Martin Rabanus im dunklen Anzug mit roter Krawatte
Martin Rabanus
SPD
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Frage von Patrick S. •

Frage an Martin Rabanus von Patrick S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Hallo Herr Rabanus,

zum momentanen Zeitpunkt köcheln mehrere Geheimdienstskandale und Dank Snowden ist uns auch entgültig klargeworden das nahezu jede Komunikation abgefangen und gespeichert wird.
Wieso halten Sie den jetztigen Zeitpunkt für angemessen eine Maßnahme wie die Vorratsdatenspeicherung zu beschließen? Müssten wir nicht ersteinmal dafür kämpfen das sich alle Dienste (inclusive der deutschen) an die gültigen Gesetze halten?

Abgesehen davon ist mir nicht klar welche Änderungen dazu führen sollen das ein neues Gesetz verfassungskonform ist. Können Sie mir die Unterschiede zu dem Ersten Versuch nennen? Bei Welchen konkreten Straftaten dürfen die gespeicherten Daten nach Ihrem Verständnis genutzt werden?

Im Interesse der gesamten das Internet nutzenden Bevölkerung, bitte ich Sie überdenken Sie noch einmal Ihre Position zur Vorratsdatenspeicherung.

Viele Grüße
Patrick

Martin Rabanus im dunklen Anzug mit roter Krawatte
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Schmidt,

ich bedanke mich für Ihre Nachricht. Zunächst einmal sind die von Ihnen benannten zwei Sachverhalte strikt voneinander zu trennen.

Seit Wochen sind die Selektoren (Suchbegriffe), die die US-amerikanische National Security Agency (NSA) im Rahmen einer Kooperation mit dem Bundesnachrichtendienst (BND) zur Terrorismusbekämpfung in dessen Überwachungssysteme eingespeist haben soll, Thema in Politik und Medien. Überprüft wurden rein ausländische Kommunikationsverkehre, die über Satellit geführt in Deutschland vom BND erfasst wurden. Unter den Selektoren (zu Beispiel IP-Adressen sowie Telefon- und E-Mail- Anschlüsse) sollen sich Begriffe befunden haben, die in den Bereich der Wirtschaftsspionage und der Ausspähung französischer Behörden hineinreichen könnten. Angeblich sind solche Selektoren seitens des BND erstmals im Jahr 2005 entdeckt worden. Im Januar 2006 sollen diese Begriffe über eine „Ablehnungsdatei“ (Selektorenliste) geblockt worden sein. Anschließend soll eine fortlaufende Prüfung der Begriffe stattgefunden haben. Doch im August 2013, nachdem die Snowden-Dokumente öffentlich wurden, soll eine stichprobenartige Überprüfung der Suchbegriffe ergeben haben, dass eine Reihe von Selektoren übersehen und nicht aussortiert worden waren. Über den Umfang der Selektorenliste existieren unterschiedliche Angaben. Die Spitze des BND und auch das Bundeskanzleramt hätten jedenfalls erst im März 2015 von den ausgefilterten Selektoren erfahren, heißt es. Denn diese „Ablehnungsdatei“ oder Selektorenliste ist nach Angabe des Bundeskanzleramts erst aufgrund eines Beweisantrages des NSA-Untersuchungsausschusses in den Unterlagen, die der BND für den Untersuchungsausschuss an das Kanzleramt lieferte, entdeckt worden.

Seitdem das bekannt wurde, setzt sich die SPD-Fraktion dafür ein, dass das Parlament im Sinne des Aufklärungsinteresses in geeigneter Weise informiert wird. Zudem vernimmt der Untersuchungsausschuss teilweise zum zweiten Mal Mitarbeiter des BND, die mit der Prüfung der Selektorenliste befasst waren. Dabei gelte es auch zu klären, warum die Spitzen von BND und Kanzleramt zunächst nicht von der Arbeitsebene des BND informiert worden sind. Die Entscheidung, ob und in welcher Form das Parlament Einblick in die Selektorenliste erhält, liegt in der Verantwortung der Bundesregierung und vor allem beim Bundeskanzleramt, das für die Kontrolle der Nachrichtendienste zuständig ist. Die Überwachung der Ausland-Ausland-Kommunikation durch den BND muss auf eine klare Rechtsgrundlage gestellt werden, um diese Tätigkeit aus dem bisherigen rechtlichen Graubereich zu holen. Die Bürgerrechte von In- und Ausländern müssten gewahrt werden. Zudem komme es auf eine effektive parlamentarische Kontrolle an.

Davon losgelöst findet aktuell ein gesetzgebungsverfahren zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten statt. Im Folgenden möchte ich auf Ihre Bedenken hinsichtlich des Gesetzentwurfs eingehen. Auch wenn Sie diese womöglich nicht vollends überzeugen, soll dies zumindest unsere Beweggründe und mit dem Vorhaben verbundenen Aspekte erläutern.

