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Frage von Matthias B. •

Frage an Lothar Bisky von Matthias B.

Sehr geehrter Herr Bisky,

hier eine Frage zur Oder-Partnerschaft an den Kultur-Wissenschaftler:

Seit 2006 gibt es offiziell die Partnerschaft mit den Wojewodschaften hinter der Oder. In 2007 wurde im Leitbild der Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg ein Bekenntnis zur Offenheit mit der Geschichte gegenüber unseren östlichen Nachbarn ausgesprochen. Dennoch ignorieren die Bildungs- und Wissenschaftsverwaltungen in Brandenburg und Berlin den Vorschlag unserer bürgerschaftlichen Initiative, in der Friedrichst. 110/112 am Oranienburger Tor, Mitte von Berlin, ein Gedenkzeichen für den historsichen Sitz des SS-Zentralbodenamtes des Reichskommissariats für die Festigung deutschen Volkstums zu realisieren. Besagtes SS-Amt, in der Hauptphase 1940-1942 unter der Leitung eines Berliner Hochschullehrers, organisierte die Erfassung, Beschlagnahme und Überführung in deutsches Eigentum von 800.000 polnischen landwirtschaftlichen Kleinbetrieben in den sog. „eingegliederten Ostgebieten“ (Ostoberschlesien, Wartheland, Danzig-Westpreussen und Zichenau). Aus diesen Gebieten und den neuen polnischen Westgebieten liegen im Moment gut 60 Unterstützungsschreiben für das Gedenkzeichen vor, darunter 20 Universitätsrektoren. Problem: Das Gedenkzeichen, seit sechs Jahren genehmigt, wird von Potsdam und Berlin aus einfach blockiert und die Konkretion der wissenschaftlichen Beteiligung totgeschwiegen.

Frage: Wie halten Sie es als Wissenschaftler und Kulturpolitiker mit der Transparenz bei NS-Wissenschaftsgeschichte? Was kann es sein, dass unser Gedenk- und Begegnungsprojekt mit solch starker dokumentierter Basispartizipation einfach deutscherseits ignoriert wird?

Manchmal ist Schweigen in Ordnung, aber für eine bilaterale Partnerschaft gehören dazu auch zwei Seiten. Ich empfinde hier starke deutschnationale akademische Eitelkeiten und wäre dankbar für Ihre Mithilfe bei deren Überwindung.

Mit freundlichen Grüssen

M. Burchard

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DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Burchard,

Ihre Frage hat mich erreicht. An einem guten nachbarschaftlichen Verhältnis zu Polen ist mir sehr gelegen, auch, aber nicht nur aus historischer Verantwortung. Ich selbst hatte übrigens vor nicht allzu langer Zeit die Gelegenheit, an der Universität Viadrina mit Studierenden zu sprechen, was nicht nur viel Freude bereitete, sondern auch erkenntnisreich war. Durch meinen Wahlkreis an der polnischen Grenze, zum dem auch die Stadt Frankfurt (Oder) gehört, sind mir die Probleme vertraut, ebenso der überwiegende Wunsch auf polnischer und deutscher Seite, partnerschaftlich mit einander umzugehen. Aber zum Kern Ihrer Frage: Die entschlossene Aufarbeitung der NS-Vergangenheit ist ein Kernthema der Partei DIE LINKE. Dazu gehört auch die Transparenz in Fragen der NS-Wissenschaftsgeschichte. Und darum unterstütze ich grundsätzlich Ihr Anliegen, in der Friedrichstraße 110/112 ein "Gedenkzeichen für den historischen Sitz des SS-Zentralbodenamtes des Reichskommissariats für die Festigung deutschen Volkstums" zu realisieren. Ich erlaube mir aber, Sie freundlich darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung in diesem Falle allein beim Land Berlin liegt. Bitte wenden Sie sich mit Ihrem konkreten Wunsch an den Staatssekretär für Kulturelle Angelegenheiten, Herrn André Schmitz. Er ist m.E. Ihr Ansprechpartner in dieser Angelegenheit. Sie erreichen ihn unter: Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Senatskanzlei - Kulturelle Angelegenheiten -, Brunnenstrasse 188, 10119 Berlin.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und verbleibe

mit freundlichen Grüßen,
Ihr Lothar Bisky