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Martin Gerster
SPD
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Frage von Michael K. •

Frage an Martin Gerster von Michael K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Gerster,

Die Debatte um eine (unnötige) Verschärfung des Waffenrechts zieht sich nun schon eine weile durch die Ausschüsse der "Spezialisten" und immer wieder muss ich feststellen, dass die SPD in dieser Debatte einen etwas irrationalen Standpunkt einnimmt.

Warum ich Sie anschreibe? Nun, ich war vier Jahre lang Student in Biberach, bin aktiver (Traditions-)Sportschütze und hänge an meinem Hobby. Das erste, was einem Fremden zu Biberach einfällt: "Schützenfest"!

Nun, da Sie aus dieser Ecke stammen: Sind Sie auch der Meinung, dass ein zentrales Waffenregister in Verbindung mit der "Erfassung fragwürdiger Äußerungen (an Biberacher Stammtischen)" zielführend ist?
Sind Sie der Meinung dass die Biberacher Schützen ohne triftigen Grund Ihre Wohnungstür öffnen müssen, wenn sie jemand (durch-)besuchen kommt? (Tun sie es nicht folgt evtl. der Verlust der Waffenrechtlichen Erlaubnis -> Erpressung!)
Kennen Sie Schützen in Biberach? Stellen diese (oder deren Waffen) ein Sicherheitsrisiko dar?
Halten Sie ein Verbot Großkalibriger Waffen für adäquat, jetzt da bekannt ist, dass auch Kleinkaliber tödlich und auch Messer und Molotow-Cocktails zum "Amoklaufen" ausreichen?

Freundliche Grüße,

Michael Keppler

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Keppler,

herzlichen Dank für Ihre Frage zu den geplanten Änderungen im Waffenrecht, zu denen ich gerne Stellung nehme. Vorweg: Ich habe vor Ihrem Hobby größten Respekt und bin persönlich mit zahlreichen Jägern und Sportschützen aus dem Kreis Biberach befreundet. Insofern ist mir keineswegs daran gelegen, Schützen oder Jäger zu kriminalisieren. Als Politiker ist es jedoch meine Pflicht, auf gesellschaftliche Entwicklungen zu reagieren.

Ich denke, es ist unumstritten, dass es sich bei einer Schusswaffe (gleich welchen Kalibers) um eine Gefahrenquelle im Sinne unserer Rechtsordnung handelt.

Auch der Deutschen Schützenbund fordert seit längerer Zeit Änderungen und Verbesserungen im Waffenrecht, das unter anderem an Eu-Vorgaben angeglichen werden muss. Daher kann und darf man die geplanten Neureglungen nicht (nur) im Zusammenhang mit den schrecklichen Ereignissen von Winnenden sehen. Der Regelungsbedarf im Umgang mit Schusswaffen reicht weit über diesen Kontext hinaus. Die voraussichtlich noch vor der Sommerpause im parlamentarischen Verfahren diskutierten Maßnahmen haben deshalb das Ziel
. Die Anzahl legaler und illegaler Waffen zu reduzieren
. Den Umgang (insbesondere von Jugendlichen) mit großkalibrigen Waffen einzuschränken
. Die Verwahrung legaler Waffen besser zu sichern
. Mit neuester Technik in Zukunft dafür zu sorgen, dass nur noch legale Besitzer die Waffe nutzen können
. Die Recherche der Polizeibehörden nach Waffen und Waffenbesitzern wesentlich zu beschleunigen
Diese Maßnahmen wurden intensiv u.a. mit dem Deutschen Schützenbund (DSB) diskutiert und werden vom DSB auch mitgetragen bzw. befürwortet. Uns war es in diesem Zusammenhang immer wichtig, gemeinsam mit dem Schützenbund und der Interessenvertretung der Jäger eine allgemein akzeptable Lösungen zu finden.

