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Metin Hakverdi
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Frage von Lars M. •

Frage an Metin Hakverdi von Lars M. bezüglich Recht

Sehr geehrter Hr. Hakverdi,

ich habe in den letzten Tagen die Debatte über die bevorstehende Einführung der Vorratsdatenspeicherung (VDS) verfolgt und würde gerne wissen wie Sie Gedenken abzustimmen.

Die VDS stellt meiner Meinung nach, trotz zeitlicher Beschränkung und der Notwendigkeit eines richterlichen Beschlusses, einen massiven Eingriff in die Privatsphäre des einzelnen dar. Zum einen, muss nach der Einführung jeder Bürger damit rechnen konstanter Überwachung ausgesetzt zu sein, die als solches den westlichen Werten, der Demokratie und dem Grundgesetz widerspricht. Zum anderen ist der Nutzen der VDS und Massenüberwachung auf die Kriminalitätsquote statistisch nicht relevant und daher eher eine Entschuldigung als eine Begründung für die Erhebung dieser Daten.

Ferner frage ich mich, wie die Bundesregierung den Schutz der Daten gewährleisten wollen, wenn dies bei den Systemen des Bundestages offensichtlicherweise nicht möglich ist. Sobald eine große Datenmenge von Wert, wenn auch nur zeitweise existiert, wird damit ein außerordentlich großes Ziel präsentiert, welches von Einzelpersonen, Staaten und anderen Institutionen attackiert werden könnte und auch wird. Vor dem Hintergrund der aktuellen Probleme der Bundesregierung und der deutschen Sicherheitsorgane die eigenen Systeme zu schützen, würde ich gerne wissen, wie Sie sich den Schutz der Daten von 81Mio. Menschen vorstellen.

Ist Ihnen bewusst, dass es mit Hilfe von mathematischen Modellen und ausreichender Rechenleistung möglich ist, von Bewegungsprofilen und Metadaten sehr genaue Aussagen über die Person hinter diesen Daten zu treffen? Dies fängt bei der Aufdeckung von sämtlichen sozialen Kontakten und persönlichen Vorlieben an und hört bei der Bestimmung von politischen Standpunkten und dem Wahlverhalten auf. Welche Qualifikation haben Sie und andere Abgeordnete diese technischen Möglichkeiten zu beurteilen?

Vielen Dank für Ihre Antwort.

Mit freundlichen Grüßen
Lars Meinert

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Sehr geehrter Herr Meinert,

ich bedanke mich für Ihre Anfrage zur Vorratsdatenspeicherung (VDS).

Die kontroversen Diskussionen haben zeigen, dass die VDS umstritten ist. Umstritten in der Politik aber auch bei den Bürgerinnen und Bürgern. Das ist auch gut so, denn es geht um die Frage der Freiheit und den notwendigen Datenschutz in einer freiheitlich organisierten Gesellschaft.

Am Mittwoch, den 27.05.2015 hat das Bundeskabinett einen Gesetzesentwurf zur VDS verabschiedet, der den Bundestag bereits für die Erste Lesung erreicht hat. Ich bin gegenüber der VDS äußerst kritisch.

Ich teile Ihre Auffassung, dass ein solcher Eingriff in die Privatsphäre mit unseren westlichen, demokratischen Freiheitsgrundsätzen nicht ohne weiteres vereinbar ist. Das haben auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Urteil vom 2. März 2010 als auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EuGH) im Urteil vom 8. April 2014 deutlich gemacht.

Erlauben Sie mir den Hinweis, dass die VDS kein besonderes Anliegen der SPD ist. Der Koalitionspartner CDU/CSU und insbesondere der Bundesinnenminister de Maizière bestehen auf den fachlichen Bedarf der VDS. Diese Forderung wird auch vom Deutschen Richterbund als „unerlässliches Instrument gegen die Verbrechensbekämpfung“ unterstützt. Ob die VDS ein solches unerlässliches Mittel darstellt, ist mehr als fraglich, weil z. B. das schreckliche Terrorattentat in Paris, auch trotz der strengen französischen VDS, nicht vorhergesehen und nicht vereitelt werden konnte.

