Sehr geehrter Herr Dr. Reichel, werden Sie für einen Bundestags-Untersuchungsausschuss zur Aufarbeitung der Corona-Maskengeschäfte unterschreiben? Vielen Dank im Voraus für die Antwort. Viele Grüße
Unterschriften für Corona-Untersuchungsausschuss | STERN.de https://share.google/9ub9n4n1B3OYLJywL
Sehr geehrter Herr S.,
vielen Dank für Ihre Frage bezüglich einer möglichen Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.
Demokratie hat dafür Sorge zu tragen, mögliche Verfehlungen bei politischen Entscheidungen konsequent aufzuklären – unabhängig davon, um welche Personen oder Parteien es geht. Dabei ist ein Untersuchungsausschuss ein legitimes Instrument der parlamentarischen Kontrolle. Ich möchte aber betonen, dass die CDU/CSU-Bundestagsfraktion jederzeit großen Wert auf Transparenz und die ordnungsgemäße Verwendung von Steuergeldern legt. Am 10. Juli hat der Deutsche Bundestag eine Enquete-Kommission zur Aufarbeitung der Corona-Pandemie eingesetzt. Diese wird auch die staatliche Beschaffung und Vergabe von Masken und Schutzkleidung kritisch prüfen. Es ist mir, wie auch der gesamten CDU/CSU-Bundestagsfraktion, wichtig, die Ereignisse der Kommission sehr ernst zu nehmen.
Aber bei aller Aufarbeitung darf man die Umstände zu Beginn der Corona-Pandemie nicht außer Acht lassen. Während der Corona-Pandemie hat sich Deutschland in einem absoluten Ausnahmezustand befunden. Weltweit war die Nachfrage nach Masken und die Möglichkeiten deren Beschaffung chaotisch. China, der Hersteller von rund 80 Prozent des weltweiten Maskenbedarfs, befand sich im Lockdown und hatte den Export aufgrund des eigenen Bedarfs weitgehend gestoppt. In deutschen Krankenhäusern, Arztpraxen und Pflegeheimen fehlten Masken. Formal wären die Bundesländer für die Beschaffung zuständig gewesen, der Bund sprang hier ein, auch weil man keinen Bieterwettbewerb zwischen 16 Bundesländern auf dem Weltmarkt provozieren wollte. Den Beschaffungsämtern des Bundes bei BMI und BMVg gelang keine ausreichende Masken-Beschaffung. In der Folge übernahm auch das BMG die Aufgabe mit, mit dem klaren Ziel, Masken zu beschaffen, um Leben zu schützen und die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems aufrechtzuerhalten.
Der Druck war enorm und die Erwartungshaltung an eine schnelle Lösung kam aus allen politischen Richtungen. Jens Spahn, der damalige Bundesgesundheitsminister, stand unter größtem Zeitdruck und vor der Aufgabe, eine ausreichende Versorgung sicherzustellen. Wären in der ersten Welle keine Masken beschafft worden, hätte dies verheerende Konsequenzen haben können. Hätte der damalige Gesundheitsminister die üblichen Vergabeverfahrenspraktiken eingehalten, hätte die Beschaffung ein halbes Jahr gedauert. Zeit, die viele Bürger im Zweifel nicht mehr gehabt hätten. Die Erwartungshaltung der Bürger und auch vieler Politiker an das Gesundheitsministerium war damals immens. Die, die Maßnahme nun am heftigsten kritisieren, waren damals auch die, die am lautesten riefen, innerhalb kürzester Zeit Schutzmasken zu beschaffen, die es nicht gab. Unter diesen Umständen hat Jens Spahn damals beherzt gehandelt und mit seinem Vorgehen vermutlich sichergestellt, dass Menschenleben gerettet wurden. Das dabei auch Fehler gemacht wurden, kann ich nicht ausschließen. Doch Jens Spahn selbst hat sich klar für eine lückenlose Aufarbeitung ausgesprochen.
Eine sachliche Aufklärung fordere ich auch ein. Doch eine politische Instrumentalisierung der Sache möchte ich nicht unterstützen. Die Enquete-Kommission ist eingesetzt, um für künftige Pandemien besser gerüstet zu sein. Werden Verfehlungen oder Missstände in Regierung und Verwaltung oder Fehlverhalten von Politikern vermutet, dann darf der Bundestag einen Untersuchungsausschuss einsetzen. Ich bin aber überzeugt davon, dass Jens Spahn in dem Moment im besten Interesse unseres Landes gehandelt hat. Deshalb setze ich mich für eine faire und sachliche Bewertung der Vorgänge ein, ohne vorschnelle politische Vorverurteilungen und persönliche Urteile. Die Ergebnisse der Enquete-Kommission werden für mich richtungsweisend sein.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Markus Reichel

