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Martina Koeppen
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Frage von Thomas C. •

Frage an Martina Koeppen von Thomas C. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen

Sehr geehrte Frau Koeppen,

die Wohnraumverknappung ist das z. Zt. drängendste soziale Problem in Hamburg. Dennoch werden nach Auskunft des Mietervereins in unserer Stadt z. Zt. ca. 40.000 Wohnungen zweckentfremdet, d. h. sie stehen leer oder werden nicht für Wohnzwecke genutzt. Vielfach ist dies auf Sanierungsbedarf zurückzuführen. Leider fördert die Hamburgische Wohnungsbaukreditanstalt (WK) jedoch Sanierungen nur in geringem Umfang. Sog. Ersatzneubauten, d. h. Neubauten, die nach vorherigem Abriss sanierungsbedürftiger Häuser neu errichtet werden, fördert die WK hingegen in siebenfacher Höhe (vgl. Kurzgutachten des Architektenbüros Plan R vom 12.11.12 auf der Grundlage eines Architektengutachten des Büros Dittert und Reumschüssel im Auftrag der VHW). Infolge dieses Missverhältnisses werden m. E. öffentliche Mittel fehlkanalisiert und darüber hinaus dem Markt über rel. lange Zeiträume Wohnungen entzogen: Sanierungen sind naturgemäß schneller durchführbar als Abriss- und „Ersatzneubau“-Vorhaben.

Meine Frage: Wie bewerten Sie das gegenwärtige Verhältnis von Sanierungsförderung zu „Ersatzneubau“-Förderung ? Falls Sie die Förderung sog. Ersatzneubauten überhaupt befürworten: Sollten aus Ihrer Sicht derartige Neubauten nur gefördert werden, wenn einem Vermieter trotz Sanierungsbemühungen in der Vergangenheit der Erhalt des Altgebäudes nicht mehr zuzumuten ist - oder auch, wenn der Vermieter infolge schuldhaft verursachten Sanierungsstaus Altgebäude nicht mehr gewinnbringend vermieten kann ?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Cirsovius,

vielen Dank für Ihre Nachricht.

Die SPD-Fraktion verfolgt das Thema Zweckentfremdung und Leerstand bereits seit mehreren Jahren. Es ist schlichtweg unsozial, in Zeiten drastischer Wohnungsknappheit vorhandenen Wohnraum dauerhaft unvermietet zu lassen oder durch unerlaubte gewerbliche Nutzungen dem Wohnungsmarkt zu entziehen. Zu Beginn der Legislaturperiode haben wir deshalb einen Antrag zur Verschärfung des Wohnraumschutzgesetzes in die Bürgerschaft eingebracht, nachdem die CDU-geführten Senate unsere Anträge hierzu in der Vergangenheit immer abgelehnt hatten. Wir diskutieren das Thema in Kürze im Stadtentwicklungsausschuss.

Mit der Gesetzesnovelle werden Leerstände, die länger als 3 Monate dauern, wieder anzeigepflichtig, es gibt eine Zwischenvermietungspflicht bei geplanten Um- und Neubaumaßnahmen und mehr Personal bei den Bezirken für eine bessere Kontrolle von Zweckentfremdungen wie gewerbliche Nutzung oder Leerstand von Wohnraum.

Vor dem Hintergrund, dass es für viele Menschen zunehmend schwierig wird, eine preiswerte Wohnung in der Stadt zu finden, müssen wir in erster Linie alles dafür tun, dass mehr Wohnungen gebaut werden. Nur damit tragen wir mittel- und langfristig zu einer Entspannung auf dem Wohnungsmarkt bei. Wir müssen uns aber auch darum kümmern, dass der vorhandene Wohnungsbestand auch als Wohnraum zur Verfügung steht und nicht anderweitig genutzt wird. Deshalb ist es richtig, stärker gegen Zweckentfremdungen vorzugehen.

Das Gros der Zweckentfremdungen betrifft übrigens nicht - wie Sie vermuten - Leerstände. Nur die wenigsten Eigentümer lassen ihren Wohnraum langfristig leer stehen und verzichten dadurch auf Einnahmen. Die meisten Zweckentfremdungen erfolgen, um mit der Wohnung mehr Geld zu verdienen, als mit einer normalen Wohnnutzung möglich wäre. Hierbei geht es meist um gewerbliche Nutzungen von Wohnraum, sei es als Ferienwohnung, als Anwaltskanzlei oder Werbeagentur. Dem müssen wir entgegenwirken. Denn: In unserer Stadt stehen genügend Gewerbeflächen zur Verfügung, Wohnraum in Gewerbe umzuwandeln ist nicht nur unsozial sondern auch verboten. Der Senat hat bereits angekündigt, kurzfristig mehr Mitarbeiter damit zu beauftragen, Zweckentfremdungen und Leerstände zügig aufzudecken und konsequent zu beseitigen.

Wir haben uns ganz bewusst dafür entschieden, möglichst viele Fördermittel in den Neubau zu geben. Denn jede neu gebaute Wohnung entlastet den Wohnungsmarkt, eine sanierte Wohnung hingegen erhöht nicht das Angebot insgesamt.

Ich werde Ihrem Hinweis gerne nachgehen und beobachten, ob ggf. tatsächlich öfter Abriss und Neubau statt Sanierung erfolgen. Ich erläutere Ihnen jedoch gern auch kurz die Hintergründe: Viele Eigentümer älterer Wohnungen stehen heute vor der Frage, ob sich eine Sanierung überhaupt lohnt oder ob nicht ein kompletter Neubau sinnvoller wäre. Dies betrifft insbesondere Nachkriegsbauten aus den 1950er-1970er Jahren mit sehr geringem energetischem Standard. Kurzfristig gedacht stimmt Ihre Argumentation: eine Sanierung nimmt in der Regel natürlich weniger Zeit in Anspruch als ein Neubau. Eine Sanierung ist jedoch über die Jahre gerechnet nicht immer günstiger. So eröffnet ein Neubau dem Eigentümer mehr Möglichkeiten, nachfragegerecht zu bauen. Langfristig kann also ein Ersatzneubau durchaus die bessere Variante sein, etwa weil sich barrierefreie Wohnungen leichter realisieren lassen oder ein besserer energetischer Standard erreicht wird. Zudem bietet sich dabei oft die Möglichkeit der Nachverdichtung, also mehr Wohnraum auf der gleichen Fläche zu errichten.

Mit freundlichen Grüßen,

Martina Koeppen

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