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Markus Kurth
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Frage von Oliver K. •

Frage an Markus Kurth von Oliver K. bezüglich Innere Sicherheit

Lieber Herr Kurth,

inwieweit unterstützen Sie den Datenschutz deutscher Internetnutzer gegenüber der NSA und anderen Spähradikalen? Unsere Sicherheit im Netz wird zunehmend bedroht. Die Enthüllungen von Edward Snowden zeigen dies jeden Tag aufs Neue. Als Bürger bekomme ich das Gefühl die Politik und speziell die schwarz-rote Regierung möchte das Thema aussitzen und ignoriert damit den Schutz der Bürger. Als Empfehlung von meiner Seite (obwohl ich sonst kein großer Fan von ihm bin): Sascha Lobos 70minütiger Auftritt auf der re:publica 2014 - auch auf Youtube abrufbar.

Wie ist Ihr Standpunkt zum Thema Sicherheit im Netz und zu den rechts- und sicherheitsfeindlichen Antidemokraten, die unser aller Internet missbrauchen? Wo können Sie uns als Netzoptimisten, Nutzer, Aktivisten und eben auch Bürger dabei unterstützen die Sicherheit im Netz zu schützen?

Viele Grüße

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Körting,

Vielen Dank für Ihre Anfrage zu dieser wichtigen Frage. Die Grünen stehen grundsätzlich für einen umfassenden Datenschutz der Bürgerinnen und Bürger. Dies muss auch im Internet gelten. Wie Sie richtigerweise beschreiben, gerät die Sicherheit und der Datenschutz im Netz von verschiedenen Seiten unter Druck. Dies zeigt sich in den Verhandlungen zum transatlantischen Freihandelsabkommen (TTIP), dem NSA-Untersuchungsausschuss und dem aktuellen Gesetzesentwurf der Großen Koalition zur Vorratsdatenspeicherung.

Die jüngsten Enthüllungen in der BND-Affäre haben diesen Eindruck erneut verschärft. Es ist ungeheuerlich, dass der BND eine Art Auftragserfassung für die NSA macht, aber offenkundig nicht willens und in der Lage ist zu prüfen, was für Suchkriterien die NSA ihm dabei an die Hand gibt. Damit riskiert der BND massenhafte Verstöße gegen deutsches und europäisches Recht. Zudem hat das Bundeskanzleramt massiv in der Aufsicht des BND versagt oder aber gegenüber dem Untersuchungsausschuss die Unwahrheit gesagt. Nach wie vor fordern wir von der Bundesregierung die Vorlage der sogenannten „Selektoren“ im NSA-Untersuchungsausschuss. Es kann nicht sein, dass die US-Regierung bei der Herausgabe das letzte Wort spricht. Ohne die Selektoren-Liste wird es nicht möglich sein zu überprüfen, in welchem Ausmaß europäische Institutionen und Firmen von der Datenerfassung betroffen sind.

Gerne werde ich im Folgenden auch noch auf das momentane Gesetzgebungsverfahren zur Vorratsdatenspeicherung eingehen. Die Vorratsdatenspeicherung, also die anlasslose und massenhafte Speicherung von Telekommunikationsverbindungsdaten aller Bürgerinnen und Bürgern auf Vorrat, bewegt seit Jahren Diskussion in der Bürgerrechtspolitik. Nicht ohne Grund hatte bereits das Bundesverfassungsgericht die Umsetzung der EU-Richtlinie in deutsches Recht mit dem Grundgesetz für unvereinbar beschieden. Die Richter in Karlsruhe warnten vor einem diffusen Gefühl des Beobachtetseins, das mit der anlasslosen Massenüberwachung der gesamten Bevölkerung einhergeht. Auch wir hatten gegen das letzte - ebenfalls von einer Großen Koalition vorgelegte - Gesetz geklagt. Seitdem haben wir immer wieder Initiativen gegen die Vorratsdatenspeicherung im Deutschen Bundestag vorgelegt.

Die Vorratsdatenspeicherung stellt alle Bürgerinnen und Bürger unter einen unseren europäischen Rechtsordnungen unbekannten Generalverdacht. Seit langem verweisen die Gegner der Vorratsdatenspeicherung darauf, dass durch die Speicherung sämtlicher, sehr aussagekräftiger Kommunkationsverbindungsdaten aller Menschen auf staatliche Anweisung höchst risikobehaftete Datenberge angehäuft werden.

Wir haben die Bundesregierung in den vergangenen Jahren wiederholt dazu aufgefordert, von diesem bürgerrechtsfeindlichen Vorhaben endlich Abstand zu nehmen. Das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs war dabei ohne jeden Zweifel auch eine Ohrfeige für die deutsche Bundesregierung. Dass konservative und sozialdemokratische Hardliner bis heute an diesem höchst umstrittenen Instrument festhalten, ist uns unverständlich. Letztlich wird den Strafverfolgungsbehörden so ein Bärendienst erwiesen. Richtig wäre es, sich für eine verbesserte personelle und technische Ausstattung der Polizeiarbeit und eine zielgerichtetere Arbeit in Zeiten terroristischer Bedrohungen einzusetzen. Stattdessen wird den Strafverfolgungsbehörden ein Instrument an die Hand gereicht, dessen sicherheitspolitischer Nutzen - empirisch nachweisbar - gegen Null geht. So erhöht man keine Sicherheit, gefährdet jedoch gleichzeitig massiv Grund- und Freiheitsrechte.

Der erneute Gesetzesentwurf der Bundesregierung zeigt leider, dass die Kritik des Bundesverfassungsgerichtes und des Europäischen Gerichtshofes nicht wahrgenommen wurden. Eine Einschränkung der Speicherfrist auf bis zu 10 Wochen wird an der Grundproblematik nichts ändern. Die von der Bundesregierung beworbene Ausnahme der E-Mails von der Speicherung zeugt im Angesicht der schwammigen Formulierungen im Gesetzestext und sich verändernder Kommunikationsgewohnheiten (Foren, Messenger und Chats) von einer gewissen Realitätsferne. Auch bleibt völlig offen, wie die Sicherheit der gespeicherten Daten gewährleistet sein soll. Ohne Anlass steuert die Bundesregierung auf eine erneute Verletzung der Grundrechte zu.

Die Grüne Bundestagsfraktion wird sich auch weiterhin für den Erhalt und Ausbau der digitalen Bürgerrechte einsetzen.

Mit freundlichen Grüßen
Markus Kurth

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