart. Die FDP-Bundestagsfraktion unterstützt dies ausdrücklich und sieht den Schutz der Polizisten bei der Ausübung ihrer verantwortungsvollen Tätigkeiten vor Gewalt als staatliche Pflicht an.

Die von Ihnen angesprochene Forderung der bayrischen Gewerkschaft der Polizei halten wir jedoch für unverhältnismäßig. Bereits mit der Novellierung des §113 StGB im Jahr 2011 wurde der strafrechtliche Schutz von Amtsträgern vor Gewalt durch die schwarz-gelbe Bundesregierung ausgebaut. Wir beurteilen die aktuelle Rechtlage als ausreichend, nachdem bereits die Tatbestände und Strafen im Rahmen des §113 StGB ausgeweitet wurden. Aus liberaler Sicht muss geltendes Recht konsequent angewendet werden, anstatt die Gesetzgebung uneingeschränkt auszuweiten.

Die von der Gewerkschaft der Polizei geforderte Beweislastumkehr würde das Verhältnis der Bürger zum Staat in ein Ungleichgewicht bringen, das mit unserem Rechtsstaat in keinem Fall zu vereinbaren ist. Der einzelne Bürger sollte nie in eine Situation kommen, in der die Staatsgewalt nicht angezweifelt werden darf. Des Weiteren wird durch die Gesetzgebung der tatsächliche Schutz nicht erhöht. Es ist fraglich, ob Gewalttäter durch eine Strafrechtsverschärfung von ihren Taten absehen.

Die FDP-Bundestagsfraktion fordert stattdessen die Gewaltprävention auszubauen und die Ausrüstung der Polizei zu verbessern. Nur so können die negativen Folgen für die Beamtinnen und Beamten verhindert oder frühzeitig abgemildert werden. Eine zweifelhafte Alibi-Gesetzgebung zulasten der Bürger lehnen wir ausdrücklich ab.

Die Position der FDP Bayern ist in dieser Frage im Ergebnis deckungsgleich. Wir halten eine Beweislastumkehr im Strafprozess nicht nur für unverhältnismäßig - sondern als Bruch des in dubio pro reo Grundsatzes für eindeutig verfassungswidrig und für eine gravierende Verletzung der Menschenrechte im Sinne des Art 11 Abs.1 AEMR. Kurzum: Genau wie Sie halten wir diese Forderung für absurd.

Mit freundlichen Grüßen

Miriam Gruß