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Frage von Torsten K. •

Frage an Mike Nagler von Torsten K. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Nagler,

Sie treten in Leipzig als Direktkandidat zur Bundestagswahl an. Zur Zeit liegt die Arbeitslosenquote in Leipzig bei circa 15%. Was wollen Sie tun, um die Arbeitslosenquote zu senken?

Mit freundlichen Grüßen

Torsten Kleber

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Kleber,

vielen Dank für Ihre Frage. Ich bitte um Nachsicht, dass Sie einige Tage auf meine Antwort warten mussten - ich habe im Moment sehr viele Termine, Anfragen und Wahlkampfveranstaltungen. Ich komme daher erst jetzt dazu, Ihnen zu antworten.

Zunächst einmal möchte ich sagen, dass ich davon überzeugt bin, dass das Problem der Arbeitslosigkeit nicht gelöst werden kann, ohne eine generelle Debatte um Arbeitszeitverkürzung bzw. eine Neu- und Umverteilung von Arbeit zu führen. Ich finde, dass die aktuellen Debatten über Schaffung von Arbeitsplätzen zwar in die richtige Richtung gehen, doch bin ich der Überzeugung, dass diese Maßnahmen nur dann sinnvoll sind, wenn sie eine nachhaltige Wirkung entfalten bzw. entfalten können.
Das heißt:

- Absicherung der Arbeitsplätze
- keine prekären Arbeitsplätze
- Ausbau des öffentlichen Dienstleistungssektors
- Ausbau im Bereich der erneuerbaren Energien

Wichtig ist: Wir wollen keine Almosen vergeben, sondern feste, sozialversicherte und abgesicherte Arbeitsplätze. Das wiederum heißt:
- Stärkung des ersten Arbeitsmarktes, zugleich aber auch Förderung des öffentlichen Sektors.

In Leipzig gab es ja mit dem Betrieb für Beschäftigungsförderung (BfB) einen aus meiner Sicht sehr sinnvollen Ansatz, regionale Wirtschaftskreisläufe aufzubauen und zu fördern. (Auch wenn ich an der damaligen Umsetzung kritisiere, dass das vor allem auf Basis niedriger Löhne passierte.) Der BfB war vom Modell her nicht falsch - "nur" von der Ausgestaltung her nicht richtig. Immerhin wurden dadurch damals einige tausend Arbeitsplätze geschaffen. Leider wurde das gesamte Projekt dann abgewickelt. Es ist - zumindest für mich - nicht ganz nachvollziehbar, wo das ganze dadurch aufgebaute Vermögen hin ist. Immerhin sind damals Unmengen an Steuergeldern in dieses Projekt geflossen.

Auch die Arbeitslosigkeitsquote, die sie für Leipzig anführen, ist ja nur die durch die Statistik geschönte Zahl. Die reale Arbeitslosigkeit in der Stadt ist bei weitem höher. Und wenn man ehrlich mit dem Problem umgehen will, dann muss man auch alle jene Beschäftigungen dort mit aufführen die sich bspw. im Ein-Euro-Lohnbereich befinden, da diese ganzen Maßnahmen keineswegs nachhaltig sind und vor allem die Kommunen zusätzlich belasten.

Ich bin der Ansicht, dass wir vor allem den öffentlich geförderten Beschäftigungssektor und den öffentlichen Dienst stärker ausbauen müssen. Aber so, dass die Menschen von ihrer Arbeit leben können. Darum benötigen wir Mindestlöhne.

Noch ein Aspekt: Auch die kommunalen Unternehmen spielen eine wichtige Rolle für die regionale Wirtschaft, da sie den mit Abstand größten Teil ihrer Aufträge an regionale, kleine und mittelständische Unternehmen vergeben. (Nur als Beispiel: Die Leipziger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (LVV) - also KWL, SWL, LVB - vergeben 67% ihrer Aufträge an regionale Unternehmen. Das entsprach 1995-2006 ca. 2,5 Mrd. Euro. Oder auch die LWB: Sie vergibt 98% ihrer Aufträge in der Region. Das waren 2006 ca. 105,5 Mio.)

Bei der Frage nach "Erfolgsrezepten" gibt es sicher keinen "Königsweg", aber der Blick "über den Gartenzaun" kann schon mal einige Anregungen geben:
- Bsp. Skandinavien: Großer öffentlicher Sektor - geringe Arbeitslosigkeit.
Intelligente Regelungen in Bezug auf die Flexibilität der Beschäftigung - aber nicht zu Lasten der Beschäftigten (Bsp. Dänemark: Kündigungsschutz wurde zwar gelockert, aber Arbeitslose erhalten bis zu 90% ihres Arbeitsentgeltes für ein Jahr, danach etwas weniger - aber mit Anspruch auf Qualifizierung).

- Qualifizierung und Weiterbildung, "Beschäftigungsbrücken" (Altersteilzeit), Teilzeitarbeit (die aber gerade Familien dennoch in die Lage versetzen muss, von ihrem Einkommen leben zu können)
- Arbeitszeitverkürzung (möglichst mit zumindest Lohnausgleich)
- Stärkung der Binnennachfrage durch bessere (bzw. Um-) Verteilung des volkswirtschaftlichen Einkommens
- Mindestlohn
- öffentlich geförderte Beschäftigung - dabei mehr Spielraum für Kommunen
- Umbau unserer Wirtschaft in sozial-ökologischer Hinsicht (siehe das Bundeswahlprogramm DIE LINKE) http://die-linke.de/fileadmin/download/wahlen/pdf/Beschluss_Bundestagswahlprogramm_redTB_revMS_final.pdf
- steuerliche Entlastung von Arbeitseinkommen; Ausgleich durch Belastung von Kapitaleinkommen und Kapitalverkehr
- mehr Wirtschaftsdemokratie wagen - mehr Mitbestimmung in den Betrieben (Änderung des Aktienrechts) - dadurch mehr "Stakeholder value" statt "Shareholder value", sprich: Arbeitsplatzerhalt durch langfristige betriebswirtschafliche Strategien
- mehr Genossenschaften, Förderung von regionalen Wirtschaftskreisläufen (anstatt Konzernen Millionenbeträge im Standortwettbewerb hinterherzuwerfen)
- nachhaltige Industriepolitik - Beispiel Quimonda (der Staat hätte eingreifen können, so wie er es in anderen Ländern mit der Speicherchipproduktion auch tut)

Beste Grüße,

Mike Nagler