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Frage von Claudiac J. •

Frage an Maria Michalk von Claudiac J. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Michalk,

Das Thema "Zwangsbehandlung psychiatrisch auffälliger Personen" erweckt starke Emotionen und steht z.B. bei mir persönlich auf einer Stufe mit Hexenverfolgung, Holocaust, Euthanasie im Nationalsozialismus, Ausschaltung politischer Gegner in Diktaturen u.s.w.

Das Thema ist außerordentlich negativ besetzt.

Das Bundesverfassungsgericht hat sich eindeutig gegen Zwangsbehandlung positioniert.

Es gibt zahlreiche aktuelle Skandale, wo Psychiatrie mißbräuchlich gegen unliebsame "querulatorisch" denkend und handelnde Bürger eingesetzt wurde, z. B. gegen Gustl Mollath oder die hessischen Steuerfahnder.

Das Rosenhan-Experiment zeigte, daß die Diagnose eines Psychiaters hochgradig subjektiv sein kann und daß es für viele Diagnosen dieses Fachgebietes keine wissenschaftlich haltbare Definition von „normal“ und „krankhaft“ gibt.

Das Hamburger Modell, durch das Zwangsmaßnahmen um 90 % gesunken sind, zeigt, daß es wirksame Alternativen gibt. Für die restlichen 10% halte ich die vorhandenen gesetzlichen Möglichkeiten für ausreichend.

Aus diesen Überlegungen heraus gibt es keinen vernünftigen, menschlich vertretbaren Grund, eine Zwangsbehandlung gesetzlich einzuführen.

Meine Fragen lauten:
Warum wird im Bundestag ein so radikaler, menschenfeindlicher Gesetzentwurf zur Zwangsbehandlung diskutiert, wenn er aktuell verfassungsfeindlich ist und außerdem es mit dem Hamburger Modell eine wirksame und menschliche Alternative gibt?

Wieso sieht die Bundesregierung plötzlich "dringenden Handlungsbedarf" darin, "Grundrechte der Betroffenen" per Gesetz abzuschaffen?

Es soll einen Gegenentwurf der Koalitionsfraktionen geben. Kennen Sie ihn und wo kann ich ihn finden?

Wie ist Ihre persönliche Einstellung zu dieser Thematik?

Mit freundlichen Grüßen
Claudia Jurjanz

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Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau Jurjanz,

vielen Dank für Ihre Frage zum Thema ärztliche Zwangsbehandlungen im Betreuungsrecht.

Der Deutsche Bundestag hat das Gesetzgebungsverfahren mit der 2./3. Lesung abgeschlossen. Der federführende Rechtsausschuss führte am 10. Dezember 2012 eine öffentliche Sachverständigenanhörung unter Einbeziehung von Sachverständigen aus dem Kreis der Betroffenen durch.

Auslöser für die gesetzliche Regelung ist das vielzitierte Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) von Juni 2012. Er hat festgestellt, dass die derzeitig gültige Gesetzeslage keine ausreichende Rechtsgrundlage darstellt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass ärztliche Zwangsbehandlungen im Betreuungsrecht durch den BGH grundsätzlich für unzulässig erklärt wurde. Der Gesetzgeber hat eine verfassungskonforme gesetzliche Regelung für ärztliche Zwangsmaßnahmen zu schaffen.

Die Entscheidung über die Behandlung wird nicht anonym getroffen. Im Mittelpunkt steht der bestellte Betreuer. Eine Rechtsgrundlage für die Einwilligung des Betreuers in eine ärztliche Zwangsbehandlung des Betreuten ist notwendig, da eine solche Behandlung auch gegen den Willen des Betroffenen notwendig sein kann, um ihn vor schwerwiegenden Gesundheitsgefahren zu schützen und lebensrettende Maßnahmen einzuleiten. Dem Staat obliegt im Rahmen seiner grundrechtlichen Pflichten sogar eine dezidierte Schutzpflicht, um den Betroffenen vor schwerwiegenden Grundrechtsgefährdungen zu schützen.

Eine ärztliche Zwangsmaßnahme gegen den Willen des Betreuten kann nur letztes Mittel sein, wenn mildere Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Es ist also Ultima Ratio.

Zudem ist die Einwilligung des Betreuers vom zuständigen Betreuungsgericht zu genehmigen und darf nur im Rahmen einer gerichtlich angeordneten Unterbringung erfolgen. Der Betroffene ist dazu persönlich anzuhören, sowie ein unabhängiges ärztliches Gutachten einzuholen. Das von Ihnen als Alternative genannte „Hamburger Modell“ zur Wiedereingliederung in das Arbeitsleben nach längerer Arbeitsunfähigkeit ist mit einer Betreuungssituation, wie wir sie regeln, nicht vergleichbar und setzt eine einwilligungsfähigen Betroffenen voraus.

Mit freundlichen Grüßen

Maria Michalk, MdB