Portrait von Marco Bülow
Marco Bülow
Die PARTEI
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Marco Bülow zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Thomas M. •

Frage an Marco Bülow von Thomas M. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Bülow,
in 18 europäischen Ländern gibt es bei der Organspende das Gesetz der Widerspruchslösung : Jeder ist Spender & wer nicht spenden will, kann widersprechen. In Deutschland gilt die Entscheidung & hier sterben bei der momentanen Gesetzeslage jedes Jahr über 1000 Menschen die auf der Warteliste stehen. Man wartetet in Deutschland z.B. auf eine Niere 7- 10 Jahre & in Spanien oder Österreich dagegen nur 1 Jahr, weil es dort die Widerspruchslösung gibt !
Ich fühle mich als Betroffener in Deutschland benachteiligt - gegenüber den Ländern mit Widerspruchslösung !
Was sagen sie zur Widerspruchslösung ?

Portrait von Marco Bülow
Antwort von
Die PARTEI

Sehr geehrter Herr Müller,
vielen Dank für Ihre Frage. Ich kann Ihre Unzufriedenheit als Betroffener gut nachvollziehen. Mit dem Vorschlag zur Widerspruchslösung habe ich mich in den letzten Wochen intensiv beschäftigt. Die Zahl der Organspender*innen ist mittlerweile auf den niedrigsten Wert seit 20 Jahren gesunken. Gleichwohl gibt es eine fünfstellige Zahl an Patient*innen, die auf ein Organ warten, meist jahrelang. Die Zahl der gespendeten Organe sinkt hingegen.
Ich bin überzeugt, dass es dafür mehrere Gründe gibt. Die erhöhte Skepsis nach Bekanntwerden verschiedener Skandale ist sicherlich nur ein Punkt. Sicherlich spielen auch der Kostendruck und die Arbeitsverdichtung an deutschen Kliniken sowie die geringe Präsenz des Themas bei Ärzt*innen und Pfleger*innen eine Rolle. Um diese beiden Faktoren müssen wir uns auch kümmern.
Ich nehme aber auch an, dass es eine Vielzahl an Menschen gibt, die keine Bedenken hätten, nach Eintreten des Todes ein Organ zu spenden, die sich aber zu Lebzeiten einfach nicht mit der Organspende auseinander gesetzt haben. Man muss eingestehen, dass die aktuelle Lösung es sehr einfach macht, sich mit der Frage der Organspende nicht zu beschäftigen. Dadurch entgehen dem Organspendesystem möglicherweise zahlreiche Spenden, die im Zeifel Leben retten und den Betroffenen eine quälende Wartezeit verkürzen könnten.
Ich befürworte aus diesem Grund die Widerspruchslösung. Ohne jeden Zweifel, es ist und bleibt eine individuelle Frage, die jeder Mensch für sich beantworten muss. Niemand kann zu einer Organspende gezwungen werden. Es ist selbstverständlich, dass jede*r ohne Angabe von Gründen erklären kann, dass er oder sie kein Spender*in sein möchte. Das ist legitim und da hat auch niemand etwas reinzureden.
Mit der Widerspruchslösung haben wir eine Option, das genau so umzusetzen. Es handelt sich nicht um eine Pflicht, da jede*r widersprechen kann und dieser Widerspruch akzeptiert werden muss, ohne wenn und aber. Ich sehe insofern auch keine Freiheitseinschränkung. Die Lösung würde es auch befördern, dass jede*r einmal im Leben darüber nachdenken sollte, ob Organspende für ihn oder sie infrage kommt. Das jetzige Ignorieren könnte damit reduziert werden.
Mit der Widerspruchslösung könnten wir es schaffen, die Spendenzahlen zu erhöhen. Die aktuellen Zahlen sind besorgniserregend. Sie zeigen, dass das Organspendesystem in Deutschland nur sehr schlecht funktioniert, gerade im internationalen Vergleich. Deutsche Kliniken bekommen sogar zusätzliche Organe aus Belgien, den Niederlanden, Kroatien, Ungarn, Österreich und Slowenien, weil sich im Land nicht genügend Spender*innen registriert haben.
81% der Bürger*innen befürworten die Organspende, so heißt es in einem Bericht der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung vom Mai 2017. Diese Zustimmung sollte sich auch in der Ausgestaltung des Automatismus widerspiegeln. Aus einer "Im-Normalfall-nein-Lösung" sollte eine "Im-Normalfall-ja-Lösung" werden, wobei jede*r widersprechen kann.
Ich möchte jedoch nochmal unterstreichen, dass auch das Vertrauen in das Transplantationssystem wiederhergestellt werden muss. Auch darf es für die Kliniken keine Belastung sein, Organspenden durchzuführen. Diese zwei Dinge müssen also auch angegangen werden.

Herzliche Grüße
Marco Bülow