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Manja Schüle
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Frage von Kathrin M. •

Frage an Manja Schüle von Kathrin M. bezüglich Umwelt

Sehr geehrte Frau Schüle,

ich möchte gern wissen was der Einsatz von "Karate Forst Flüssig", der ab heute über einem Teil der Brandenburger Wälder geplant ist, kostet. Sprich das Giftmittel ansich, die Hubschraubereinsätze, das Absperren der Wälder etc.. Wer bezahlt diesen Einsatz?
Unterstützen Sie Herrn Karl Tempel, der durch seine Petition schon 75000 Unterschriften sammelte, in seinem Bemühen um den Umweltschutz!
In der heutigen Zeit kann nicht nur immer über die Zerstörung der Ökosysteme geredet werden und hinter den Kulissen weitergemacht werden wie bisher!!!

Mit freundl. Grüßen
K. M.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau M.,

vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihr Engagement für den Umweltschutz, der auch mir sehr am Herzen liegt. Sie schreiben mich wegen des Einsatzes eines Insektizids in Brandenburg an, der in den vergangenen Tagen vor allem in den betroffenen Regionen für eine lebhafte und kontroverse Debatte gesorgt hat. Vermutlich, da mein Wahlkreis von diesem Einsatz nicht betroffen ist, wurde ich weder vorab informiert noch von Herrn Tempel um Unterstützung gebeten.

Sie schreiben völlig zurecht, dass gegen die Zerstörung der Ökosysteme etwas getan werden muss. Der vorliegende Fall zeigt, dass die Ökosysteme bereits erheblich aus der Balance geraten sind und hier sogar der Schutz des Ökosystems Wald im Vordergrund steht, das durch die Nonnenraupen massiv bedroht ist. Zuständig für den hier handelnden Landesbetrieb Forst und das übergeordnete Landesministerium für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Entwicklung. Da es die Antwort mangelnder Zuständigkeit in der Politik nicht geben darf, habe ich mich an die Behörde gewandt und um Informationen gebeten, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Zu den konkreten Kosten für den Gesamteinsatz konnten mir keine Angaben gemacht werden. Für den Wirkstoff und die unmittelbaren Kosten für Absperrungen etc. werden 80,- Euro pro Hektar beziffert.

Nachfolgend die weiteren, sehr ausführlichen Informationen des Landesbetriebes Forst:

"Zur Bekämpfung einer drohenden Massenvermehrung der Nonne in Kiefernwäldern südlich von Potsdam ist die Behandlung der Waldfläche mit dem Pflanzenschutzmittel Karate Forst flüssig durch den Landesbetrieb Forst Brandenburg (LFB) auf einer Gesamtfläche von etwa 7500 Hektar geplant. Diese Planungen sind mit den Landkreisen insbesondere bezüglich der Wasserschutzgebiete und Naturschutztatbestände abgestimmt. Die Planungsflächen sind dem dafür zuständigen Landesamt für ländliche Entwicklung und Flurneuordnung (LELF) zur Prüfung und Genehmigung eingereicht worden.

Dem LFB obliegt, neben anderen Aufgaben, auch der vom Gesetzgeber im § 19 des Waldgesetzes des Landes Brandenburg (LWaldG) festgelegte Schutz des Waldes vor biotischen Schäden sowie das diesbezügliche Anordnungsrecht bei Gefahr im Verzug.

Nach den Erkenntnissen unseres standardisierten Überwachungsverfahrens für die Nonne, wurden beispielsweise in der Waldfläche zwischen Fichtenwalde und Borkwalde im Landkries Potsdam-Mittelmark sehr hohe Eizahlen des Falters ermittelt. Im Durschnitt liegt die Eizahl dort bei rund dem dreifachen (2,76) des für den Wald verträglichen. Der Spitzenwert liegt beim sechsfachen (6,2). Das bedeutet, dass die Bäume durch die jetzt schlüpfenden Raupen im Durchschnitt drei Mal kahl gefressen werden könnten.

Für die Kiefer gibt es langjährige Erfahrungen und viele Untersuchungsergebnisse, die belegen, dass Kiefern Kahlfraß durch nadelfressende Raupen – wie die von Kiefernspinner oder Nonne - nur unter für die Bäume günstigen Bedingungen überleben können. Dann schaffen das vielleicht ein Drittel der Kiefern. Trockenheit und viele holz- und rindenbrütende Käfer sind hingegen Ursache dafür, dass Kiefern nach Kahlfraß flächig absterben, meist innerhalb der nächsten 3 Jahre. Die Trockenheit 2018 hat die Kiefern geschwächt und gleichzeitig die Dichten von Borkenkäfern und Prachtkäfern ungewöhnlich hoch ansteigen lassen. Außerdem hat ein Schadpilz (Diplodia-Triebsterben) von der extremen Witterung 2018 profitiert, dieser Pilz kann geschädigte Kiefern zusätzlich schwächen und zum Absterben bringen.

Es besteht also leider kaum Hoffnung, dass die Kiefern in der aktuellen, oben beschriebenen Situation (Trockenheit, Folgeschädiger: Käfer, Diplodia) die Kraft haben wird, sich nach einem vollständigen Verlust der Nadeln wieder zu erholen.
Zudem handelt es sich bei der Nonne um ein polyphages Insekt, das unter den gegebenen Umständen auch Fichte, Lärche und Laubhölzer kahl frisst und somit auch bereits mit Laubholz angereicherte Kiefernbestände (Stichwort Waldumbau) kahl fressen kann.

