Margit Stumpp
Margit Stumpp
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Sami A. •

Frage an Margit Stumpp von Sami A. bezüglich Familie

Sehr geehrte Frau Stumpp,

als Heidenheimer und somit Bürger Ihres Wahlkreises interessiert mich Ihre Haltung zu zwei familienrechtlichen Themen besonders.

1. Strafbarkeit von Umgangsboykott
In Frankreich wird Umgangsboykott strafrechtlich verfolgt (Code Pénal Article 227-5). In Deutschland hingegen, kann man mit § 1684 (2) BGB als Grundlage nur zivilrechtlich dagegen angehen. In der Praxis ist es allerdings so, daß der anzeigende Part in familienrechtlichen Fällen den Ruf eines Querulanten bekommt, was den Paragraphen somit überflüssig macht. Meiner Meinung nach ist dies ein Indikator dafür, daß in diesem Aspekt die Beziehung des Kindes zu seinen Eltern vom französischen Staat als schützenswerter angesehen wird, als es der deutsche Staat tut.
Wie stehen Sie zu einer Einführung eines solchen strafgesetzlichen Paragraphen? Würden Sie selber einen solchen Gesetzesantrag vorbringen?

2. Automatische geteilte Sorge ab Geburt für unverheiratete Paare
Die Sorgerechtsregelung bei unverheirateten Paaren ist für Männer sehr nachteilhaft. Männer sind in der Regel vom Wohlwollen der Mutter abhängig, ohne Einverständnis der Mutter ist die Erlangung der geteilten Sorge nicht möglich. Ich sehe darin weder die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau verwirklicht (Art. 3 (2) GG), noch sehe ich darin, daß andere Modelle des Zusammenlebens respektiert werden. Dabei ist es ausdrücklich im Koalitionsvertrag festgehalten, daß kein Familienmodell vorgeschrieben wird (siehe Seite 19 des Koalitionsvertrags).
Welch enorme Auswirkung diese gesetzliche Schieflage hat, wird durch den bekannten und skandalösen Fall Görgülü deutlich.
Darüberhinaus ist in Frankreich die gemeinsame Sorge ab Geburt bereits Realität, auch hier könnte man meinen, daß die Franzosen fortschrittlicher und kindesfreundlicher sind als die Deutschen.
Wie stehen Sie zur geteilten Sorge ab Geburt des Kindes bei unverheirateten Paaren?

Mit freundlichen Grüßen,

S. A.

Margit Stumpp
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr A.,

ich danke für Ihre Fragen und bitte meine verzögerte Antwort zu entschuldigen.
Zu Ihrer ersten Frage: der Umgangsboykott ist ein sehr schwieriges Problem im Familienrecht. Eine einfache Lösung gibt es hierzu sicherlich nicht. Das deutsche Recht setzt zunächst auf Zustandekommen eines gerichtlich gebilligten Vergleichs (§ 156 II FamFG). Wenn das nicht geht, kann ein Gericht eine Umgangsregelung anordnen (Umgangsanordnung § 1684 III BGB, evtl. befristete Anordnung einer Umgangspflege iSv. § 1684 IV BGB, in Grenzfällen begleiteter Umgang gem. § 1684 VI S.3 BGB). Falls weiterhin ein Boykott vorliegt alternativ:
- Teilweise Sorgerechtsentzug und Anordnung einer Ergänzungspflegschaft (§§ 1666 III, Nr.6, 1631 I, 1909 BGB)
- Teilweiser Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts (§§ 1666 III, Nr. 6, 1631 I, 1909 BGB
- Kurzer Umgangsausschluss (§ 1684 IV S.1 BGB)
- Umgangsausschluss für längere Zeit oder auf Dauer (§ 1684 IV S.2 BGB) als ultima ratio.
Es gibt also ein ganzes Bündel von Maßnahmen, die das Familiengericht nutzen kann. Dass das in der Praxis immer wieder nicht funktioniert, ist ein Problem.
Wir setzen uns daher dafür ein, dass Eltern ein Betreuungsmodell finden, das dem Kind gerecht wird. Für eine einvernehmliche Lösung braucht es Kommunikation und Kooperation der Elternteile. Diese zeigt sich im Trennungsfall oft als sehr schwierig. Daher muss ein qualifiziertes Beratungsangebot zeitnah zur Verfügung stehen, um zu verhindern dass sich die Fronten der Eltern weiter verhärten. Jugendämter und Beratungsstellen müssen flächendeckend über geschultes Personal in ausreichender Anzahl für hochstrittige Situationen verfügen. Auch Elternkurse, die den Eltern den Blick auf das Kind schärfen, sind zu fördern.

Nun zu Ihrer zweiten Frage: Mit der Sorgerechtsreform von 2013 wurden gerade die Väterrechte gestärkt, so erhalten unverheiratete Väter durch die Einführung des § 1626 a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB die Möglichkeit, dass auf Antrag ein Elternteil die elterliche Mitsorge vom Familiengericht übertragen bekommen kann. Die zuvor für die Mutter bestehende Möglichkeit, die Zustimmung zu einer gemeinsamen Sorgeerklärung mit dem Vater willkürlich zu verweigern, wurde damit ausgeschlossen.

Ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen hiermit beantworten.

Mit freundlichen Grüßen

Margit Stumpp