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Mechthild Rawert
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Frage von Benjamin B. •

Frage an Mechthild Rawert von Benjamin B. bezüglich Recht

Liebe Mechthild,

ich hoffe, Du akzeptierst (im Gegensatz zum Genossen Wiefelspütz) das sozialdemokratische „Du“ auch bei fehlender persönlicher Bekanntschaft.

Mich würde (auch im Hinblick auf die im September anstehende Wahlentscheidung) Deine Position zu den seit Jahren und in letzter Zeit (aus traurigem aber dennoch unpassenden Anlass) wieder verstärkt diskutierten Verboten von „Killerspielen“, Paintball und ähnlichen Freizeitbeschäftigungen interessieren.

Weiterhin wäre auch interessant, wie Du zu den heiß diskutierten Internet-Sperren stehst.

Dein Abstimmungsverhalten zum BKA-Gesetz lässt mich hoffen, auch wenn es leider eine Minderheit in der SPD-Fraktion darstellt. Siehst Du eine Möglichkeit, dass unsere Partei auch für Menschen, denen der (auch) sozialdemokratische Grundwert der Freiheit wichtig ist, wieder wählbar wird?

Die Zustimmung zur Vorratsdatenspeicherung begründest Du (juristisch durchaus korrekt) mit der EU-Richtlinie. Wie kann verhindert werden, dass über den Umweg Europa auch weiterhin Einschränkungen von Freiheitsrechten durchgesetzt werden, die bei den Bürgern eher umstritten sind?

Grüße
Benjamin

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Antwort von
SPD

Lieber Benjamin,

danke für Deine Anfrage. Bitte entschuldige die verzögerte Antwort. Du sprichst in der Tat derzeit heiß diskutierte Themen an:

Im Zuge der Diskussion über eine weitere Verschärfung des Waffenrechts und anderer Maßnahmen ist von den Koalitionsfraktionen ein Maßnahmenkatalog vereinbart worden, der u. a. auch ein Verbot von „Paintball“ vorsah. Ein Verbot setzt aus meiner Sicht allerdings voraus, dass andere Rechtsgüter durch Paintball derart gefährdet werden, dass der Staat zu ihrem Schutz eingreifen muss. Bisher sind mir keine belastbaren Fakten bekannt, die eine solche Gefährdung belegen oder ausschließen. Ich bin deshalb der Ansicht, man sollte diese Fragen zunächst klären. Das bedeutet, dass wenn niemand zu Schaden kommt und gleichzeitig die sonstigen Auswirkungen dieses Hobbys unproblematisch sind, kein Grund für ein Verbot besteht. Ein vorheriges Verbot von Paintball wäre eine Verurteilung auf Verdacht. Erst wenn sich wissenschaftlich belegbar herausstellen sollte, dass Paintball zu erhöhter Gewaltbereitschaft etc. führt und somit eine Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht, bin ich persönlich bereit über ein Verbot nachzudenken bzw. mich dafür einzusetzen. Ein vorheriges Verbot halte ich nicht für gerechtfertigt.

Auch ein Verbot von sogenannten Killerspielen ist meines Erachtens problematisch, denn es greift zu kurz. Gewaltverherrlichende Computerspiele fallen bereits heute unter das Verbot des § 131 StGB. Bereits 2003 wurde dieser Paragraph auf die Darstellung von Gewalttätigkeiten gegen menschenähnliche Wesen erweitert und damit das Strafrecht an dieser Stelle auch in Bezug auf Computerspiele verbessert. Die Argumentation bezüglich der Einführung eines Verbotes von so genannten Killerspielen blendet diese geltende Rechtslage weitgehend aus. Übersehen werden zudem die bedeutsamen Aspekte eines wirksamen Jugendmedienschutzes, zu dem der verantwortungsvolle Umgang mit den Medien und die hierfür notwendige Medienkompetenz gehören. Ein wirksamer Jugendmedienschutz ist und bleibt ein zentrales Ziel der Jugend-, Familien und auch Medienpolitik der SPD. Es geht dabei um das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen in der Schule, um die notwendige Anerkennung und Förderung von Kindern und Jugendlichen, um Prävention und Bekämpfung von Jugendgewalt, um die Verantwortung von Eltern und Pädagogen, sowie um Medienkompetenz und Jugendmedienschutz. Im Vordergrund unserer Bemühungen zur Umsetzung eines wirksamen Kinder- und Jugendmedienschutzes muss daher die Förderung und Stärkung von Medienkompetenz in Familien, aber auch im Kindergarten, in der Schule und in der Jugendarbeit stehen. Hier können Kinder Kontakte zu Gleichaltrigen knüpfen und wertvolle Erfahrungen machen, die sie vor Vereinsamung und Gewalt schützen.

