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Marcus Weinberg
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Frage von Hagen H. •

Frage an Marcus Weinberg von Hagen H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Weinberg,

die Stimmung zu TTIP/CETA kippt. Lt. ZDF-Umfrage befürchten selbst 39 % d. CDU-Anhänger Nachteile durch TTIP, lt. Prognos erwarten 62 % d. befragten mittelständ. Unternehmen neg. Auswirkungen.

CETA muss voraussichtl. von allen nationalen Parlamenten d. EU ratifiziert werden. Da das Jahre dauern kann, gibt es einen schönen Passus, nach dem CETA vor dieser Ratifizierung in wesentl. Teilen in Kraft treten kann. Man will Fakten schaffen, die selbst bei letztendl. Ablehnung kaum rückgängig zu machen sind.
Wie stehen Sie zur vorläuf. Anwendung?

Lt. EU-Kommission wird das Bruttoinlandsprodukt der EU durch CETA nur um 11,6 Mrd. € p.a. steigen, weniger als 0,08%!! Bei einem Gehalt von 3000 € sind das 2,40 €/Monat.
Sie sagen, CETA sichere u. schaffe Arbeitsplätze. Bei 0.08 %? Durch das Nordamerik. Freihandelsabkommen NAFTA wurden Millionen Arbeitsplätze vernichtet. Entgegen allen Erwartungen wurde kein Wachstum ausgelöst.
Warum sind Sie dennoch für CETA?

Schutzstandards werden angeblich nicht gesenkt, das Vorsorgeprinzip nicht angetastet. Aber der Begriff taucht in CETA/TTIP überhaupt nicht auf. Auch inhaltl. sind viele Kapitel klar dagegen gerichtet. USA u. Kanada lehnen es massiv ab. Für Verstöße z. B. gegen Arbeitsschutz u. Umwelt gibt es keinen effektiven Durchsetzungsmechanismus, das „letzte Mittel“ sind dort Expertengespräche.
Warum steht der Schutz d. Vorsorgeprinzips nicht ganz klar in den Verträgen?

Lt. einem Gutachten schützt CETA ausländ. Investoren deutlich weniger als das Grundgesetz. Warum dann ein Investitionsschutzkapitel mit Schiedsverfahren in Ländern mit hochentwickelten Rechtssystemen? Das ist sogar offizielle Position der Bundesregierung! Warum eine Sondergerichtsbarkeit für Unternehmen, die Bürgern nicht offensteht? Es ist ganz klar eine Regel zugunsten v. Großkonzernen, die auf Kosten d. Allgemeinheit ihr unternehmerisches Risiko minimieren wollen.
Warum sind Sie trotzdem für ein Investitionsschutzkapitel?

MfG

Hagen Hintze

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Hintze,

vielen Dank für Ihr erneutes Schreiben vom zum Thema CETA. In den letzten Monaten habe ich bereits zwei Ihrer Anfragen zu genau dieser Thematik beantwortet und werde Ihnen nun auf diesem Wege - wie bereits geschehen - noch einmal ein paar grundsätzliche Erwägungen erläutern.

Wir profitieren von international frei handelbaren Gütern und Dienstleistungen sowie von grenzüberschreitenden Investitionen. Wie ich schon im Februar schrieb, dient CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) der Intensivierung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der EU und Kanada. Hierzu soll insbesondere der Marktzugang für Waren, landwirtschaftliche Produkte und Dienstleistungen verbessert werden. Kanada ist mit 9,9 Milliarden Euro Ausfuhrvolumen und 4,0 Milliarden Euro Einfuhrvolumen (Zahlen 2015) ein wichtiger Handelspartner Deutschlands, und liegt beispielsweise im Rang noch vor Mexiko und Thailand. Der Bestand deutscher Direktinvestitionen in Kanada betrug 2013 8,4 Milliarden Euro; der Bestand kanadischer Investitionen in Deutschland belief sich auf 1 Milliarden Euro.

