Porträt von Ludwig Hartmann.
Ludwig Hartmann
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Claudia F. •

Frage an Ludwig Hartmann von Claudia F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Hartmann
gestern habe ich mit Freunden in größerer Runde darüber diskutiert, ob Handel mit nicht-demokratischen Regimes, welche die Menschenrechte nicht achten, von der Politik unterstützt oder unterbunden werden sollte. Dabei haben wir festgestellt, dass dieses Thema eine sehr wichtige Frage der kommenden Wahl für uns ist.
Gerade im Hinblick auf die kommende Wahl wäre es für uns interessant, Ihre Meinung hierzu zu kennen. Ihre Antwort könnte unter Umständen entscheiden, wo wir unser Kreuz setzen werden.
Ich würde mich über eine ausführliche Antwort freuen!
Mit freundlichen Grüßen,
C. Friedl

Porträt von Ludwig Hartmann.
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Friedl,

Vielen Dank für Ihre Anfrage.

Insbesondere im Hinblick auf die Verknappung und Verteuerung fossiler Energieträger, die eine weltweite Wende hin zur Förderung von Erneuerbaren Energien bedingt, den Klimawandel mit seinen drohenden dramatischen Auswirkungen, die zunehmende weltweite Wasserknappheit oder das schreiend ungerechte Wohlstandsgefälle müssen wir z.B. auch die Entwicklungspolitik künftig in den Dienst der dringend notwendigen sozial-ökologischen Transformation, die nur durch eine klare Menschenrechtsorientierung gelingen kann, stellen. Unsere Schwerpunkte, ein effektiver Multilateralismus in globaler ökologischer und ökonomischer Verantwortung, die Durchsetzung der Menschenrechte und eine nachhaltige Friedenspolitik wollen wir vor allem durch eine Stärkung der Vereinten Nationen (UN) und der Europäischen Union (EU) voranbringen. Das Völkerrecht muss weiterentwickelt werden zu einem Instrumentarium, das neben staatlicher Souveränität auch die Rechte der Menschen schützt. Denn auch künftig wird sich nicht vermeiden lassen, dass Deutschland auch mit autoritären Regimen, gerade im Rahmen der UN, zusammenarbeiten muss. Dabei kommt jedoch es darauf an, die eigenen Werte und die Universalität und Unteilbarkeit der Menschenrechte zum Maßstab der Zusammenarbeit zu machen. Sie dürfen nicht – wie viel zu oft geschehen – ignoriert oder wirtschaftlichen Interessen untergeordnet werden. Der Atomkonflikt mit dem Iran und die Konflikte im Nahen Osten bedürfen weiter des Einsatzes für politische Lösungen auf dem Verhandlungsweg. Die gewaltigen Probleme in Afrika, einem Kontinent mit enormem Potenzial, verlangen weiterhin unseren Einsatz.

Die bisherige EU-Politik, mit möglichst vielen Ländern bilaterale Freihandelsabkommen abzuschließen, welche aus der Angst im Wettlauf um die besten Marktzugänge abgehängt zu werden resultiert, muss sich schleunigst ändern. Obwohl sich die EU–Kommission offiziell immer wieder zum multilateralen Handelssystem bekennt, bedeutet diese Rosinenpickerei faktisch eine Abkehr vom Multilateralismus.

Jüngstes Beispiel ist das Freihandelsabkommen mit Peru und Kolumbien, über das das Europaparlament am 12. Dezember 2012 abgestimmt hat. Wir Grüne haben das Freihandelsabkommen abgelehnt, während die großen Fraktionen mehrheitlich dafür votierten.

Wir sind nicht gegen Handel an sich, aber wir wollen statt schiefen Deals Abkommen, die in transparenter Weise unter Einbeziehung von Parlamenten und Zivilgesellschaften eine andere Art der Kooperation in den Vordergrund stellen. Wir fordern eine Kooperation auf Augenhöhe, die den ärmeren Ländern Chancen für eine nachhaltige Entwicklung und zeitgleich eine nachhaltige Verbesserung ihrer Menschenrechtssituation bietet, die Umwelt schützt und den politischen Dialog zwischen Ländern und Regionen beflügelt.

Wir lehnen dieses konkreten Abkommen auch wegen der schlechten Lage der Menschen- und Arbeitnehmer*innenrechte, sowohl in Kolumbien als auch in Peru, ab. Insbesondere in Kolumbien ist die Situation dramatisch: 47 Prozent der weltweiten Morde an Gewerkschafter*innen werden in Kolumbien verübt. Die Aufklärungsrate ist sehr gering. Wir gehen davon aus, dass sich die Lage der Menschenrechte durch das Abkommen weiter verschlechtern wird, da darin keine Monitoring- und Sanktionsmechanismen vorgesehen sind, die im Falle von Menschenrechtsverletzungen greifen könnten.
Aus bayerischer Sicht zeigt sich die rein profitmaximierende Politik der schwarz-gelben Regierungsfraktionen besonders augenscheinlich beim Handel mit Waffen und dem Rüstungsexport. So wollen Ministerpräsident Seehofer (CSU) und Staatsminister Zeil (FDP) die bayerische Rüstungsindustrie mit Steuergeldern subventionieren und Rüstungsexporte fördern. Wir Grüne stehen für das Gegenteil.
Wir Grüne standen schon immer an der Seite der Kritiker*innen von Waffen- und Rüstungsexporten. Denn wir brauchen weniger Rüstungsexporte, nicht mehr! Unsere Position steht damit im fundamentalen Gegensatz zur waffenfreundlichen schwarz-gelben Landes- und Bundesregierung.
Im Juli gehörte ich beispielsweise zu den Erstunterzeichner*innen eines Aufrufs Grüner Mandatsträger*innen an Bundeskanzlerin Merkel (CDU), Wirtschaftsminister Rösler (FDP), Verteidigungsminister de Maizière (CDU), Ministerpräsident Seehofer (CSU) und Staatsminister Zeil (FDP). In dieser Proklamation fordern wir CDU/CSU und FDP nachdrücklich zu einem Umdenken ihrer rüstungsprotegierenden Politik auf. Denn für uns Grüne ist klar: Die deutsche Rüstungsexportpolitik muss restriktiver und transparenter werden. Zu meiner Freude führte dieser Aufruf auch zu einer entsprechenden Beschlussfassung auf unserem Landesparteitag im Oktober letzten Jahres.

