Matthias Gauger
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Simon S. •

Frage an Matthias Gauger von Simon S. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrter Herr Gauger,

ich studiere zur Zeit in Würzburg Englisch und Sozialkunde auf Lehramt an Gymnasien.
Als angehender Lehrer interessieren mich deshalb im Speziellen die Bildungsziele, die sie und ihre Partei verfolgen:

"Dafür müssen wir weg von der frühen Auslese nach der vierten Klasse und der starren Aufteilung auf drei Schularten."

(Dieses Zitat fand ich auf der Homepage www.werstehtzurwahl.de)

Gerne würde ich mehr Details zu dieser Schulreform erfahren, im besonderen wie sie sich auf das bisherige 8-jährige Gymnasium auswirken würde.

Mit freundlichen Grüßen,
Simon Schulz

Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Herr Schulz,

vielen Dank für Ihre Nachfrage.

Als Grüne treten wir für eine längere gemeinsame Schulzeit bis zur neunten Klasse ein. Kurz zur heutigen Situation: Das bayerische Bildungssystem mit seiner frühen und rigiden Auslese ist sozial ungerecht, lässt viele Potenziale brachliegen und befördert in den Schulen eine Kultur der Kontrolle und des Misstrauens. Nicht die individuellen Fähigkeiten, sondern der soziale Hintergrund entscheidet in Bayern bisher darüber, welche Bildungs- und Lebenschancen ein Kind erhält. Dies lässt sich dem Bayerischer Bildungsbericht entnehmen, der feststellt, dass Leistungserfolg statistisch signifikant und bedeutsam abhängig vom Einkommen der Eltern ist. In einer Zeit, in der Bildung für die Zukunftschancen unserer Jugend und für die Entwicklung der Gesellschaft und Wirtschaft immer wichtiger wird, wird das bayerische Bildungssystem deshalb seiner Aufgabe nicht gerecht und ist damit nicht zukunftsfähig.
Die besten Bedingungen für optimale Förderung, modernsten Unterricht und individuelles Lernen gibt es in einer Schule, in der alle Kinder neun Jahre gemeinsam lernen. Die bayerischen Grundschulen zeigen erfolgreich, wie alle Kinder gemeinsam miteinander und voneinander lernen können. Dagegen ist das heutige Sortieren nach der vierten Klasse in Hauptschule, Realschule und Gymnasium ineffektiv und vergeudet viel Potenzial und Motivation der Kinder und Jugendlichen. „Länger gemeinsam zur Schule“ ist daher ein entscheidender Schritt zu mehr Effizienz und Gerechtigkeit in unserem Schulsystem.

Als Grüne sind wir der Überzeugung, dass die frühe Auslese und Aufteilung auf unterschiedliche Schularten die Kinder (und ihre Eltern) bereits in der dritten und vierten Klasse unter enormen Druck setzt.
Fast jedes vierte Kind bekommt Nachhilfe, um den Übertritt auf die Realschule oder das Gymnasium zu schaffen. Dieser Druck macht viele Kinder krank, die Lehrkräfte zu „Tätern wider Willen“ und belastet die Familien (-finanzen). Wir wollen dieses gnadenlose Aussortieren beenden und eine gemeinsame neunjährige Schulzeit einführen. Wir wollen Talente entdecken und Leistungsfähigkeit gerecht fördern. Allen Kindern stehen Förderangebote zur Verfügung. Die Ressourcen werden auf einer Schule gebündelt – also nicht mehr unterschiedlich nach Schularten vergeben. Wenn der Schulerfolg nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängt, erhalten auch Kinder aus ärmeren Familien eine Chance.

Darum stehen wir für eine längere gemeinsame Schulzeit für alle. Bezüglich der Auswirkungen auf das achtjährige Gymnasium wird es so sein, dass die Schüler nach der 9. Klasse entscheiden können, ob sie eine Berufsausbildung anstreben, die mittlere Reife ablegen oder auf die gymnasiale Oberstufe wechseln. Das achtjährige Gymnasium an sich existiert demnach nicht mehr.
Aber sorgen Sie sich deswegen nicht um Ihre Zukunft als Gymnasiallehrer. Eine längere gemeinsame Schulzeit erfordert eine Vielzahl an Lehrpersonal, da die individuelle Förderung eine entsprechende personelle Ausstattung braucht. Bayern braucht daher dringend mehr Lehrerinnen und Lehrer. Ob man dann künftig noch in Hauptschul, Realschul- und Gymnasiallehrer unterteilt, glaube ich nicht. Es würde aber sicher nicht zu Ihrem Nachteil sein.

Mit besten Grüßen
Matthias Gauger