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Frage von Jay S. •

Frage an Marina Schuster von Jay S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Asylbewerber

Sehr geehrte Frau Schuster,

über beiliegenden Link http://www.sueddeutsche.de/politik/gesetzentwurf-der-regierung-asylbewerber-sollen-mehr-geld-bekommen-1.1537641 habe ich mich einerseits gefreut, dass die Bundesregierung auf Druck des Urteils des BverfG die Regelsätze für Asylbewerber erhöhen will.

Warum aber erhalten Asylbewerber nicht die Regelsätze in Höhe des SGB II oder SGB XII?
Ist auch eine Verbesserung der Verhältnisse für Asylbewerber geplant, z.B. die Abschaffung der Residenzpflicht, eine schnellere Erlaubnis, dass Asylbewerber arbeiten dürfen oder eine bessere Aufnahme, Beratung und Integration der Asylbewerber?

Was mich ärgert ist, dass der Bundesinnenminister Serben und Mazedonier die in der BRD Asyl beantragen pauschal Missbrauch unterstellt.
Sie als Außenpolitikerin wissen sicherlich, dass Angehörige der Roma in Serbien benachteiligt werden und das u.a.deutsche Soldaten in Serbien immer noch stationiert sind um sich u.a. für die Menschenrechte und das Zusammenleben zu engagieren.
Wie kann dann Serbien als sicheres Herkunftsland gelten ?
Da jeder Asylantrag individuell beurteilt werden muss, frage ich mich schon wie hier pauschal Missbrauch unterstellt werden kann?
Ist es überhaupt zulässig die Leistungen zu kürzen, nur weil jemanden aus einem "sicheren Herkunftsland" kommt? Ist das nicht diskriminierend?
Gibt es Pläne von BRD oder EU wie die Verhältnisse in Serbien und in Mazedonien verbessert werden können?

Hierzu würde mich Ihre Meinung interessieren?
Was halten Sie von der Initiative von der Schweiz und Norwegen, dass Flüchtlinge aus Hungersnot und bei Naturkatastrophen als Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt werden können?

Vielen Dank im Voraus für die Antworten auf die zahlreichen Fragen.
Ein schönes Wochenende wünschend

Mit freundlichen Grüßen

Scharff

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Scharff,

vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihr Interesse an dem Schicksal der Flüchtlinge in Deutschland. Wie Sie einer erst kürzlich erfolgten Antwort auf abgeordnetenwatch-Fragen entnehmen können, liegt mir das Thema am Herzen. In Teilen konnte ich schon in der untenstehenden Anfrage über die Bemühungen der FDP in der Asylpolitik Auskunft geben.

Gerne führe ich einige Punkte im Folgenden weiter aus. Asylbewerber haben laut Gesetz Anspruch auf bestimmte Leistungen für Essen, Unterkunft, Kleidung und Gesundheitsversorgung. Sie bekommen dies zum Teil als Sachleistung, zum Teil in Form von Gutscheinen oder Bargeld. Wie Sie richtigerweise anmerken, ist die Neuregelung der Regelsätze auch deswegen nötig geworden, nachdem das Bundesverfassungsgericht im Juli dieses Jahres entschieden hatte, dass die bisherigen Geldleistungen für Asylbewerber gegen die Menschenwürde verstießen. Derzeit liegen die Bezüge von Flüchtlingen deutlich unter dem Hartz-IV-Niveau. Die Bundesregierung hatte bereits in der Folge des sogenannten Hartz-IV-Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 anerkannt, dass die aktuellen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) nicht mehr den dort aufgestellten verfassungsrechtlichen Anforderungen an Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Leistungsbemessung entsprechen.

Das neue Karlsruher Urteil hat u.a. mein Kollege und Obmann der FDP-Fraktion im Ausschuss für Arbeit und Soziales des Bundestages, Pascal Kober, als "nachvollziehbar und wohlbegründet" begrüßt. Der Entwurf der Arbeits- und Sozialministerin ist die Ausgangsbasis für Verbesserungen im Asylrecht. Die parlamentarischen Beratungen dazu stehen noch aus.

Die Bezugsdauer der Asylbewerberleistungen bedarf nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einer sehr exakten Begründung, z.B. bezogen auf die durchschnittliche Dauer der behördlichen Asylverfahren. Leistungsunterschiede zwischen den Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG und Leistungsberechtigten nach dem SGB II/XII sind nur gerechtfertigt, wenn und soweit unterschiedliche Bedarfssituationen der beiden Gruppen festgestellt und begründet worden sind. Wir begrüßen daher, dass die Sätze für Asylbewerber nun durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gründlich, transparent und zügig neu berechnet wurden.

