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Mike Nagler
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Frage von Rene U. •

Frage an Mike Nagler von Rene U. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Nagler,

Unser Geldsystem mit dem darin enthaltenen exponentiell ansteigenden Umverteilungsmechanismus (Zinseszins) von Arm nach Reich führt uns in einen erneuten Crash unserer Währung, wie es aller 3 Generationen der Fall ist.
Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass wir den Geldeliten (=Macht, da Geldgeber der Staaten) weiterhin parlamentsgestützt Rettungspaket nach Rettungspaket hinterherschieben.

Wie kann es sein, dass unsere Volksvertreter unser (Steuer-)Geld den Gläubiger-Banken (und z.B. nicht den Bürgern Griechenlands) in den Rachen wirft? Geld, was sie sich selber bei den Banken erst leihen mussten, um diese damit zu retten? Somit erhöhen sich die Schulden der Bundesbürger, um Banken zu retten, die sicher selber oder durch Berater von Goldman Sachs wie im Falle Griechenlands in diese Lage gebracht wurden. Und viele hochrangige EU Politiker haben eine Goldman Sachs-Vergangenheit.

Wie kann es sein, dass eine Exportnation wie Deutschland es zulässt, dass die Exportwaren über s.g. Target2-Konten der Bundesbank bezahlt werden, welche nichts anders als Verbindlichkeiten der Import-Länder darstellt, welche realistisch betrachtet nie beglichen werden können? Dadurch haftet der deutsche Steuerzahler für den exportierten BMW, welcher z.B. in Leipzig hergestellt wurde, aber wohl nie bezahlt wird.
Quelle: Interview mit Prof. Sinn

Meine persönliche Meinung:
Ich fürchte wir sind alle Frösche im Wasserglas deren Temperatur immer höher steigt und wir unsere Freiheit, die wir meinten 1989 besonders hier in Leipzig erkämpft zu haben, langsam aber stetig wieder verlieren.
Und Deutschland leistet weiterhin (Reparations)zahlungen an andere Länder, auch wenn diese anders genannt werden.

Was halten Sie von einem alternativen Geldsystem wie dem fließenden Geld, damit das auf unendlichem Wachstum ausgerichtete momentane Schuldgeldsystem abgelöst werden kann?

Was ist Ihr Standpunkt zu diesen Themen?

beste Grüße
Rene Urbanski

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Urbanski,

vielen Dank für Ihre Frage und bitte haben Sie Verständnis, dass ich erst jetzt dazu komme zu antworten. Ich bin derzeit täglich von früh bis spät wegen des Wahl"kampfs" unterwegs und komme meist erst abends zur Beantwortung von Fragen.

Sie sprechen die Theorie des sog. Fließenden oder Schwundgeldes nach Silvio Gesell an. Die damit beabsichtigte Umverteilung wäre begrüßenswert, aber ich finde diese Theorie nicht überzeugend bzw. unvollständig: Akkumulation findet nicht nur durch Geld statt, sondern auch durch Erwerb von Aktien, Immobilien, Ländereien usw. Das können Sie durch Schwundgeld nicht lösen. Besser wirken dagegen steuerliche Instrumente, allen voran die Vermögensteuer bzw. /-abgabe und eine höhere Erbschaftsteuer. Für zentral halte ich, dass möglichst große Teile der Wirtschaft der Renditelogik entzogen werden müssen.

Zur Frage der Schuldenbedienung fehlt in der öffentlichen Debatte meiner Ansicht nach die Frage, wie diese Schulden entstanden sind und ob diese überhaupt legal / legitim sind. Das was wir derzeit in Ländern wie Griechenland beobachten können, sind die gleichen Mechanismen, die bereits seit 20-30 Jahren in Ländern des globalen Südens angewendet wurden. Schulden werden als Werkzeug benutzt um neoliberale Politik zu erzwingen. Es gibt Alternativen zu dieser Politik des Ausverkaufs des Öffentlichen und ich habe dazu auch mehrfach auf meiner Seite Beiträge geschrieben auf die ich Sie an dieser Stelle sehr gern hinweisen möchte.

http://mikenagler1.wordpress.com/tag/verschuldung/
http://mikenagler1.wordpress.com/tag/griechenland/
http://mikenagler1.wordpress.com/tag/steuergerechtigkeit/

Die Konzentration von Reichtum hängt von den Realzinsen (und der Wachstumsrate) ab und ist kein Automatismus allein aus der Existenz von Zinsen. Andere Instrumente finde ich deswegen zur Lösung der von Ihnen angesprochenen Probleme überzeugender. Bei der Suche nach Alternativen zum Finanz-/Geldsystem möchte ich Sie jedoch ausdrücklich ermutigen. Bitte nehmen Sie sich aber auch die Zeit, sich mit den Lösungsvorschlägen der Linken auseinanderzusetzen.

Aus meiner Sicht muss der Finanzsektor in seinem Volumen erheblich schrumpfen und sollte als gesamtwirtschaftlich notwendige Infrastruktur neu ausgerichtet werden. Hierzu ist der Finanzsektor strikt zu regulieren und einer wirksamen öffentlichen Kontrolle zu unterstellen. Banken müssen vergesellschaftet und der Bankensektor so umgebaut werden, dass Banken so klein wie möglich, so groß wie nötig und in ihren Risiken beherrschbar bleiben. Hochriskante und spekulative Instrumente wie komplexe Verbriefungen gehören verboten. Neben der Regulierung des Finanzsektors muss es darum gehen, umzuverteilen und die stetig wachsende Ungleichverteilung von Vermögen und Einkommen zu stoppen und umzukehren.

Ich möchte Sie noch auf den Abschnitt: „Für einen gerechten Weg aus der Krise: keine Bankenrettungen auf Kosten der Bevölkerung“ im Bundestagswahlprogramm hinweisen:

http://www.die-linke.de/wahlen/wahlprogramm/wahlprogramm/iidiekriseueberwindendemokratieundsozialstaatverteidigenhierundeuropaweit/fuereinengerechtenwegausderkrisekeinebankenrettungenaufkostenderbevoelkerung/

Mit freundlichen Grüßen,

Mike Nagler