Auch die von Ihnen konkret angesprochene Einführung eines zentralen und europaweit gültigen Waffenregisters wird allgemein befürwortet -- auch und gerade vom Deutschen Schützenbund. Aufgrund der EU-Waffenrechtlinie vom 21. Mai 2008 sind die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, bis Ende 2014 ein computergestütztes Waffenregister einzuführen. In diesem Register müssen Typ, Modell, Fabrikat, Kaliber, Seriennummer der Waffe sowie Name und Anschrift des Verkäufers und des Waffenbesitzers eingetragen werden. Ein derartiges nationales Waffenregister ist zentrale Voraussetzung für die genaue Kenntnis der Anzahl legaler Waffenbesitzer und Schusswaffen in Deutschland. Gegenwärtig gibt es ca. 570 Waffenerlaubnisbehörden in den Ländern, ohne dass eine Vernetzung existiert. Der Deutsche Schützenbund ist sich mit der Gewerkschaft der Polizei einig, dass ein zentrales Waffenregister erforderlich ist.

Zum Ihrer Frage nach der (angeblichen) Durchsuchung: Ich bin nicht der Meinung, dass Wohnungen von Schützen und Jäger ohne triftigen Grund (und damit zwingend nur durch richterlichen Beschluss angeordnet) durchsucht werden sollen. Dies ist auch nicht vorgesehen. Eine Durchsuchung einer Wohnung bedarf nach wie vor eines richterlichen Beschlusses gem. §§ 102ff. StPO -- und das ist auch gut so. In der vorliegenden Entwurfsfassung wird auch eine solche Durchsuchungsbefugnis nicht konstituiert. Konkret sollen die Waffenbesitzer verpflichtet werden, der Behörde die Möglichkeit verdachtsunabhängiger Kontrolle der sorgfältigen Aufbewahrung von erlaubnispflichtigen Schusswaffen oder Munition zu ermöglichen. Auch wenn nicht sämtliche Waffenbesitzer tatsächlich kontrolliert werden können, wird alleine die ständige Möglichkeit unangemeldeter Kontrollen eine striktere Befolgung der Regeln veranlassen. Hierbei ist -- außer bei Gefahr im Verzug - nicht vorgesehen, dass die Wohnung gegen den Willen des Berechtigten betreten werden kann. Wer seiner Pflicht zur Gestattung einer Kontrolle nicht entspricht, muss jedoch mit dem Entzug der Waffenbesitzkarte rechnen. Die unsachgemäße Lagerung von Waffen oder Munition soll in Zukunft als Straftat verfolgt werden, falls hierdurch die Gefahr des Verlustes der Waffe oder des Zugriffs Unbefugter verursacht wurde. Ich persönlich halte diese Regelungen nicht für unangemessen.

Sehr geehrter Herr Keppler, ich erlaube mir auf die restlichen Fragen nur allgemein zu antworten, da sie für meinen Geschmack recht polemisch formuliert sind und wenig Raum für sachliche Auseinandersetzung lassen. Ich persönlich halte die o.g. Maßnahmen für durchaus hilfreich, wenn es darum geht, die mit Schusswaffen in Verbindung stehenden Gefahren - auch aber eben nicht nur durch amokgefährdete Jugendliche - zu minimieren. Eine Musterlösung gegen Ereignisse, wie wir sie in Winnenden erleben mussten - sind sie allerdings nicht. Amokläufe an Schulen effektiv zu verhindern, sehe ich vor allem als Herausforderung an die schulische Präventionsarbeit. Gefährdete junge Menschen müssen rechtzeitig identifiziert und vor der inneren Isolation, die zumeist der Tat vorausgeht, bewahrt werden. Eltern und Lehrer gilt es für das Thema zu sensibilisieren. Auch einen weiteren Ausbau der Schulsozialarbeit und der psychologischen Betreuungsangebote an Schulen halte ich deshalb für sinnvoll.

Ich hoffe Ihnen mit diesen Auskünften weitergeholfen zu haben und stehe für Rückfragen gerne zur Verfügung.

Mit herzlichen Grüßen

Martin Gerster

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