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Frage von andrea g. •

Frage an Lucy Redler von andrea g. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Hallo Frau Redler,

wenn sie sagen: "Als Sozialistin setze ich mich für eine Gesellschaft ein, in der die Bedürfnisse der Menschen und nicht die Profitinteressen im Mittelpunkt stehen.", dann klingt das natürlich schön und gut. die geschichte zeigt aber, soviel ich weiss, dass sozialisten, wenn sie an die macht kamen, ausnahmslos der macht verfielen genau wie die leute, die sie einst bekämpften. ich gehe davon aus, dass sie die meistgewählte partei werden wollen, deshalb meine fragen: wie stellen sie sich die gesellschaft vor, für die sie sich einsetzen? ist der sozialismus wirklich "lebbar"? (und welchen sozialismus vertreten sie, ich hörte, sie seien trotzkistin...?) ist es nicht schwierig am sozialismus, dass er das bestehende parteiensystem nicht infrage stellt?
danke für eine mögliche antwort,
andrea guse

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Druse,

Sie fragten mich nach meiner Vorstellung von einer anderen, sozialistischen Gesellschaft.

Laut Uno sterben täglich weltweit über 35.000 Kinder an Hunger. In Deutschland, einem der reichsten Länder auf dem Globus, lebt jedes siebte Kind in Armut, in Berlin sogar jedes dritte Kind. Eine Gesellschaft, die Kindern keine Zukunft bietet, muss in meinen Augen grundlegend in Frage gestellt werden.
Ich postuliere nicht einfach eine gesellschaftliche Veränderung.
Ausgangspunkt ist für mich, hier und jetzt gegen Kita-Gebührenerhöhungen oder gegen die Abschaffung der Lernmittelfreiheit zu protestieren und diesen Protest auf allen Ebenen zu artikulieren -- ein Einzug ins Abgeordnetenhaus würde die Bedingungen dafür deutlich verbessern. In der Berliner WASG gibt es verschiedene Ideen und Positionen in der Frage gesellschaftlicher Alternativen. Ich persönlich bin davon überzeugt, dass der Widerstand gegen Bildungs- und Sozialabbau mit dem Engagement für eine sozialistische Gesellschaft verbunden werden sollte.

Banken und Konzerne sollten in Gemeineigentum überführt werden, an die Stelle der kapitalistischen Marktwirtschaft sollte eine geplante Wirtschaft treten. Das war in der DDR der Fall. Aber dort herrschte eine abgehobene, privilegierte Bürokratie. In einer sozialistischen Gesellschaft muss es aber Demokratie geben. Davon konnte im SED-Regime keine Rede sein. Es gab keine demokratische, sondern eine bürokratische Planwirtschaft. Eine geplante Wirtschaft braucht aber Demokratie wie der menschliche Körper Sauerstoff.
Einer der ersten, der diese Kritik in der Sowjetunion nach Stalins Machtergreifung vorbrachte, war der russische Revolutionär Leo Trotzki. Ich teile seine Stalinismus-Kritik.

Ich bin mir bewusst, dass ich hier meine Vorstellung vom Sozialismus nur anschneiden konnte. Ich hoffe jedoch, dass ich zumindest meine Herangehensweise verständlich machen konnte.

Mit freundlichen Grüßen, Lucy Redler