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Martin Häusling
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Hartmut K. •

Frage an Martin Häusling von Hartmut K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Häusling,

ich frage mich schon seit ziemlich langer Zeit,wann das Europa Parlament sich endlich bemüßigt fühlt,sich mit der katastrophalen Situation in Ungarn zu beschäftigen.Was muß eigentlich noch dort passieren,bis europ. Institutionen Ungarn zum Mittelpunkt nicht nur von Beratungen sondern auch des entschiedenen Handelns machen? Es ist empörend zu sehen,wie Demokraten misshandelt und verfolgt werden,wie demokratische Grund- und allgemeine Menschenrechte mit Füssen getreten werden und Europa lässt sie im Stich.Hier in der BRD gedenken wir gerade der Opfer rassistischer Verfolgung durch das Nazi-Regime und in Ungarn kann ein faschistoides Regime ungehemmt sich in antisemitischer Hetzpropaganda ergehen.Diese Leute brauchen dringend einen deftigen Warnschuss vor den Bug.Dies wäre auch eine Ermutigung der Menschen,die sich dort im Widerstand engagieren und bitter dafür bezahlen müssen.Wenn ich mich an das Trara um die FPÖ Regierung in Österreich vor etlichen Jahren erinnere,so ist das zaghafte Schweigen nicht nur des EU Parlaments in meinen Augen ein Skandal.

Ich habe diese Frage auch Ihrem Kollegen von der SPD Bullman schon gestellt und verbleibe in freudiger Erwartung Ihrer geschätzten Antwort

mit freundlichen Grüssen

H.Kamp

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Kamp,

ich teile Ihre Ansicht, dass die EU Orban nicht nur mit Worten, sondern endlich mit Taten begegnen muss. Tun wir das nicht, rütteln wir an den Grundfesten Europas: dem Willen, Bekenntnis und der Verpflichtung zur Einhaltung demokratischer Werte. Sie haben recht: Hier ist Europa, auch das Europaparlament, in der Pflicht.

An Auseinandersetzungen mangelt es im Parlament aus meiner Sicht jedoch nicht. Nicht erst seit Wochen, sondern  Jahren setzen gerade wir Grünen Viktor Orbans demokratieschädigendes Regierungshandeln immer wieder auf der Tagesordnung, in diesem Jahr im Januar und April 2013. Jedoch sind dem Parlament nicht nur durch seine geringen Machtbefugnisse die Hände gebunden. In der Tat mangelt es dem Parlament an einer entschiedenen Haltung. Der Grund: Die Europäische Volkspartei (EVP), europäische Schwesterpartei der CDU/CSU und der ungarischen Partei Fidez, deren stellvertretender Vorsitzender Viktor Orban zudem ist, kann grundsätzlichen Verstöße in der ungarischen Regierungsführung nicht erkennen und hat so eine echte Sanktionierung Ungarns für einen Verstoß gegen die Grundwerte der EU im Rahmen des Artikels 7 des EU-verhindert.

Auch die Kommission verfügt nur über begrenzte Handlungsmöglichkeiten. Diese hat sie genutzt und ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn eingeleitet. Hier sind jedoch jahrelange Verhandlungen vor dem Europäischen Gerichtshof und eine Entscheidung erst dann zu erwarten, wenn die Änderungen in Ungarn längst ihre Wirkung gezeigt haben: Kein unliebsamer Verfassungsrichter wird wohl dadurch zurückgeholt und kein zum Staatsdiener gemachter Datenschutzbeauftragter wieder unabhängig werden. Dass Orban solche Verfahren nicht sonderlich fürchten muss, haben ihm übrigens viele Staats- und Regierungschefs der EU über Jahre vorgemacht. Es ist der Rat der Europäischen Union, der als beschlussfassendes Gremium aller Mitgliedsstaaten klar und deutlich Stellung beziehen müsste, es jedoch abgelehnt hat sich in die „Angelegenheiten eines Staates einzugreifen“. Die Rufe nach gemeinsamen Werten verhallen damit in einem gewollten Vakuum, was ich genau so bedaure und verurteile wie Sie.

Die Staats- und Regierungschefs hätten mit einem Beschluss über eine ausnahmslose Unterwerfung aller Mitgliedstaaten unter eine vereinfachte Kontrolle und Sanktionierung durch das Europäische Parlament und den Europäischen Gerichtshof ihrer Verantwortung gerecht werden können - ein überfälliger Schritt für eine echte europäische Wertegemeinschaft, die nicht zuletzt Kanzlerin Merkel mit der Unterstützung ihrer Partei und damit der Partei Orbans verhindert. Eine gefährliche Doppelmoral einer Kanzlerin, die eigentlich sehr gut wissen sollte, wie wichtig es ist, der Verletzung fundamentaler demokratischer Werte rechtzeitig und entschieden Einhalt zu gebieten.

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