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Frage von Heiko S. •

Frage an Lothar Binding von Heiko S. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Binding,

mit Beschluss des Bundestages vom 12.12.2019 (Drucksache 649/19) wurde die Anrechenbarkeit von Verlusten aus Termingeschäften auf entsprechende Gewinne ab 2022 auf 10.000 EUR eingeschränkt.

Dadurch ergibt sich für mich ab 2022 die folgende hypothetische Situation:

Ausgangskontostand 01.01.2022:
10.000 EUR

Transaktion 1: Kauf und anschließender Verkauf des DAX-Future am 01.02.2022
Gewinn 20.000 EUR

Transaktion 2: Kauf und anschließender Verkauf des DAX-Future am 02.02.2022
Verlust 30.000 EUR

Endkontostand 31.12.2022:
0 EUR

Steuerlich wird das dann wie folgt veranschlagt:

Gewinn 20.000 EUR
Anrechenbarer Verlust 10.000 EUR
Zu versteuernder Betrag: 10.000 EUR
Abgeltungssteuer: 2.500 EUR

Ich habe also 2.500 EUR Einkommensteuer zu entrichten, obwohl ich einen Nettoverlust von 10.000 EUR erlitten habe, mein Kontostand 0 beträgt und ich also kein mehr Geld mehr übrig habe, von dem ich die Steuern bezahlen könnte.

Meiner Meinung nach ist das klar verfassungswidrig, da es dem Prinzip der Besteuerung nach Leistungfähigkeit widerspricht. Ich wäre Ihnen daher verbunden, wenn Sie als Mitglied des Finanzausschusses des Bundestages zu den folgenden Fragen Stellung nehmen würden:

1. Wer sind die Initiatoren dieser neuen Regelung?

2. Was genau soll mit diesem Gesetz eigentlich erreicht werden?

3. Die Änderung betrifft lediglich Privatpersonen, nicht jedoch Unternehmen. Wieso werden Privatpersonen in Bezug auf die steuerliche Gewinnermittlung hier anders behandelt als Unternehmen?

4. Was hat die SPD im Vorfeld der Abstimmung unternommen, um sicherzustellen, dass die Gesetzesänderung verfassungskonform ist? Wurden irgendwelche Gutachten eingeholt, und falls ja, wie sind diese ausgefallen?

5. Teilen Sie meine Einschätzung bzgl. der Verfassungswidrigkeit der neuen Regelung? Falls nicht: Wie begründen Sie das? - und falls ja: Was unternehmen Sie, um dem Zustand jetzt abzuhelfen?

Mit freundlichen Grüßen aus Ihrem Wahlkreis
H. S.

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr S.,

vielen Dank für Ihre Fragen zum §20 Abs. 6 Satz 5 EStG. Ich gehe gerne darauf ein, dabei kann ich dankenswerterweise auch auf Formulierungen aus dem Bundesfinanzministerium zurückgreifen. In einigen Fällen erinnert meine Antwort stark an Antworten auf ähnliche Fragen bei Abgeordnetenwatch, weil schon die Fragen dicht beieinander liegen.

Sie fragen:

1. „Wer sind die Initiatoren dieser neuen Regelung?“

Grundlage der Neuregelung waren zwei Urteile des Bundesfinanzhofes aus den Jahren 2016 und 2017, auf die die Bundesregierung reagiert hat, da in diesen beiden Urteilen des Bundesfinanzhofes, der früheren Auffassung der Finanzverwaltung, also keine steuerliche Berücksichtigung bestimmter Verluste, nicht gefolgt wurde.

Kurz ein paar Worte zur Vorgeschichte:

Die Finanzverwaltung hat den Verlust aus dem Verfall von Optionen und Forderungen auch nach Einführung der Abgeltungsteuer nicht anerkannt. So wurde in einem BMF-Schreiben aus dem Jahr 2016 die Berücksichtigung von Verlusten aus dem Optionsverfall generell versagt. Auch vor Anwendung der Abgeltungsteuer fanden in der Vorgängerregelung in §23 EStG Verluste aus dem Verfall von Optionen nach Auffassung der Finanzverwaltung keine Berücksichtigung. Dem Bundesfinanzministerium ist nicht bekannt, dass diese jahrelang praktizierte Verwaltungsauffassung, die im Übrigen für den Steuerpflichtigen ungünstiger war als die jetzt diskutierte Änderung, zu nachhaltigen Belastungen geführt hat.

