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Frage von Jochen G. •

Frage an Lothar Bisky von Jochen G. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Sehr geehrter Herr Bisky,

als angehender Bio-Gemüsegärtner in Brandenburg beobachte ich das Ringen, um die EU-Agrareform mit großem Interesse und mit Verwunderung habe ich verfolgt, wie die Vorschläge der EU-Kommission im Agrarausschuß des EP, in dem direkt gewählte Volksvertreter/innen aller Parteien sitzen, aufgenommen wurden. Statt einer Streichung der Exportsubventionen und eines Monitorings der globalen Auswirkungen der EU-Landwirtschaft auf Entwicklungsländer war plötzlich das Gegenteil vernehmbar (Keine Überprüfung der Agrarpolitik auf Welthunger und Märkte der Entwicklungsländer, etc.)

Es stellen sich für mich als direkt Betroffenen einige Frage, die ich gerne von Ihnen beantwortet hätte:

Wie lässt sich ein Beibehalten der Exportsubventionen bei Agrarprodukten ohne dabei die Märkte in Entwicklungsländern zu schädigen, rechtfertigen?

Ich wüßte gerne wie Sie zur Entkoppelung der Agrarsubventionen (Direktzahlungen) von verbindlichen ökologischen Kriterien stehen?

Wie ist Ihrer Meinung nach das Hofsterben (zw. 2007-2013 ein Viertel aller Höfe hat aufgeben müssen, vor allem Kleinbetriebe) in der EU und speziell in Brandenburg zu stoppen? Haben regional produzierende, kleinbäuerliche Höfe in der EU überhaupt einen Platz, wenn die Direktzahlungen (nach oben) nicht gedeckelt werden?

Desweiteren würde mich interessieren, ob Sie als Repräsentant der Bevölkerung Brandenburgs, sich für kleinbäuerliche Strukturen im Parlament einsetzen?
Werden Sie am 12. März für die Vorschläge der EU-Kommission stimmen?

Ich freue mich von Ihnen zu hören,

mit freundlichen Grüßen,
Jochen Götz

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Götz,

vielen Dank für Ihr Schreiben und Ihre Fragen.

Ich bin leider kein absoluter Fachmann in Landwirtschaftsfragen, jedoch habe ich mich zusammen mit meinen Abgeordnetenkollegen in den vergangenen vier Jahren als Europaabgeordneter regelmäßig über den Stand der Verhandlungen zur Neugestaltung der GAP informieren und beraten lassen. Als Abgeordneter der LINKEN im Europäischen Parlament trete ich für eine sozial-ökologische EU-Agrarpolitik ein.

Ich habe meinen Wahlkreis zwar nicht in Brandenburg, sondern in Sachsen-Anhalt und Berlin, setzte mich aber selbstverständlich für die Interessen sowohl ökologisch und sozial produzierender kleinbäuerlicher ebenso wie kooperativer Landwirtschaftsbetriebe ein.

In der gesamten EU sollten die entkoppelten Direktzahlungen gleiche Umwelt- und Sozialleistungen gleichwertig bis zum Ende 2020 den aktiven Landwirtschaftsbetrieben vergüten.

Bei Kappungen und Degression sollten die Arbeitskosten der betroffenen Betriebe berücksichtigt werden, unabhängig von deren Rechts- oder Betriebsform.

Jegliche Exportsubventionen für europäische Agrarprodukte sollten m. E. abgeschafft werden. Stattdessen sollten Entwicklungsländer zumindest zeitweise zum Schutz ihrer landwirtschaftlichen Produzenten Importzölle auf EU-Agrarprodukte erheben dürfen.

Zur Abstimmung über eine Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) waren wir MdEP der LINKEN im Europarlament der Auffassung, dass die vorgelegten Kompromisse des EU-Agrarausschusses keine gute Grundlage für die Verhandlungen mit den Agrarministern und der EU-Kommission zur Reform der GAP bilden. Wir sind der Auffassung, dass EU-Agrarkommisar Ciolos Ende 2011 Vorschläge zur Reform der EU-Agrarpolitik vorgelegt hat, die eine substantielle Verbesserung der europäischen Agrarpolitik ermöglichen würden. Das Parlament ging nun mit Positionen in die Verhandlungen, die in weiten Teilen hinter den Vorschlägen der Kommission zurückbleiben. Viele Menschen in Europa erwarten, dass die milliardenschweren Zahlungen an die Landwirtschaft nicht allein der Einkommensunterstützung dienen, sondern an mehr Bedingungen geknüpft werden. Sie müssen mithelfen, soziale und ökologische Ziele wie Arbeitsplätze, Klimaschutz und Biodiversitätserhalt zu erreichen.

Die MdEP der LINKEN im Europaparlament unterstützten bei der Abstimmung im Plenum Vorschläge wie zum Beispiel die Verpflichtung, ausreichend ökologische Vorrangflächen zur Bewahrung der Artenvielfalt zu schaffen oder die Einkommensunterstützung an den Erhalt von Arbeitsplätzen und an eine gerechte Entlohnung mit der Berücksichtigung von Mindestlöhnen zu knüpfen.

Im europäischen Agrarministerrat werden leider oft vorrangig nationale Interessen verteidigt. Darum müsste das Europäische Parlament die insgesamt guten Vorschläge von EU-Landwirtschaftskommissar Ciolos unterstützen. Die Vertreterinnen und Vertreter der LINKEN im Europäischen Parlament haben den vorgelegten Kompromissen des Agrarausschusses nicht zugestimmt. Problematisch war zusätzlich, dass kleine Fraktionen an den Verhandlungen nur unzureichend beteiligt worden waren. Die Fülle an Änderungsanträgen, die im Plenum abgestimmt werden sollten, zeigte die Unzulänglichkeiten des Verfahrens. Wir plädierten stattdessen für eine erneute Verhandlung in den zuständigen parlamentarischen Ausschüssen.

Mit freundlichen Grüßen,

Lothar Bisky, MdEP