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Frage von Guido L. •

Frage an Ludwig Wörner von Guido L. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrter Herr Wörner,

Sie sind bekanntlich umweltpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im bayerischen Landtag. Zu Ihren Aufgaben gehört u.A. die kritische Begleitung/Beobachtung der bayerischen Atomkraftwerke sowie des Forschungsreaktors FRM-II in Garching. Ihre konstruktiven, kritischen Beiträge im Landtag haben mir bisher sehr gefallen, weil die jetzige CSU/FDP-Regierung, die auch die Schlüsselpositionen in den Ministerien (u.A. das bayer. Umweltministerium) vergibt, die möglichen Sicherheitsrisiken der bayerischen kerntechnischen Anlagen nicht ausreichend ernst nimmt (siehe das Thema "Korrosion im Reaktorbecken des Garchinger Forschungsreaktors").
Ich hatte dem bayer. Umweltminister Dr. Marcel Huber (CSU) am 22.02. und 12.04.2013 Fragen zur Sicherheit des FRM-II gestellt, die sich auf einen möglichen (hoffentlich niemals vorkommenden) Flugzeugabsturz auf den Forschungsreaktor beziehen (siehe http://www.abgeordnetenwatch.de/dr_marcel_huber-512-11230.html ).

Da Herr Dr. Huber meine Fragen an ihn offensichtlich -aus welchen Gründen auch immer- ignoriert, bitte ich Sie, das Thema "Sicherheit des FRM-II sowie der Leistungsreaktoren Isar 1+2 gegen Flugzeugabsturz" im Plenum des bayer. Landtags zu thematisieren.

Wie Sie sicherlich wissen, hat der Verwaltungsgerichtshof Berlin/Brandenburg vor ca. 3 Monaten eine geplante Flugroute beim neuen Berliner Flughafen BER mit der Begründung untersagt, dass die Flugzeuge zu nah über den Berliner Forschungsreaktor (in der Nähe des Wannsees) fliegen würden. M.E. kann das Berliner Urteil als Präzedenzurteil für Isar 1+2 sowie für den Garchinger Forschungsreaktor dienen (die Flieger, die MUC an- und abfliegen, fliegen auch regelmäßig genau über diese drei Reaktoren).

Würden Sie daraus eventuell eine parlamentarische Anfrage an den bayerischen Umweltminister machen?

Für Ihre Bemühungen bedanke ich mich im Voraus ganz herzlich und verbleibe

mit freundlichen Grüßen (aus Eching)

Guido Langenstück

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Langenstück,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 20. April 2013. Als energie- und umweltpolitischer Sprecher der bayerischen SPD-Landtagsfraktion bin ich seit vielen Jahren mit der Thematik der Sicherheit der bayerischen Kernkraftwerke sowie der Sicherheit des Forschungsreaktors FRM II befasst.

Zunächst zur von Ihnen angesprochenen Sicherheit der Kernkraftwerke Isar 1 und Isar 2 bei Flugzeugabstürzen:

Entsprechende Studien hierzu sind „aus Sicherheitsgründen“ in der Regel vertraulich. Von der seitens der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) erstellten vertraulichen Studie "Gutachterliche Untersuchungen zu terroristischen Flugzeugabsturzszenarien auf deutsche Kernkraftwerke" wurde jedoch eine Zusammenfassung des Bundesumweltministeriums vom 27.11.2002 bekannt. Die Ergebnisse dieser Studie sind – vor allem in Bezug auf Isar 1 – zum Teil erschreckend. Bei den Schadensszenarien wurde zwischen drei verschiedenen Flugzeugtypen (A 340, A 300 und A 320) mit jeweils zwei verschiedenen Aufprallgeschwindigkeiten unterschieden. Demnach könnten beim Kernkraftwerk Isar 2 die Ereignisabläufe bei den meisten Schadensszenarien zwar beherrscht werden. Beim Kernkraftwerk Isar 1 hingegen kann es laut der Studie in allen betrachteten Szenarien zu einer „großflächige[n] Zerstörung des Reaktorgebäudes“ kommen.

Dieses Ergebnis ist umso erschreckender, wenn man bedenkt, dass in nur etwa einem Kilometer vom Kernkraftwerk Isar 1 entfernt Flugrouten für Passagiermaschinen des Münchner Flughafens verlaufen. Auch aus diesem Grund hatte die bayerische SPD-Landtagsfraktion seit langem die Abschaltung des darüber hinaus pannenanfälligen Reaktors gefordert. Doch selbst am 17. März 2011, also unmittelbar nach der nuklearen Katastrophe in Fukushima, als die SPD-Landtagsfraktion in einem Dringlichkeitsantrag erneut die sofortige Stilllegung von Isar 1 verlangte (Landtagsdrucksache 16/7941), haben die Fraktionen von CSU und FDP dies verhindert. Die Tatsache, dass Isar 1 kurze Zeit später dann doch vom Netz genommen wurde, kann mich nicht beruhigen. Denn noch immer lagern im Abklingbecken von Isar 1 zahlreiche abgebrannte Brennelemente, die noch auf Jahre hinaus permanent gekühlt werden müssen. Bezüglich der Menge an abgebrannten Brennelementen im Kernkraftwerk Isar 1 läuft seit 10. April 2013 eine offizielle schriftliche Anfrage meinerseits an die Staatsregierung (abrufbar auf meiner Website unter Landtag/Anfragen). Bei einer Zerstörung der Seitenwand des Abklingbeckens durch einen Flugzeugabsturz würde eine Kernschmelze drohen. In diesem Zusammenhang möchte ich daran erinnern, dass 1988 ein französisches Mirage-Kampfflugzeug in nur zwei Kilometern Entfernung von Isar 1 abstürzte.

Zur Sicherheit des Forschungsreaktors FRM II:

Auch hier gilt, dass man sich seitens der verantwortlichen Behörden in Bezug auf Gefahren durch potenzielle Flugzeugabstürze stets „aus Sicherheitsgründen“ auf die Vertraulichkeit beruft. In einer schriftlichen Anfrage vom 15. Juni 2011 (Landtagsdrucksache 16/9401) habe ich der Bayerischen Staatsregierung folgende Fragen gestellt: „Wurde explizit überprüft, ob der FRM II dem Absturz eines Flugzeuges vom Typ Airbus A 380 standhält? Wenn ja, wann und von wem wurde dies untersucht?“ Die lapidare Antwort der Staatsregierung lautet: „Zu konkreten Flugzeugmodellen und Anflugs- und Wirkungsszenarien werden aus Sicherheitsgründen keine Informationen veröffentlicht.“ Es ist also sogar völlig offen, ob eine Untersuchung des Absturzes eines A 380 auf den Forschungsreaktor überhaupt jemals erfolgte.

Dennoch habe ich die Frage in einem Berichtsantrag (Landtagsdrucksache 16/15552) vom 5. Februar 2013, dessen Beantwortung noch aussteht, noch einmal an die Staatsregierung gestellt. Dieses Mal mit dem Hinweis, dass Angaben zu konkreten Anflugs- und Wirkungsszenarien bei der Beantwortung ja gar nicht vonnöten wären. Besagter Berichtsantrag behandelt darüber hinaus eine Reihe von weiteren Vorfällen am Garchinger Reaktor: u.a. eine ungeplante Abschaltung des Reaktors aufgrund erhöhter Abgabewerte des radioaktiven Kohlenstoffisotops C14, Personalmangel im Bereich des Strahlenschutzes, Großflächige Korrosionserscheinungen an der Beckenwand, am Beckenboden sowie an einem Heizer im Heizkreislauf.

Mit freundlichen Grüßen

Ludwig Wörner