Die Ermittlung der existenznotwendigen Leistungen erfolgt nach SGB II/XII auf der Grundlage der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS), eine Statistik über die Lebensverhältnisse privater Haushalte in Deutschland. Die Zahlen machen deutlich, dass das AsylbLG für eine Situation gilt, die sich von derjenigen der Leistungsberechtigten nach dem SGB II/XII ganz wesentlich unterscheidet. Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG kommen als Flüchtlinge nach Deutschland und haben im Gegensatz zu SGB-II/XII-Hilfeempfängern meist weder einen Hausstand noch ausreichend Kleidung. Sie können nur das Nötigste mitnehmen. Der Barbedarf beträgt laut BMAS - je nach Bedarfsstufe - ungefähr ein Drittel des für Leistungsberechtigte nach dem SGB II/XII anerkannten Regelbedarfs. Der Barbedarf ergänzt die Sachleistungen zur Abdeckung der Bedarfe für Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung und Gesundheitspflege sowie für Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts. Der Vorrang der Sachleistungsgewährung bleibt im Urteil unangetastet: Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass Sachleistungen neben einer Geldleistung den existenznotwendigen Bedarf insgesamt sicherstellen können.

Neben der Neureglung der Sozialleistungen müssen wir für Asylsuchende zudem dringend den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern. Denn derzeit dürfen Asylbewerber, selbst wenn die Arbeitsagentur zustimmt, erst nach einem Jahr in Deutschland arbeiten. Wir Liberalen haben uns immer dafür eingesetzt, dass jeder, der sich rechtmäßig in Deutschland aufhält, hier arbeiten und lernen kann. Je früher gearbeitet werden kann, je schneller gelernt werden kann, desto besser für die gesellschaftliche Teilhabe. Eine diesbezügliche Öffnung des Arbeitsmarktes ist für die FDP unabdingbar. Weiteres Ziel ist es, grundlegende Bildungs- und Teilhabechancen rechtzeitig zu eröffnen. Der frühen und altersgerechten Lernförderung von Kindern kommt daher eine besondere Bedeutung zu. Außerdem werden künftig alle nach dem AsylbLG leistungsberechtigten Kinder und Jugendlichen einen Anspruch auf Leistungen für Bildung und Teilhabe.

Nach einer Grundsatzeinigung der EU-Mitgliedsstaaten vom 25. Juli, die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger als guten Kompromiss begrüßt hat, sollen Asylbewerber EU-weit nun nach neun Monaten arbeiten dürfen. Wenn Menschen, die hier jahrelang leben, früher Deutsch lernen und hier arbeiten, entspricht das sowohl dem Anliegen der Asylbewerber, als auch dem Geist des Karlsruher Urteils, als auch den Interessen vieler Unternehmen, die Fachkräfte suchen.

Die FDP forderte bereits seit Langem wesentliche Änderungen in der deutschen Asylpolitik. Wir bringen unsere Position in die jeweiligen - z.T. schwierigen - Verhandlungen mit dem Koalitionspartner CDU/CSU ein. Einiges konnten wir schon erreichen: Wir haben für eine Verkürzung der Asylverfahrensdauer gesorgt. Auch die Verwaltungsgerichtsverfahren konnten beschleunigt werden. Die Residenzpflicht, die Rot-(rot)-grün zu Regierungszeiten in Bund oder Ländern immer unangetastet gelassen hat: in Hessen wurde sie durch eine Koalition aus Union und FDP jetzt abgeschafft. Auch auf Bundesebene haben wir sie für Arbeitsaufnahme und Bildung gelockert.

Und noch eine Anmerkung: Keine Koalition der vergangenen Jahre hat etwas am Asylbewerberleistungsgesetz verändert, auch nicht unter Beteiligung der Grünen.

Seien Sie versichert, dass auch ich mich darüber ärgere, wenn pauschalisierende Aussagen gegenüber Flüchtlingen getroffen werden. Gerade Roma und Sinti sind in einigen Ländern verschiedensten Formen der Diskriminierung ausgesetzt. Deutschland setzt sich weiterhin mit der EU in der OSZE, aber auch bei der parlamentarischen Versammlung des Europarates für eine Verbesserung der Lage der Roma und Sinti ein. (Kennen Sie bereits die Kampagne "DOSTA!" des Europarates? Dosta!, a Romani word meaning "enough", is a Council of Europe awareness raising campaign which aims to bring non-Roma closer to Roma citizens by breaking down the barriers caused by prejudices and stereotypes. Mehr Infos hier: http://www.coe.int/t/dg3/romatravellers/dosta_en.asp

Mit freundlichen Grüßen und besten Wünschen zu Weihnachten und für 2013

Marina Schuster