CETA bringt, wie alle Freihandelsabkommen der Vergangenheit, wichtige Vorteile für die stark exportorientierte deutsche Wirtschaft und ist damit ein Garant für die Sicherung bestehender und die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Durch CETA sinkt der Zoll für alle Industriegüter praktisch auf Null. Zentral ist auch die Marktöffnung bei Dienstleistungen und im öffentlichen Auftragswesen, insbesondere weil damit in Kanada künftig auch die Provinzen und Kommunen (wo der größte Teil der Aufträge vergeben wird) ihre Beschaffungsmärkte für deutsche Anbieter öffnen müssen. Der deutsche Beschaffungsmarkt war für Anbieter aus dem Ausland bereits seit langem offen. Dies gilt mit CETA nun auch für deutsche Unternehmen in Kanada. CETA schafft also faire Wettbewerbsbedingungen für deutsche Unternehmen, von denen insbesondere auch kleine und mittlere Unternehmen profitieren werden.

Außerdem enthält CETA Regelungen, um mehr Mobilität mit Blick auf Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen zu gewährleisten, sowie zur gegenseitigen Anerkennung von Berufsabschlüssen.

Eine Absenkung von Schutzstandards durch CETA, z.B. in den Bereichen des Verbraucher-, Arbeitnehmer- und Umweltschutzes wird nicht erfolgen. So sind u.a. Schutzvorschriften für die öffentliche Daseinsvorsorge, audiovisuelle Dienstleistungen, Verbraucher- und Umweltschutz sowie sogenannte Arbeitsmarktklauseln vorgesehen, die gewährleisten, dass es hier nicht zu Standardabsenkungen kommt.

Abschließend erlauben Sie mir bitte noch eine Anmerkung zu Ihren Ausführungen, CETA könne in undemokratischer Weise beschlossen werden. Dies ist nicht zutreffend. Die Kompetenzen für die Handelspolitik sind durch den Vertrag von Lissabon von 2007 weitestgehend auf die EU übertragen worden. Dem Lissabon- Vertrag und der entsprechenden Kompetenzübertragung haben alle Parlamente der EU-Mitgliedstaaten zugestimmt, auch der Deutsche Bundestag hat mit überwältigender Mehrheit dafür votiert (lediglich die SED-Nachfolgepartei Die Linke hat die vertiefte europäische Integration abgelehnt). Für die Ratifikation eines Freihandelsabkommens sehen die EU-Verträge nunmehr zwei Möglichkeiten vor. Handelt es sich um ein sogenanntes reines EU-Abkommen (d.h. ein Abkommen, dass ausschließlichen Kompetenzen der EU betrifft), erfolgt die Ratifikation durch das - direkt durch die EU-Bürger gewählte - Europäische Parlament und durch den Rat (d.h. durch die Regierungen der Mitgliedstaaten). Handelt es sich um ein sogenanntes gemischtes Abkommen, dass auch Kompetenzen der Mitgliedstaaten betrifft, müssen zusätzlich auch die nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten (d.h. in Deutschland der Deutsche Bundestag, ggfs. auch der Bundesrat) ratifizieren. In beiden Verfahren ist somit eine umfassende demokratische Kontrolle garantiert.

Entgegen ersten Ankündigungen hat die EU-Kommission am 5. Juli 2016 zudem entschieden, CETA als gemischtes Abkommen in das EU-Parlament und in den Rat einzubringen. Damit wird es nach Unterzeichnung einen umfassenden Ratifikationsprozess sowohl auf EU-Ebene als auch auf Ebene der nationalen Parlamente geben. Alle notwendigen Dokumente und Informationen werden transparent gemacht. Näherer Informationen zu CETA finden Sie u.a. unter http://ec.europa.eu/trade/policy/in-focus/ceta/index_en.htm sowie auf der Homepage des Bundeswirtschaftsministeriums. Der Deutsche Bundestag befasst sich regelmäßig mit CETA in Debatten, Ausschusssitzungen und öffentlichen Expertenanhörungen. Die nächste öffentliche Anhörung ist im federführenden Ausschuss für Wirtschaft und Energie für den 5. September 2016 geplant. Ich hoffe Ihnen durch diese Ausführungen deutlich gemacht zu haben, dass durch den Ratifizierungsprozess eine umfassende demokratische Kontrolle des Abkommens durch alle demokratisch legitimierten Institutionen gewährleistet ist.

Mit freundlichen Grüßen

Marcus Weinberg