Die in diesem Jahr aus den Monitoring zur Nonne abgeleitete Prognose Kahlfraß von Nadel- und Laubbaumarten kann den Waldverlust auf mehreren tausend Hektar Wald bedeuten, mit dem Verlust praktisch aller Waldfunktionen und das auf einen Zeitraum von Jahrzehnten. Die Verhältnismäßigkeit des Einsatzes von Planzenschutzmitteln ist somit gegeben.

Die Waldfläche im Land Brandenburg beträgt 1,1 Mio. Hektar, wovon 70 Prozent mit der Baumart Kiefer bestockt sind. Die Annahme dass diese Waldflächen in den nächsten zwei Jahren absterben werden, ist derzeit wissenschaftlich nicht begründet.

Das sehr umfangreiche und detaillierte Planungsverfahren stellt den Schutz der Bevölkerung durch strenge Anwendungsbestimmungen sicher. Dafür sorgen unter anderem die vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) festgelegten Abstandsregelungen zu Siedlungsbereichen.

Um beispielsweise dem besonderen Bedürfnis nach Sicherheit der Anwohner von Fichtenwalde, Borkwalde und Borkheide nachzukommen, wurde der Mindestabstand in diesem Bereich von 25m auf 100 m erhöht. Dies stellt für alle Anwohner einen gefährdungsfreien Einsatz des Pflanzenschutzmittels sicher. Andere Abstandsregelungen sind beispielsweise 125 m zu Wasserflächen oder 500 Meter zu Horstschutzzonen. Auch die irrtümliche Behandlung von Siedlungsbereichen mit einem Pflanzenschutzmittel ist ausgeschlossen, da die eingesetzten Hubschrauber GPS-gestützt fliegen.
Diese Sicherheitsmaßnahmen werden von der genauen Information der Anwohner im Amtsblatt und durch ortsübliche Aushänge flankiert. Die vorgeschriebenen Fristen dazu werden von uns eingehalten. Die zeitlich begrenzte Waldsperrung wird zudem an den Waldwegen unmissverständlich angezeigt. Weitere konkrete Informationen sind zu finden unter https://forst.brandenburg.de/lfb/de/lfe/lfe-waldschutzinformationen/waldschutzmassnahmen-gegen-nonnenraupen/

„Die Dosis macht das Gift“ – die Konzentration des Pflanzenschutzmittels Karate Forst flüssig ist so gewählt, dass die kleinen Nonnenraupen abgetötet werden. Diese Dosis ist aber zum Beispiel nicht gefährlich für Maikäfer und viele Laufkäfer. Das Mittel ist in der Anwendung als nicht bienengefährlich eingestuft. Auch Säugetiere oder Vögel sind nicht unmittelbar gefährdet. Es ist bekannt, dass sich die Insektenlebensgemeinschaften sehr schnell wieder erholen, schon nach 1-2 Monaten lässt sich ein Einsatz mit Insektenuntersuchungen vor Ort kaum noch nachweisen. Bei Kahlfraß und einem flächigen Absterben von Bäumen verschwinden hingegen viele typische Waldarten und trockenheitsleibende Offenlandarten erobern die Flächen. Aktuelle Untersuchungen zum Einfluss solcher Maßnahmen auf Brutvögel in Kiefernwäldern zeigen auch, dass auch für die Vögel der Erhalt der Waldstrukturen besonders wichtig ist (Mehr dazu unter:
https://forst.brandenburg.de/sixcms/media.php/9/efs65.pdf)
Langfristig ist der Waldumbau, also die Anreicherung mit Laubbäumen und Innenwaldrändern aus Straucharten die einzige Möglichkeit Wälder stabiler gegen die Massenvermehrung von Schadinsekten zu machen. In Brandenburg wurden in den Jahren von 1990 bis 2018 insgesamt 85.400 Hektar Kiefernwälder umgebaut. So werden jährlich durchschnittlich 2.000 bis 2.500 Hektar umgebaut. Eine größere Fläche gilt als wenig sinnvoll, da sich nur mittelalte bis alte Kiefernbestände für den Umbau eignen. Und in diesen muss durch Holzeinschlag erst Platz und Licht für neue Baumgenerationen geschaffen werden. Wichtig sind Altkiefern. Sie bieten jungen Laubbäumen den notwendigen Schutz vor Frost, Wind und Sonneneinstrahlung.
Der Landesbetrieb Forst Brandenburg hat sich nach Abwägung der Prognosen für eine Anwendung von Pflanzenschutzmitteln im absolut notwendigen Umfang entschieden. Für den Erhalt des Waldes und für die langfristige Erhaltung der an den Wald gebundenen Arten.
Weitere Informationen:
Zu: Waldschädlinge im Klimawandel siehe Naturmagazin des NABU 1/2019:
http://www.naturmagazin.info/ausgaben/gCSGww8iA6/titelthema/WkHbcF7NwE/
zu: Waldschutzmonitoring in Brandenburg als ein Praxisbeispiel für die Umsetzung des Nationalen Aktionsplans für die Nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (NAP), BMEL):
https://www.nap-pflanzenschutz.de/fileadmin/user_upload/_imported/fileadmin/SITE_MASTER/content/Dokumente/Service/broschuere_nap_forum_2019_JB2018.pdf "

Mit freundlichen Grüßen
Manja Schüle