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Michael Büker
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Frage von Jonas L. •

Frage an Michael Büker von Jonas L. bezüglich Kultur

Hallo Herr Büker,

wie ihre Partei dazu steht weiß ich - wie ist ihre Meinung zum Thema Urheberrecht? Konkreter: sollten digitale Kulturgüter kostenlos verfügbar sein? Und wenn ja, wie sehen Sie für den Künstler die Möglichkeit seine Werke dann noch zu verwerten? Ich habe das Gefühl ihr Parteiprogramm ist in dieser Frage sehr Naiv formuliert worden und zielt nur auf die Fragen des Samplings oder der Debatte um die GEMA-Einigung mit Youtube. Dabei ist doch aber klar das kostenloses Downloaden auch heißt dass der Künstler nichts mehr hat - oder geht man hier von einem Künstlerbild aus bei dem derjenige von Luft und Liebe lebt?

Viele Grüße!

Über antwort freut sich
Jonas Lasse

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Antwort von
PIRATEN

Sehr geehrter Herr Lasse,

uns ist bewusst, dass Künstler auf Einnahmen angewiesen sind, und wir wollen es ihnen nicht schwerer machen, von ihrer Kunst zu leben. Wir glauben aber auch nicht den Märchen der Contentindustrie, nach denen Downloads und Tauschbörsen die Musik- und Filmkultur zugrunde richten. Uns geht es um die Wege, auf denen das Geld verteilt wird, die Möglichkeiten, Kulturgüter zu nutzen und zu verbreiten, sowie die Position von Künstlern wie Nutzern gegenüber der Verwertungsindustrie. Diese wollen wir von den Regeln befreien, die vor vielen Jahrzehnten erdacht wurden. Zudem wollen wir die unmöglichen Zustände, die nach 20 Jahren eines regelrechten Feldzugs der Verwertungsindustrie gegen Internetnutzer herrschen, entschärfen.

Die GEMA hat in Deutschland faktisch ein Monopol auf die Verwertung von Musikrechten. Kein großes Label, kein Radiosender oder Künstler mit einiger Reichweite kommt an der GEMA vorbei. Dabei nützt sie hauptsächlich den Großverdienern der Branche: Bei kleinen Konzerten zahlen Künstler dank der GEMA oft drauf, anstatt etwas zu verdienen, DJs und Veranstalter werden mit unsinnigen Regeln und überhöhten Gebühren gegängelt, und die Verwertung liegt weit außerhalb der Kontrolle der Künstler. (Neulich mussten Die Toten Hosen gegen ihren ausdrücklichen Willen hinnehmen, dass ihre Lieder bei SPD- und CDU-Veranstaltungen gespielt wurden). Aber wer bestimmt diese Regeln, wer hat das Sagen bei der GEMA? Es sind nur diejenigen Mitglieder, die im Schnitt mehr als 6.000 Euro pro Jahr ausgezahlt bekommen. Das entspricht heute gut 5% der GEMA-Mitglieder. Im Jahr 2008 gingen über 60% aller Auszahlungen an diese 5%. Kein Wunder also, dass in der GEMA an diesen Verhältnissen nicht gerüttelt wird.

Moderne Verbreitungswege werden dabei blockiert: Die GEMA hat kein Interesse an einer Einigung mit Youtube, um die allseits beliebten Sperren zu beseitigen, obwohl es heute kaum einen stärker florierenden Markt gibt, auf dem Künstler Bekanntheit erlangen können. Für alle öffentlichen Musikaufführungen wird eine Liste aller Künstler mit bürgerlichem Namen und Anschrift(!) verlangt – in Zeiten der weltweit verfügbaren Youtube-Accounts und anonymen Remixes vollkommen lächerlich. Kann so ein Nachweis nicht erbracht werden, zieht die sogenannte GEMA-Vermutung: vermutlich wurde Musik gespielt, für welche die GEMA zuständig ist, also muss gezahlt werden – auch wenn beispielsweise ausschließlich CC-Musik aus Neuseeland aufgeführt wurde. Ähnliche Probleme haben Lehrer, die urheberrechtliches Material im Unterricht verwenden wollen. Sie sehen sich zahlreichen undurchsichtigen Hürden gegenüber und müssen ständig Abmahnungen fürchten.