Denn erschreckender Weise ist Deutschland nach Berechnungen des schwedischen Friedensforschungsinstituts SIPRI drittgrößter Waffenexporteur der Welt, hinter den USA und Russland und noch vor Frankreich, Großbritannien oder China. Und leider ist Bayern immer noch der größte Waffenexporteur Deutschlands. So sind sechs der zehn größten deutschen Rüstungsunternehmen in Bayern ansässig. Bayerische Rüstungsunternehmen generieren einen Umsatz von fast 15 Milliarden Euro. Im vergangenen Jahr war z.B. der geplante Export von 200 Kampfpanzern nach Saudi-Arabien bundesweit in der Presse und die Entrüstung in der Bevölkerung war groß. Die viel diskutierten Leopard-Panzer werden in der Münchner Rüstungsschmiede Kraus-Maffei Wegmann produziert. Inzwischen haben die Saudis laut Medienberichten Interesse an bis zu 800 Panzern geäußert. Auch Saudi-Arabien missachtet systematisch Menschenrechte: Die Todesstrafe wurde 2011 wieder deutlich häufiger verhängt, Menschen werden ausgepeitscht, Folter und Misshandlungen sind keine Einzelfälle, Arbeitsmigrant*innen werden ausgebeutet und Frauen unterdrückt. Das Regime scheut sich nicht, militärisch auch in Konflikte in Nachbarländern einzugreifen. 2010 hat Deutschland Kriegswaffen im Wert von rund 30 Millionen Euro nach Saudi-Arabien geliefert. Aktuell kaufte Saudi-Arabien beispielsweise Eurofighter beim in Bayern ansässigen Konzern EADS und der Nürnberger Konzern Diehl lieferte Luftwaffen.
Ich bin der festen Überzeugung, dass die bayerische Industrie mit Unterdrückung und Krieg in anderen Teilen unserer Welt keine Gewinne erzielen sollte. Dies gilt natürlich nicht nur für Waffenexporte, sondern auch für alle Güter, die von diktatorischen, menschenverachtenden und kriegstreibenden Regimen dazu genutzt werden um ihre Machtposition zu stabilisieren oder gar auszuweiten und damit Unterdrückung, Mord und Folter Andersdenkender zu befeuern, wie z.B. elektronische Überwachungstechnologie. Gerade weil der Freistaat finanziell so massiv von Exporten profitiert, sind wir in Bayern in der besonderen Pflicht uns klar zu positionieren und uns entschieden gegen einseitige Gewinnmaximierung auf Kosten von Menschenleben zu wenden.
In diesem Sinne hoffe ich auf Ihre Unterstützung bei der nächsten Bundes- und Landtagswahl im September 2013 um gemeinsam mit uns diese unsägliche, undemokratische und menschenverachtende Politik der schwarz-gelben Landes- und Bundesregierung abzuwählen.

Vielen Dank und mit freundlichen Grüßen

Ihr

Ludwig Hartmann

P.S:: Anbei zu Ihrer gewünschten ausführlicheren Information noch einige Links:
Zum Beschluss unseres Bayerischen Parteitags bezüglich bayerischer Rüstungsexporte:

http://www.gruene-bayern.de/fileadmin/Bilder/B12_Bayern_f%C3%BCr_eine_restriktive_R%C3%BCstungsexportpolitik.pdf

Zu dem von mir unterstützten Aufruf bayerischer Grüner Mandatsträger*innen, am Beispiel unseres Briefs an Ministerpräsident Seehofer:

http://www.ludwig-hartmann.de/uploads/media/Bayern_fuer_eine_restriktive_Ruestungsexportpolitik_Ministerpraesident_Seehofer.pdf

Das Strategiepapier unserer Bundestagsfraktion zum Thema Entwicklungspolitik der Zukunft:
http://www.gruene-bundestag.de/themen/entwicklungspolitik/entwicklungspolitik-der-zukunft_ID_4386232.html

Die Broschüre Grün-Global, die Ihnen Schwerpunkte und Schlüsselprojekte unserer internationalen Politik im Bundestag vorstellen will:
http://www.gruene-bundestag.de/publikationen_ID_2000006/publikation/broschuere-gruen-global.html

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