Am 15. April hat Bundesjustizminister Heiko Maas Leitlinien zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten vorgelegt. Mit dem Vorschlag von Bundesjustizminister Maas wird eine eng begrenzte Pflicht für alle Telekommunikationsanbieter zur Speicherung von wenigen, genau bezeichneten Verkehrsdaten unter Ausnahme von Diensten der elektronischen Post - also Email - eingeführt. Oberste Richtschnur aller Regelungen sind für uns die strengen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes und des Europäischen Gerichtshofes. Die von Bundesjustizminister Maas vorgelegten Leitlinien sind viel restriktiver als das vom Bundesverfassungsgericht aufgehobene, ehemalige Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung, viel restriktiver als die aufgehobene europäische Richtlinie und auch viel restriktiver als CDU/CSU es wollen:

- Gespeichert werden müssen nur genau bezeichnete Verkehrsdaten, die bei der Telefonkommunikation anfallen (Rufnummer, Beginn und Ende des Telefonats, im Fall von Internet-Telefondiensten auch die IP-Adressen). Diese Daten sollen zehn Wochen gespeichert werden.

- Für die Bezeichnung der Funkzellen, die durch den anrufenden und den angerufenen Anschluss bei Beginn der Verbindung genutzt werden, gilt eine deutlich kürzere Speicherfrist von vier Wochen. Diese kurze vierwöchige Speicherfrist ist vorgesehen, weil über Funkzellendaten der Aufenthaltsort des Mobilfunknutzers bestimmt werden kann und wir nicht wollen, dass mittels dieser Daten Bewegungs- und Persönlichkeitsprofile erstellt werden können. Zusätzlich muss im richterlichen Anordnungsbeschluss einzelfallbezogen begründet werden, warum der Abruf von Funkzellendaten erforderlich und angemessen ist. Anders als etwa in Frankreich dürfen Kommunikationsinhalte und aufgerufene Internetseiten nicht gespeichert werden.

- Um die Grundrechte der Betroffenen auf Datenschutz und Schutz ihrer Privatsphäre zu wahren, ist der Datenabruf nur zur Verfolgung von schwersten Straftaten möglich. Daten von Berufsgeheimnisträgern wie JournalistInnen, AnwältInnen oder ÄrztInnen unterliegen einem Verwertungsverbot. Dies gilt auch bei Zufallsfunden.

- Wichtig ist, dass der Zugriff auf die gespeicherten Daten transparent und restriktiv geregelt ist: Es gibt einen strengen Richtervorbehalt, d.h. nur auf richterlichen Beschluss hin dürfen Ermittlungsbehörden die Daten abrufen und es gibt keine Eilkompetenz der Staatsanwaltschaft oder der Polizei. Im Vergleich zu der vom Bundesverfassungsgericht verworfenen Regelung zur Vorratsdatenspeicherung ist der von Minister Maas vorgelegte Straftatenkatalog deutlich reduziert worden. Der Abruf von Daten wird nur für schwerste Straftaten möglich sein. Darüber hinaus müssen die Betroffenen grundsätzlich über jeden Abruf informiert werden. Nach Ablauf der Speicherfrist von zehn bzw. vier Wochen müssen die gespeicherten Daten gelöscht werden. Verstöße gegen die Löschpflichten oder die Weitergabe von Daten haben strenge Sanktionen für die Diensteanbieter zur Folge.

- Die Leitlinien enthalten zudem eine datenschutzrechtliche Verbesserung zur geltenden Rechtslage: Das Gesetz wird die Befugnis der Ermittlungsbehörden zum Abruf der genannten Daten abschließend regeln. Speichert ein TK-Anbieter die Daten über den verpflichtend vorgegebenen Zeitraum auf Grund einer anderen Rechtsgrundlage, z.B. zu Zwecken der Vertragserfüllung, weiterhin, so ist der Abruf nach diesem Gesetz dennoch nach Ablauf der 10 bzw. 4 Wochen untersagt.

- Um die Sicherheit der gespeicherten Daten zu gewährleisten, werden die Diensteanbieter zudem verpflichtet, die Daten zu schützen. Auch müssen die Server, auf denen die Daten gespeichert werden, innerhalb Deutschlands stehen. Wenn ein Diensteanbieter mit den gespeicherten Daten Datenhandel treibt und diese unbefugt an Dritte weitergibt, ist dies zukünftig eine Straftat nach dem neu zu schaffenden Tatbestand der Datenhehlerei.

Die Leitlinien respektieren die Vorgaben des BVerfG und des EuGH und sind eine gute Grundlage für die weitere Debatte und das anstehende parlamentarische Verfahren. Die SPD-Bundestagsfraktion wird dafür Sorge tragen, dass sich die obigen Grundsätze ohne Ausnahmen und Abstriche auch in den gesetzlichen Detailregelungen wiederfinden. Wir sind uns sicher, dass am Ende ein ausgewogener Kompromiss stehen wird. Deutschland hätte damit zugleich die strikteste Regelung zur Speicherung von Verkehrsdaten in ganz Europa.

Mit freundlichen Grüßen

Martin Rabanus
Mitglied des Deutschen Bundestags

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