Eine Beispielrechnung:

Sie erzielen innerhalb eines Kalenderjahres aus Optionsgeschäften einen Gewinn von 90.000 Euro. Gleichzeitig realisieren Sie einen Verlust von 85.000 Euro, weil eine Option mit Anschaffungskosten in dieser Höhe wertlos verfällt.

Steuerliche Auswirkung unter Berücksichtigung der bisherigen Verwaltungsauffassung:

Sie müssen den Veräußerungsgewinn in Höhe von 90.000 Euro versteuern, der Verlust aus dem Verfall der Option wurde nicht anerkannt.

Steuerliche Auswirkung unter Berücksichtigung des § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG:

Der Veräußerungsgewinn in Höhe von 90.000 Euro kann mit dem Verlust in Höhe von maximal 10.000 Euro verrechnet werden, es verbleibt ein steuerpflichtiger Gewinn von 80.000 Euro. 75.000 Euro Verlust aus dem Verfall der Optionen werden auf Folgejahre vorgetragen und können jeweils bis zu 10.000 Euro mit Gewinnen aus Termingeschäften oder vereinnahmten Stillhalterprämien verrechnet werden.

2. „Was genau soll mit diesem Gesetz eigentlich erreicht werden?“

Mit der nun vorliegenden Gesetzesänderung wurde auf dieses Gerichtsurteile reagiert, in dem Verluste nun dem Grunde nach anerkannt werden und lediglich der je Kalenderjahr zu berücksichtigen Verlust beschränkt ist.

3. „Die Änderung betrifft lediglich Privatpersonen, nicht jedoch Unternehmen. Wieso werden Privatpersonen in Bezug auf die steuerliche Gewinnermittlung hier anders behandelt als Unternehmen?“

Bei Privatpersonen dienen solche Geschäfte in der Mehrzahl der Fälle alleine der Spekulation, während Unternehmen Termingeschäfte oftmals zur Preissicherung, etwa bei Rohstoffen oder Geldgeschäften in Fremdwährungen (Hedging), verwenden.

4. „Was hat die SPD im Vorfeld der Abstimmung unternommen, um sicherzustellen, dass die Gesetzesänderung verfassungskonform ist? Wurden irgendwelche Gutachten eingeholt, und falls ja, wie sind diese ausgefallen?“

Im Gesetzgebungsprozess werde Gesetzesentwürfe in der Ressortabstimmung, also der Abstimmung zwischen den verschiedenen Bundesministerien auch immer an das Innen- und Justizministerium („Verfassungsressorts“) gegeben. Diese beiden Ministerien prüfen den Entwurf anschließend, ob er aus juristischen Sicht verfassungskonform ist.

5. „Teilen Sie meine Einschätzung bzgl. der Verfassungswidrigkeit der neuen Regelung? Falls nicht: Wie begründen Sie das? - und falls ja: Was unternehmen Sie, um dem Zustand jetzt abzuhelfen?“

Ich teile Ihre Einschätzung nicht. Durch die gesetzliche Regelung wird die Berücksichtigung der Verluste aus Termingeschäften dem Grunde nach anerkannt. Die unterjährige Verlustberücksichtigung wird nur betragsmäßig begrenzt und über einen zeitlich unbegrenzten Verlustvortrag gestreckt. Diese Regelung ist weniger belastend als die lange durch die Finanzverwaltung vertretene Auffassung, den Totalverlusten aus Termingeschäften durch nicht Berücksichtigung des Verfalls generell die steuerliche Anerkennung zu versagen.

Hoffentlich hilft Ihnen meine Antwort einen Schritt weiter.

Mit freundlichen Grüße, Ihr Lothar Binding