Die Internetsperren für kinderpornografische Seiten sind am 18. Juni 2009 im Bundestag verabschiedet worden. Ich habe, wenn auch von Bauchschmerzen begleitet, zugestimmt.

Es stellt sich zunehmend das Problem der Verbreitung von kinderpornografischen Inhalten im Internet. Dies liegt an den Besonderheiten des Internets, in dem auch rechtswidrige Inhalte schnell verbreitet und anonym sowie ohne soziale Kontrolle konsumiert werden können. Die Bekämpfung der Verbreitung von Kinderpornografie im Internet ist deshalb weitgehend unbestritten ein wichtiges Thema. Auch ist das Internet kein rechtsfreier Raum.

Das Internet soll als Plattform für Wissen, als Raum für Kommunikation und Diskussion andererseits unzensiert erhalten bleiben.

Bei dem Gesetzgebungsverfahren waren diese zwei Aspekte aber nicht etwa gegeneinander abzuwägen, sondern vielmehr miteinander in Einklang zu bringen.
Der ursprüngliche Gesetzentwurf ist ganz wesentlich überarbeitet und verbessert worden, wobei die SPD-Bundestagsfraktion wichtige Änderungsvorschläge in den Verhandlungen mit der Unionsfraktion durchsetzen konnte. Wir haben damit auch die wesentlichen Kritikpunkte, die sich aus der Bundestagsanhörung und der Stellungnahme des Bundesrates ergeben haben, positiv aufgegriffen:

Aus einem Sperrlisten-Gesetz wurde nun ein dezidiert auf die Bekämpfung von Kinderpornografie abzielendes Spezialgesetz, kurz "Zugangserschwerungsgesetz". Darüber hinaus gilt nun 1. das Prinzip Löschen vor Sperren, d.h. in einem abgestuften Verfahren soll erst versucht werden, kinderpornografische Inhalte durch Ansprache der Provider/Betreiber aus dem Netz zu entfernen. Wo das nicht gelingt, soll die Sperrung greifen (Subsidiaritätsprinzip). 2. Auch die Kontrolleure werden kontrolliert. Dem BKA, das die Sperrlisten aufstellt und an die Provider übermittelt, wird ein Kontrollgremium zur Seite gestellt, das die BKA-Listen regelmäßig auf Korrektheit prüfen muss. Dieses unabhängige fünfköpfige Gremium wird beim Bundesdatenschutzbeauftragten angesiedelt. 3. Das Gesetz soll ein reines Präventionsgesetz sein. Nutzerdaten sollen nicht erfasst werden. Eine Erhebung, Sammlung und Verwendung von Nutzerdaten über die "Stoppschild-Seite", die bei einer Sperrung davor warnt, eine potentiell kinderpornografische Seite anzuwählen, erfolgt nicht. 4. Das Gesetz ist zudem bis zum 31.12.2012 befristet. Das Zugangserschwerungsgesetz ist so nun dezidiert zu einem Anti-Kinderpornografie-Gesetz gemacht worden. ich hoffe darauf, dass der Missbrauch der Infrastruktur für eine mögliche Zensierung anderer Inhalte erschwert wurde.

Du fragst zum Schluss, wie verhindert werden kann, dass über den Umweg Europa Einschränkungen von Freiheitsrechten durchgesetzt werden, die bei den Bürgerinnen und Bürgern eher umstritten sind. Zunächst einmal müssen die Bürgerinnen und Bürger an den Wahlen zum Europäischen Parlament in großer Zahl teilnehmen, denn nur so kann ein echter WählerInnenauftrag beim EP tatsächlich ankommen. Die Verantwortung für die geringe Wahlbeteiligung liegt allerdings auch in der Politik und bei den Parteien. Wir sind diejenigen, die die Bedeutung Europas noch stärker zu den Bürgerinnen und Bürgern transportieren müssen, ihr Interesse wecken und dauerhaft stärken müssen. Wir müssen Europa greifbarer machen.

Ich danke Dir für Deine Fragen.

Mit freundlichen Grüßen

Mechthild Rawert