Die Bekämpfung der sogenannten Musikpiraterie ist dabei über die letzten Jahrzehnte völlig aus dem Ruder gelaufen. Halbseidene Anwälte verdienen sich mit Abmahnungen eine goldene Nase, während Minderjährige samt ihrer Familien den finanziellen Ruin fürchten müssen – alles für die Nutzung eines neuen Wegs, Musik kennenzulernen und zu tauschen. (Übrigens hat auch die Möglichkeit, Kassetten zu überspielen, die Musikindustrie nicht zerstört, obwohl dies damals genau wie heute an die Wand gemalt wurde.) Die positiven Effekte der schnellen Verbreitung von Kunst im Internet sind hingegen in der ähnlich umkämpfen Filmbranche inzwischen belegt: Mehr Klicks, mehr Showbesuche, mehr Merchandise-Verkauf und – ja! – mehr verkaufte Plastikscheiben. Stattdessen aber müssen sich Käufer aberwitzige Gängelungen gefallen lassen: Dateien, die nicht ihnen gehören, schlechte oder sogar schädliche Software als Kopierschutz für Tonträger und das ständige Misstrauen der Verwerter, die am liebsten jedermanns Rechner durchsuchen und ihre Internetnutzung überwachen würden.

Diese Zustände möchte wir beenden, und einen fairere, direktere Wege etablieren, auf dem Fans ihren Künstlern die Arbeit vergüten können. Dazu gehört auch, das Tauschen von Kulturgütern im Internet aus der kriminellen Ecke zu holen und als natürlichen Verbreitungsweg anzuerkennen. Der klassische CD-Verkauf gehört trotzdem genauso zur Vision der Piraten wie Micropayment, Crowdfunding oder Pay What You Want-Angebote.

Das Schreckensszenario, nach dem durch YouTube und Tauschbörsen alle Tonträger in den Regalen bleiben, auf Konzerten das Publikum wegbleibt und keine neue Kunst entsteht, hat sich schlicht als falsch herausgestellt. Es wurde von einigen wenigen, einflussreichen Profiteuren des alten Marktes verbreitet, die mit allen Mitteln – leider auch dem Durchdrücken aberwitziger Gesetze – an ihrer Macht festhalten wollen.

Wir wollen stattdessen die modernen Zeiten willkommen heißen, die Freude an der Kunst bewahren und den Austausch zwischen Künstlern und Nutzern fördern. Wenn Dinosaurier wie die GEMA oder Gesetze, die auf Misstrauen basieren, dem im Wege stehen, dann müssen sie überwunden werden. Wichtig ist uns, die Künstler auf diesem Weg mitzunehmen.

Für alles Angesprochene gibt es Beispiele, Details und sicherlich auch Nachfragen. Unser Parteiprogramm kennen Sie, aber vielleicht noch nicht unser ausführliches Konzept, wie die ersten Schritte hin zu einem modernen Urheberrecht aussehen können: http://wiki.piratenpartei.de/wiki/images/0/07/UrhG_Arguments_FassungBPT2011-2.pdf Zudem haben wir echte Experten mit Daniel Neumann (Artikel von ihm zum Thema gibt es zum Beispiel hier: http://www.piratenpartei.de/archiv-abgelaufene-aktionen/urheberrechtsdialog/ ) und Bruno Kramm (der hier befragt werden kann: http://www.abgeordnetenwatch.de/bruno_kramm-1031-71086.html ), die auch die Seite der Künstler kennen. Wir freuen uns zudem über jeden Künstler und jede Künstlerin, die in der Piratenpartei mitarbeiten möchten.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen für´s erste weiterhelfen! Sprechen Sie mich bei weiteren Fragen, oder für ein Treffen gerne an, meine Kontaktwege stehen hier: http://www.kandidaten2013.de/#!Michael%20B%C3%BCker

Viele Grüße,
Michael Büker