Im Rahmen der Entwicklung des Gesetzesentwurfes zur VDS hat der Bundesjustizminister Heiko Maas trotz des großen Drucks des Koalitionspartners und der Ermittlungsbehörden beachtliche Verhandlungsergebnisse vorzuweisen. Ihm ist es zuzuschreiben, dass die Speicherfrist auf 10 bzw. 4 Wochen beschränkt wurde.

Ich möchte Ihnen kurz erläutern, was genau im Gesetzesentwurf zu der VDS festgehalten wurde. Grundsätzlich sollen alle Telekommunikationsunternehmen bestimmte Verkehrsdaten speichern. Dazu zählen die Rufnummern der beteiligten Telefonanschlüsse, der Zeitpunkt und die Dauer der Verbindungen und bei Mobilfunkverbindungen die Standortdaten und die Dauer der Zuweisung von IP-Adressen an jedes einzelne Smartphone, jeden Computer o. ä. Endgeräten. Diese Daten sollen 10 Wochen gespeichert werden, wobei die Standortdaten lediglich 4 Wochen gespeichert werden sollen. Danach müssen alle Daten unwiederbringlich gelöscht werden. Die Einhaltung der Löschung wird mit Geldbußen von 100.000 bis 500.000 € durchgesetzt.

Es werden keine Gesprächsinhalte, keine aufgerufenen Internetseiten und keine E-Mails oder deren Inhalt gespeichert. Die Speicherfrist von 4 Wochen für die sensiblen Standortdaten verhindert es, dass aussagekräftige Bewegungsprofile erstellt werden können, die auch Rückschlüsse auf die Persönlichkeitsprofile von Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen können.

Bei genauer Lektüre des Gesetzesentwurfs wird deutlich, dass der von Bundesminister Maas vorgelegte Gesetzentwurf restriktiver ist als die vom BVerfG vom EuGH aufgehobenen gesetzlichen Regelungen zur VDS. Sie ist auch deutlich restriktiver und grundrechtsschonender als es die CDU/CSU gerne hätte.

Der Richtervorbehalt soll die Wahrung der Grundrechte und den Schutz der Privatsphäre sicherstellen. Jeder Abruf von Daten erfordert einen richterlichen Anordnungsbeschluss, dessen Erfordernis anlassbezogen und individuell begründet werden muss. Solch ein Fall liegt vor, wenn der Datenabruf der Verfolgung von schwersten Straftaten dient. Dazu zählen terroristische Taten, Delikte gegen Leib, Leben, Freiheit und sexuelle Selbstbestimmung, wie etwa bei Mord, Totschlag oder sexuellem Missbrauch von Kindern. Der strenge Richtervorbehalt ist eine Garantie für einen transparenten und restriktiven Zugriff auf die gespeicherten Verkehrsdaten und es gibt keine Eilkompetenz beim Abruf der Daten durch die Staatsanwaltschaft oder durch die Polizei.

Zudem müssen die betroffenen Bürgerinnen und Bürger über jeden Abruf ihrer Daten informiert werden.

Einen besonderen Schutz genießen die Daten von Berufsgeheimnisträgern, wie z. B. Journalisten, Anwälten, Seelsorgern oder Ärzten. Diese Daten können unter keinen Umständen verwertet werden.

Die Sicherheit der gespeicherten Daten wird zu Recht von Ihnen hervorgehoben. Der Schutz sensibler Daten - dazu zählen zweifelsfrei auch Verkehrsdaten - soll dadurch gewährleistet werden, dass die Speicherung von Daten im Rahmen der VDS auf Servern innerhalb Deutschlands erfolgen muss. Auch wird den zur Speicherung verpflichteten Telekommunikationsunternehmen die Einhaltung sehr hoher und zeitgemäßer Sicherheitsstandards auferlegt. Wenn ein Telekommunikationsunternehmen oder der mit der Speicherung beauftragte Dienstanbieter Handel mit den gespeicherten Daten betreiben oder diese unbefugten Dritten zugänglich machen oder weitergeben, machen sie sich der Straftat der neu geschaffenen Datenhehlerei schuldig.

Im weiteren parlamentarischen Verfahren will ich mich mit aller Kraft dafür einsetzen, dass die VDS eine zeitliche Befristungsklausel erhält. So können wir nach Ablauf einer bestimmten Zeit überprüfen, ob wir die VDS wirklich benötigen, wie dies von den Befürwortern behauptet wird.

Mit freundlichen Grüßen
Metin Hakverdi

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